Leben in zärtlichem Beton

Was es beim Tag der Architektur am Samstag zu besichtigen gibt – Lagergebäude in Burgstetten wurde zum Wohnhaus umgebaut

Das Wohnhaus in Burgstetten mit den Bewohnern Sibilla Bolay und Thomas Streitberg war ehemals ein Schuppen. Foto: T. Streitberg

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Das Wohnhaus in Burgstetten mit den Bewohnern Sibilla Bolay und Thomas Streitberg war ehemals ein Schuppen. Foto: T. Streitberg

Von Jörg Nolle

BURGSTETTEN/SCHORNDORF. Das Haus SG „gebaute Landschaft“ im Dürerweg in Schorndorf ist ein in vielerlei Hinsicht erstaunlicher Bau. Jetzt im Jahr 2019 zudem ein passender Beitrag zu 100 Jahre Bauhaus. „Weniger ist mehr“, dieser Slogan stimmt hier bis ins letzte, weggelassene Detail. Drei Körper, drei Kuben, klar ablesbar zueinander gesetzt. Als ob der Architekt mit Bauhausklötzen aus dem Museumsshop gespielt hätte. Der Baustoff: innen wie außen Beton. Beton brut sagen die Franzosen. Angereicherter Zement, roh und nackt. Das gilt innen für die Decke, für die Wände, für den Fußboden. Außen sowieso. Einfach Beton. Hellgrau. Mit der feinen Binnenzeichnung, den gut geschalte Fertigteile aus dem Werk haben können.

Das Haus ist energieeffizient im Betrieb, weil zweischalig. Innen und außen trennt ein Hochleistungsdämmstoff.

Beton-brutalistisch ist die Anmutung eben gerade nicht. Dazu hat der Bau zu markante Qualitäten. Er würde sich selbst in einem alten, gewachsenen Dorfkern noch gut machen, weil Solitäre das eben können. In Neubaugebieten, diesen so oft grausamen Zurschaustellungen des „Wir können es uns leisten“, zeigt er vorbildlich, dass Bauen mit viel Geld nicht zu einem eitlen Ergebnis führen muss. Deshalb wurde dieses Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung im Wettbewerb „Beispielhaftes Bauen“ der Architektenkammer auch ausgezeichnet. Allenfalls ließe sich sagen, dass hier eine Familie ihren guten Geschmack zur Schau stellt. Sie ist denn auch in der Modebranche tätig. Es lässt sich also sagen: Wenn schon die Ideologie des frei stehenden Einfamilienhauses Tribute fordert, dann soll sie hier ihren Triumph feiern.

Bewährung in der Hitzeschlacht

Bewährt hat sich das Haus in der Hitzeschlacht von 2018, sagt Architekt Thomas Sixt Finckh aus Esslingen. Screens verschatten die Glasflächen im Sommer, es braucht keine klappernden Rollläden. Nachts werden die Betonteile durch eine natürliche Konvektion über den zentralen Luftraum abgekühlt. Zusätzlich kann die Luftwärmepumpe die Decken kühlen. Dies Haus ist die perfekte dritte Haut des Menschen. Es geht dem Anschein zuwider zärtlich mit den Bewohnern um.

Ein anderes Objekt der Rundfahrt: „Umbau eines Lagergebäudes zum Wohnhaus“. Es steht in Burgstetten. Drinnen wohnt der Architekt Thomas Streitberg mit seiner Familie. Dass hier ein Müller Ende der 30er-Jahre ein Dach über seine Mühlenmaschinen gezogen hat, ist noch gut ablesbar. Die weit auskragenden Dachbalken werden nochmals von Stützen gehalten. Das Haus steht erhöht auf einem Sockel auf Cortenstahl, falls der Bach nebenan über die Ufer tritt. Hier führen Sibilla Bolay und Thomas Streitberg durch ihr Haus, das an sich wenig Spektakuläres hat. Aber es zeigt einfach, was man mit einem Schuppen machen kann. Endlich mal wird Wohnraum nicht zweckentfremdet, sondern gewonnen. Dass das Alte kultiviert aktiviert werden kann, das zeigt sich auch in einer dritten Station. Da geht es zur Kulturscheuer „Zamma“ des Architekten Martin Bühler in Geradstetten.

Info
Die vier Stationen der Rundfahrt im Rems-Murr-Kreis

Diese vier Stationen sind am Tag der Architektur im Rems-Murr-Kreis zu besichtigen:

Umbau eines Lagergebäudes zum Wohnhaus, Mühlstraße 23, Burgstetten. Fertigstellung 2016. Architekt: Thomas Streitberg, Burgstetten.

Haus SG „gebaute Landschaft“, Dürerweg 39, Schorndorf, 2018, Finckh Architekten BDA, Thomas Sixt Finckh, Stuttgart.

Kulturscheuer „Zamma“ in Geradstetten, Untere Hauptstraße 10, Geradstetten. Architekt und Besitzer: Martin Bühler, Weinstadt, Atelier Wolfshof Architekten.

Aussichtsplattform Luitenbächer Höhe in den Weinbergen von Großheppach, Architekt: Martin Bühler, Atelier Wolfshof Architekten.

Start der Busrundfahrt ist um 13 Uhr auf dem Parkplatz bei der Rundsporthalle Beinsteiner Straße. Anmeldung bei der Architekten-Kammergruppe Rems-Murr unter 07151/1690357 oder kg-wn@akbw.de.

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Erstellt:
28. Juni 2019, 06:00 Uhr

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