Filmfestspiele in Cannes
Leichtfüßiger Start ins Festival
Am Dienstagabend sind die Filmfestspiele in Cannes eröffnet worden – mit einem selten liebevollen Film: „Partir un jour“ von Amélie Bonnin.

© Lewis Joly
Cannes wird für die nächsten 12 Tage zur Bühne für Film und Leute.
Von Patrick Heidmann
Die Filmfestspiele hatten noch nicht begonnen, da standen bereits viele Fragen im Raum, die die Journalisten und Branchenvertreter in Cannes umtrieben. Hat Tom Cruise anlässlich der an diesem Mittwoch stattfindenden Premiere seines neusten „Mission: Impossible“-Films mal wieder eine spektakuläre Stunt-Aktion geplant? Lässt sich Robert De Niro, dem gleich zum Auftakt eine Ehren-Palme verliehen wird, zu einem Statement über den von ihm wenig geliebten US-Präsidenten Trump und seine Film-Zölle hinreißen? Und wie geht die französische Filmbranche um mit dem Urteil in der Causa Depardieu?
Angesichts all dieser Themen überraschte es kaum, dass ausgerechnet der Film, der am Dienstagabend zur feierlichen Eröffnung gezeigt wurde, ein wenig ins Hintertreffen geriet. Was allerdings auch damit zu tun hat, dass „Partir un jour“ der Regisseurin Amélie Bonnin nicht gerade in die Kategorie Aufsehen erregender Kinospektakel fällt. In den vergangenen Jahren ist es Tradition in Cannes geworden, das Festival mit einer einheimischen Produktion zu beginnen, der an der Croisette eine große Plattform geboten wird. Die diesjährige Wahl fiel dabei nun auf ein Werk, das tatsächlich jede Aufmerksamkeit gebrauchen kann, handelt es sich doch um ein Debüt, das ganz ohne große Namen auskommt.
Liebevoll und clever
Bonnin erzählt in der auf ihrem eigenen Kurzfilm basierenden Tragikomödie von der Spitzenköchin Cécile (Juliette Armanet), die nach dem Gewinn einer TV-Kochshow kurz vor der Eröffnung ihres ersten eigenen Restaurants steht. Der positive Schwangerschaftstest, mit dem „Partir un jour“ beginnt, ist nicht nur deswegen eine eher unerwünschte Überraschung, von der sie ihrem Job- und Lebenspartner (Twefik Jallab) nichts sagt.
Noch drängender sind allerdings die gesundheitlichen Probleme ihres Vaters (François Rollin), die sie dazu veranlassen, in die Provinzheimat zurückzukehren, die sie einst nicht schnell genug verlassen konnte.
Doch das Wiedersehen sowohl mit den eine Trucker-Raststätte betreibenden Eltern als auch dem einstigen Jugendschwarm Raphaël (Bastien Bouillon) trägt zur Entspannung von Céciles diffusem Emotionszustand nicht gerade bei.
So klein der Film mit seinen im Privaten angesiedelten Konflikten daherkommt, so viel holt die Regisseurin aus ihm heraus. Das liegt auch daran, dass sie „Partir un jour“ zu einer Art Musical macht, in dem Gesangs- und Tanzeinlagen zu Songs wie „Alors on dance“, „Paroles Paroles“ oder Céline Dions „Pour que tu m’aimes encore“ charmant die Handlung unterstützen, statt von ihr abzulenken, und vom blendend aufgelegten, unverbrauchten Ensemble mit Hingabe interpretiert werden.
Lange hat dieses Festival nicht derart liebevoll, leichtfüßig und clever begonnen, und man kann nur hoffen, dass es in den nächsten Tagen noch weitere derart erfreuliche filmische Entdeckungen zu machen gibt. Selbst wenn abseits der roten Teppiche, auf denen laut neusten Regularien sowohl allzu freizügige „Nude-Dresses“ als auch ausladende, den Einlass verzögernde Roben verboten sind, womöglich andere Themen die Gespräche dominieren.