Burda Museum

Lobgesang auf die Intuition

Das Burda-Museum Baden-Baden will Richard Pousette-Dart nun auch in Europa bekannt machen. Tut sich das beliebte Museum damit wirklich einen Gefallen?

Richard Pousette-Darts „Feier der Geburt“ von 1975/76

© The Richard Pousette-Dart Foundation/VG Bild-Kunst

Richard Pousette-Darts „Feier der Geburt“ von 1975/76

Von Adrienne Braun

Vermutlich war er ein netter Typ, tolerant und aufgeschlossen. Richard Pousette-Dart gelang es als einem der ersten in Amerika, den Kriegsdienst erfolgreich zu verweigern, schließlich war er Pazifist. Er widmete sich lieber den schönen Dingen des Lebens, horchte in sich hinein und versuchte auf die Leinwand zu bringen, was sein Inneres hervor spülte – zum Beispiel Gemälde, die an gotische Glasfenster erinnern oder große Leinwände, die an den Sternenhimmel erinnern. „Für mich“, sagte er, „ist Kunst der Himmel, der sich unaufhörlich öffnet.“

Nun öffnet sich der Himmel im Museum Frieder Burda in Baden-Baden, das Richard Pousette-Dart in seiner neuen Ausstellung im großen Stil würdigt – damit er endlich auch in Deutschland bekannt wird. In Amerika wird der Maler als einer der wichtigen Vertreter des Abstrakten Expressionismus gehandelt. „In Europa hat Pousette-Dart dagegen wenig Spuren hinterlassen“, meint Daniel Zamani, der Künstlerische Direktor des Burda-Museums. Deshalb musste man fast alle Bilder aus amerikanischen Privatsammlungen und Museen ausleihen. Das sei teuer geworden, sagt Zamani, „teuer, aber auch sehr opulent.“

Stile und Ismen scherten ihn nicht

Interessant ist in jedem Fall die Biografie von Richard Pousette-Dart, der 1916 geboren wurde und bemerkenswert fortschrittliche Eltern hatte, was schon deren Doppelname verrät. Seine Mutter schrieb Gedichte und veröffentlichte in der Zeitung Essays über den Sozialismus oder die Gleichberechtigung. Der Vater studierte Malerei und arbeitete als Gebrauchsgrafiker. Und beide waren fest davon überzeugt, dass ihr Junge seinen schöpferischen Impulsen folgen und seine Kreativität ausleben soll.

Und so mochte Richard Pousette-Dart keine Kunstschule besuchen, sondern arbeitete lieber als Autodidakt. Stile und Ismen scherten ihn ohnehin wenig, er mochte lieber seiner Intuition vertrauen. Trotzdem kam er bald in den Kreis der abstrakten Expressionisten und hatte bereits mit 25 Jahren seine erste Ausstellung in New York. Die Betty Parsons Gallery machte viele Künstler wie Jackson Pollock, Mark Rothko oder Barnett Newman international bekannt – und vertrat auch Pousette-Dart.

Er begeisterte sich für archaisch anmutende Formen, für Kreuze und Spiralen, Sterne oder Vögel - und fertigte große Schmuckstücke aus Messing. Er polierte sie zu Hochglanz, sodass sie sicher herrliche Handschmeichler wären. Auch in seiner Malerei tauchen Formen auf, die der frühen angelsächsischen Kunst entlehnt sind oder der Kultur der Maja. Meist hat er die verschiedenen Motive auf der Fläche gleichmäßig nebeneinander gereiht. Auch bei den Kirchenfensterbildern werden sie vertikal und horizontal angeordnet.

Das Ergebnis ist eine All-Over-Malerei, die über die Leinwand hinaus in den Raum zu expandieren scheint. Tiefe besitzt sie allerdings nicht. Er habe „meisterhaft“ universale Grundformen und malerische Eigenschaften des Lichts“ austariert, heißt es in der Ausstellung – und doch strahle die Bilder nicht, was vielleicht an den grau gestrichenen Wänden liegt. So dick, wie der Künstler die Farbe auftrug und oft tupfte, scheint die Oberfläche das Licht förmlich zu schlucken, statt sie zum leuchten zu bringen oder Transparenz zu vermitteln.

Letztlich können viele der Bilder qualitativ nicht mithalten mit den Thesen, die Pousette-Dart gern ausgab und die er pathetisch auflud: Kunst sei Magie und „ihrer letzten Bedeutung nach immer mystisch“, meinte er, sie sei Freude und ein „Garten voller Überraschungen und Wunder“. Dann wieder erklärte er, dass Gemälde eine Präsenz seien, „die man am besten kennenlernt durch den Geist, den sie bei uns zurücklassen, nachdem wir sie zurückgelassen haben.“

Ihn beflügelte das Experimentieren und die Suche nach immer neuen Ausdrucksmöglichkeiten. So widmete er sich neben Malerei und dem Fertigen von Messingschmuck auch der Fotografie. In der Ausstellung sind Fotos seiner erfolgreichen Künstlerkollegen Barnett Newman und Mark Rothko zu sehen, die er 1948 porträtierte. Er machte Aufnahmen von Jazzbands der Zeit, die allerdings so wenig außergewöhnlich sind wie seine gezielten Experimente mit der Kamera. Gern setzt er die Doppelbelichtung als Stilmittel ein, wie es die Künstlerinnen und Künstler dreißig Jahre vorher bereits am Bauhaus taten – und das deutlich innovativer als Pousette-Dart.

Am überzeugendsten sind in der Ausstellung in Baden-Baden die Bilder, die erst im Alter entstanden und bei denen dem Künstler endlich gelang, was stets sein Bestreben gewesen war: das Licht einzufangen. Auf großen Leinwänden setzte er in beeindruckender Fleißarbeit tausende bunte Lichtpunkte nebeneinander und häufig wirken die Ergebnisse, als würde man durch ein Teleskop direkt in den Sternenhimmel schauen. So erreichte er letztlich doch noch, was er wollte: „die spirituelle Natur des Universums auszudrücken.“

Info

Kunstrichtung Die bekannteste Facette des abstrakten Expressionismus ist das Action-Painting, bei dem die Farbe mit wilder Lust gemalt, geschüttet, getropft oder auf die Leinwand gespritzt wurde. Aber auch die Farbfeldmalerei zählt zu der amerikanischen Kunstrichtung, bei ihr wurden einfache Farbflächen aufgebracht. Pousette-Dart hat eine individuelle Spielart des abstrakten Expressionismus entwickelt.

Information Ausstellung bis 14. September, geöffnet Di – So 10 bis 18 Uhr

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Erstellt:
10. Juni 2025, 10:16 Uhr

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