Loblied auf die Freundschaft und die Musik
Marina Heidrich aus Backnang veröffentlichte ihr Romandebüt „Go!Dessia – Das Möhrchenmassaker“ im Leseratten-Verlag
Geddess ist eine der dienstältesten Rockbands in Backnang. Frontfrau Marina Heidrich ist bekannt für ihren ironischen Zungenschlag. Nun hat sie einen Roman geschrieben: „Go!Dessia – Das Möhrchenmassaker“. Es ist eine Mischung aus Bandrealität und einem wilden, abgedrehten, meist fiktiven Ritt durch unterschiedlichste Genres, Zeitebenen und Themengebiete zwischen Robert Schumann, dem nordischen Gott Thor und Terroristen.

© Stefanie de Buhr
Geddess-Frontfrau und Sängerin Marina Heidrich hat einen Thriller nicht nur für Rockmusiker, die Fantasy lieben, sondern auch für Fantasy-Fans mit Hang zum Headbangen geschrieben. Am Sonntag liest sie aus ihrem Roman im Universum-Kino, zudem gibt es Musik von Geddess. Foto: privat
BACKNANG. Amateur-Rocker in reiferen Jahren treffen sich jeden Freitag im Proberaum und üben, trinken, reden Unsinn – und kämpfen gegen das Böse. Die Story ihrer Band Geddess verpackt die Backnangerin Marina Heidrich in ein opulentes Abenteuerszenario, in das die etwas in die Jahre gekommenen fünf Freunde geraten. Die Musiker hängen sich ganz schön rein, um nichts Geringeres als die Welt zu retten. Und noch etwas ist der schriftstellerischen Freiheit geschuldet: Die Bandmitglieder sind im Grunde uralte Gottheiten – allerdings mit kleinen Handicaps und Charakterfehlern – die regelmäßig nach Ablauf der normalen menschlichen Lebensspanne woanders wieder reinkarnieren. Seit Tausenden von Jahren treffen sie in jeder Reinkarnation immer wieder aufeinander und machen dann gemeinsam Musik.
Bei aller schriftstellerischen Spielerei hat sich Heidrich aber für ein bitter ernstes Thema entschieden, das den Plot vor allem antreibt. In dem Fantasy-Thriller wollen die musikalischen Götter verhindern, dass eine Terrororganisation ihr Unwesen treiben kann. Wer gemeint ist, ist ganz klar. Auf die Idee, „Go!Dessia“ zu schreiben, kam Marina Heidrich nach einigen Ausnahmemomenten an einem Tag. Ihr Drummer Rio meinte, als sie wie immer nach der Probe noch zusammensaßen und redeten: „Wenn bei uns mal jemand eine Webcam mitlaufen lässt – au, Mann!“ Zuvor hatte Leseratten-Verleger Marc Hamacher Marina Heidrich im Spaß gefragt, wann sie denn nun einen kompletten Roman fertigstellen würde. „Rios Satz in Verbindung mit Marcs Frage und einem Artikel über einen Bombenanschlag des IS – alles am selben Freitag – das ließ mich in jener Nacht nicht schlafen. Weil sich vor meinem geistigen Auge plötzlich die Handlung von ,Go!Dessia‘ herauskristallisierte.“ Eine typische Szene im Roman: Als Schauplatz eines noch von der Band in letzter Minute verhinderten Bombenanschlags hat sich die musikalische Autorin die Rockfabrik in Ludwigsburg ausgesucht. So ganz nebenbei müssen die Weltretter ein Konzertprogramm auf die Beine stellen. Und die Hochzeit ihres Bassers planen, der als einziger kein Gott, sondern ein Dämon ist.
Die auch ganz offenkundig an Geschichte und Film interessierte Backnangerin erzählt aus der Perspektive der Sängerin Mia. „Einen Großteil der Dialoge musste ich einfach nur aufschreiben, nach der Probe. Und da es offensichtlich ist, dass meine vollreifen ,Jungs‘ von Geddess mich mehr als nur oberflächlich inspiriert haben, ist dieses Buch im Grund vor allem ein Loblied auf die Freundschaft. Und auf die Musik“, sagt sie. Ihre Mia schaut außerdem hinter die Fassaden der Menschen und Organisationen. Dass ein Terroristenanführer „unter dem Mäntelchen des Respekts für die gegenseitige Kultur“ Ausstellungen organisiert und als „Wohltäter und Förderer des Weltfriedens“ auftritt, entlarvt sie als Tarnung übler Machenschaften. Einem zu einer anderen Religion konvertierten Jugendlichen wäscht die resolute Mia ordentlich den Kopf. Beim Aufeinandertreffen der Bandmitglieder mit dem verblendeten Jüngling geht es zudem ungewöhnlich abgefahren zu. Die Band bedient sich biologischer Kampfstoffe in Form von Möhrchen . . .
Humor hält Marina Heidrich als adäquaten Kunstgriff, um beispielsweise Selbstmordattentätern kein Denkmal zu setzen – diese stellt sie sich eher mit Clownsnase, Hasenzähnchen und Schweinerüsselchen vor: „Es geht nicht darum, die Opfer dieser feigen Anschläge nicht ernst zu nehmen, sondern die Sinnlosigkeit der extremistischen Handlungen einiger verblendeter Idioten als das darzustellen, was sie letztendlich sind,“ schreibt sie im Vorwort. Das funktioniert sogar prächtig, wenn man sie wie in der temporeichen Story um Sängerin Mia, die Gitarristen Ansgar und Bimmel, den Schlagzeuger Sal und den Bassisten Didi schon mal der Lächerlichkeit preisgibt.
