Oscar-Verleihung: Der Super Bowl für Filminteressierte

Die Oscar-Verleihung steht kurz bevor. Für Filmschaffende und Kinobetreiber, aber auch für Cineasten ist die Show eine der bedeutendsten Branchenveranstaltungen des Jahres. Auch in Backnang und Umgebung verfolgen in der Montagnacht einige mit, welche Filme gewinnen.

Peter Haußmann und Ingrid Teufel reisen regelmäßig auch zur Berlinale. Foto: privat

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Peter Haußmann und Ingrid Teufel reisen regelmäßig auch zur Berlinale. Foto: privat

Von Melanie Maier

Backnang. Es ist höchste Zeit, Popcorn und Nachos zu kaufen: In der Nacht von Sonntag auf Montag (deutsche Zeit) werden die Oscars vergeben. Verfolgen kann man die Preisverleihung auch im deutschen Fernsehen (siehe Infotext): Von 1 bis etwa 5Uhr früh wird sie live übertragen.

Eine undankbare Zeit, mag man meinen, doch für Marius Lochmann von den Lochmann Filmtheaterbetrieben, zu denen der Backnanger Traumpalast und die Löwenlichtspiele in Rudersberg gehören, ist die Show ein fester Posten im Terminkalender. „Wann ich die Oscars das erste Mal angeschaut habe, weiß ich gar nicht mehr“, sagt der Kinobetreiber. Die Verleihung war schon immer ganz besonders für ihn. „Ich bin ja quasi im Kino aufgewachsen. Und wenn man früher einen Film cool fand, hat man sich auch gefreut, wenn er gewinnt.“

Die Gewinnerfilme werden oftnoch einmal ins Kinoprogramm geholt

Welche Filme dieses Jahr die größte Chance auf eine der begehrten goldenen Trophäen haben? Lochmann gibt mehrere Tipps ab. „‚The Banshees of Inisherin‘ (Regie: Martin McDonagh) fand ich richtig cool. Colin Farrell hat eine herausragende schauspielerische Leistung abgegeben“, begründet er. Aber auch „Top Gun: Maverick“ (Joseph Kosinski) mit Tom Cruise und „Avatar: The Way of Water“ (James Cameron) fand er „sensationell“. „Was meinen Filmgeschmack angeht, bin ich eher Mainstream unterwegs“, gibt er zu. Einen Großteil der Filme hat Lochmann natürlich schon gesehen, viele liefen im Traumpalast. Einige der Gewinnerfilme wird er, wie jedes Jahr, nochmals ins Programm holen.

Marius Lochmann telefoniert während der Verleihung mit Freunden. Archivfoto: B. Büttner

© Benjamin Büttner

Marius Lochmann telefoniert während der Verleihung mit Freunden. Archivfoto: B. Büttner

Die Verleihung wird er sich zu Hause auf dem Sofa ansehen. Mit Nachos. „Popcorn hab ich im Lauf meines Lebens zu viel gegessen“, scherzt er. Während der Show telefoniert er mit Freunden aus der Branche, tauscht sich über das Geschehen auf dem Bildschirm aus. Sein Traum wäre es, einmal live im Dolby Theatre in Los Angeles zu sein. „Da gibt’s niemanden vom Who’s who in Hollywood, der nicht dort ist“, schwärmt er.

Foto: Mahirkart/Adobe Stock

© mahirkart - stock.adobe.com

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Einmal mit Letitia Wright oder Frances McDormand über den roten Teppich schreiten? Für Annegret Eppler vom Backnanger Kino Universum wäre das nichts. „Mit Glamour habe ich nicht viel zu tun, ich bin unglaublich bodenständig“, verrät die Kinobetreiberin. Für sie ist die Zeremonie daher nicht so wichtig, sie schaut sie auch nicht im Fernsehen an. „Nur Zusammenschnitte, damit ich informiert bin, wenn ich gefragt werde. Aber ich habe im Freundeskreis viele Kinobetreiber, die sich unheimlich auf die Verleihung freuen“, sagt sie. Dieser Kreis um Karl-Heinz Meier vom Kino Lichtburg im norddeutschen 450-Seelen-Dorf Quernheim trifft sich jedes Jahr, um die Oscars zu gucken. „Da ziehen sich sogar alle schick an“, weiß Eppler. Wenn sie die Verleihung live anschauen würde, dann mit ihren Freunden aus dem Norden, sagt sie. Teil hat sie dennoch an deren Feier: Jedes Jahr erhält sie nach der Show ein Fax von Meier mit der Gewinnerliste. „Da schaue ich vorher auch nicht ins Netz.“ Auch sie nimmt einige prämierte Filme wieder ins Programm, das passenderweise montags erstellt wird.

Annegret Eppler verschläft die Oscars. Die Ergebnisse erfährt sie per Fax.Archivfoto: A. Becher

© Alexander Becher

Annegret Eppler verschläft die Oscars. Die Ergebnisse erfährt sie per Fax.Archivfoto: A. Becher

Ihre Tipps: Cate Blanchett als beste Hauptdarstellerin im Drama „Tár“ (Todd Field), Austin Butler (bester Hauptdarsteller) als Elvis im gleichnamigen Biopic (Baz Luhrmann), „Im Westen nichts Neues“ (Edward Berger) als bester internationaler Film. Für die Kategorie bester Film könnte sie sich „The Fabelmans“ von Steven Spielberg vorstellen, „er hat auch schon bei den Golden Globes den Preis für das beste Drama gewonnen“, oder „Everything Everywhere All at Once“ (Dan Kwan und Daniel Scheinert), bei dem vor allem asiatische Amerikaner in den Hauptrollen zu sehen sind. „Die Oscars haben ja schon einige Debatten wie #oscarsSoWhite hinter sich.“

Was Eppler bedauert, ist, dass immer mehr Filme prämiert werden, die ausschließlich auf Streaminganbietern wie Netflix, Disney Plus oder Amazon Prime gezeigt werden – so wie der Beste Film 2022, das Drama „Coda“ (Siân Heder), das nur in den USA in den Kinos gezeigt wurde. „In den letzten Jahren haben die Oscars für mich deshalb ein bisschen vom Feeling verloren,“ sagt Eppler.

Kinobetreiber kritisieren, dass auch viele Streaming-Filme ausgezeichnet werden

So geht es auch Henrik Jäger, einem der Programmverantwortlichen der Murrlichtspiele in Murrhardt. „Dadurch werden die Oscars immer uninteressanter“, sagt er. Dennoch wird er die Verleihung mit seiner Freundin Gina Stooß, die sich ebenfalls bei den Murrlichtspielen engagiert, zu Hause verfolgen – traditionell mit viel Sekt. „Wir zelebrieren das schon immer ordentlich. Früher haben wir auch richtige Oscar-Abende im Kino veranstaltet“, erzählt er. Wegen der Pandemie sei das aber in den Hintergrund gerückt. Die Verleihung sieht sich Jäger live an, seit er für das Programm in Murrhardt mitverantwortlich ist. „Das ist quasi der Super Bowl für Filminteressierte, sagt er. „Und wir müssen ja auch wissen, was wir die Woche drauf im Kino zeigen.“

Die Gewinnerfilme würden oft nochmals viel Publikum anlocken, obwohl sie teils schon gestreamt werden können. So war es etwa bei „The Shape of Water“ (Guillermo del Toro, 2017). Wenn er selbst abstimmen könnte, würde Jäger „Avatar“ zum besten Film küren. Er schätzt aber, dass „The Banshees of Inisherin“ vorne liegen wird.

Peter Haußmann und Ingrid Teufel aus Weissach im Tal könnten sich vorstellen, dass „Im Westen nichts Neues“, „The Fabelmans“ oder „The Banshees of Inisherin“ die Trophäe bekommt. Der Künstler und die langjährige Gemeinderätin sind begeisterte Cineasten, seit Teufels Renteneintritt 2015 besuchen sie fast jedes Jahr die Berlinale.

Die Oscars schauen sie sich immer an, „wenn es die Zeit zulässt. Mir gefällt die Show, der Glamour“, sagt Teufel. Der Filmgeschmack des Paars weicht allerdings von dem der Academy ab. „Hollywood feiert sich mit den Oscars ja auch immer selbst. Die Filme gehören oft zum Mainstream“, erklärt Teufel. „Und es spielen auch immer wirtschaftliche Aspekte eine Rolle“, fügt Haußmann hinzu. Er und seine Frau gehen lieber ins Programmkino. Doch auch die Oscar-Filme gucken sie meistens. „Und es gab ja auch schon gute Oscar-Gewinner wie ‚Der mit dem Wolf tanzt‘ (Kevin Costner) oder ‚Forrest Gump‘ (Robert Zemeckis)“, räumt Teufel ein. Die großen Blockbuster wie „Avatar“ interessieren die beiden aber nicht. In der Nacht von Sonntag auf Montag fiebern sie trotzdem mit, wenn es wieder heißt: „And the Oscar goes to...“

Oscar-Verleihung: Geschichte und Ausstrahlung im Fernsehen

Verleihung Die Academy Awards of Merit, wie die Oscars offiziell heißen, werden jedes Jahr im Frühjahr von der Academy of Motion Picture Arts and Sciences für die besten Filme des Vorjahres vergeben. Die Verleihung gilt als wichtigster Filmpreis des Jahres. Sie findet in der Regel im Dolby Theatre in Los Angeles statt. Ausgezeichnet werden 23 Kategorien. Die bedeutendsten sind bester Film, beste Regie, beste Hauptdarstellerin und bester Hauptdarsteller.

Geschichte Die Academy of Motion Picture Arts and Sciences wurde am 11. Januar 1927 von einer Reihe einflussreicher Filmgrößen ins Leben gerufen, darunter etwa die Warner Brothers. Hintergrund war eine Filmkrise in den 1920er-Jahren: Wegen Erfindungen wie dem Radio blieben die Besucher in den Kinos aus. Die Einführung des Preises wurde Anfang 1928 beschlossen. Am 16. Mai 1929 wurde er erstmals in einem Hotel am Hollywood Boulevard vergeben.

Fernsehen Die diesjährige 95. Oscar-Verleihung beginnt am Montag, 13. März, um 1 Uhr früh (deutsche Zeit). Sie wird (zum nunmehr dritten Mal) moderiert von Comedian Jimmy Kimmel. Die Übertragung läuft auf ProSieben, in der Pro-Sieben-App sowie im Livestream unter www.prosieben.de. Bereits ab 23.30 Uhr wird der Oscar-Countdown vom roten Teppich mit Moderator Steven Gätjen live ausgestrahlt. Die Verleihung dauert bis zirka 5 Uhr früh.

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Erstellt:
11. März 2023, 06:00 Uhr

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