Mülheimer Theatertage

Schauspiel Stuttgart beim renommierten Autoren-Wettbewerb

Ehre fürs Schauspiel Stuttgart: „Der Triumph der Waldrebe in Europa“ von Büchnerpreisträger Clemens J. Setz reist zu den renommierten Dramatikertagen Mülheim 2023. Und noch ein Stück mit Stuttgarter Beteiligung ist eingeladen.

Szene mit Therese Dörr in „Triumph der Waldrebe in Europa“ von Clemens J. Setz  im Kammertheater Stuttgart – eingeladen zu den Mülheimer Theatertagen 2023.

© Schauspiel Stuttgart / Björn Klein

Szene mit Therese Dörr in „Triumph der Waldrebe in Europa“ von Clemens J. Setz im Kammertheater Stuttgart – eingeladen zu den Mülheimer Theatertagen 2023.

Von Nicole Golombek

Das Schauspiel Stuttgart ist mit einem Stück des Büchner-Preisträgers Clemens J. Setz bei den Mülheimer Dramatikertagen 2023, einem renommierten Wettbewerb des Gegenwartsdramas, vertreten. „Der Triumph der Waldrebe in Europa“ ist nun schon die zweite Arbeit von Setz, die dem von Burkhard C. Kosminski geführten Haus Ehre macht. „Die Abweichungen“ (uraufgeführt 2018) vom selben Autor war 2019 zu dem überregionalen Festival gereist.

Triumph für Therese Dörr

Intendant Burkhard C. Kosminski reagiert auf Anfrage unserer Zeitung sehr erfreut über die Einladung und sieht sich in seinem Ansatz einer langfristigen Zusammenarbeit mit Autorinnen und Autoren bestätigt: „Mit Clemens J. Setz verbindet uns ja bereits eine längere, sehr gute Zusammenarbeit, das neue Stück bringt ein schwieriges Thema in all seiner Komplexität auf die Bühne. Und Nick Hartnagel hat das, wie ich finde, sehr sensibel und trotzdem zum Teil auch humorvoll umgesetzt. Wir freuen uns sehr über die Einladung zu den Mülheimer Theatertagen.“

„Der Triumph der Waldrebe in Europa“ wurde im Oktober 2022 in der Regie von Nick Hartnagel im Kammertheater uraufgeführt. Das Werk handelt von Eltern, die mit Hilfe digitaler Medien ihren Sohn weiterleben lassen. David chattet, David spielt mit Bauklötzchen. Alles online. Und David geht sogar virtuell in die Schule. Das wiederum lässt die sogenannten sozialen Medien hyperventilieren, jeder will an Davids Geschichte teilhaben.

Die Einladung ist auch ein Triumph für die Hauptdarstellerin Therese Dörr als Mutter des Jungen. „Therese Dörr spürt und füllt das Vakuum, ihre Renate arbeitet gegen das überdrehte Regiekonzept mit dem gut aufgelegten, auf Humor gebürsteten Ensemble an, welches die digitale Welt in toto für verrückt erklärt“, schrieb der Kritiker unserer Zeitung, Tomo Pavlovic: „In wundervoller Weise nimmt sie die Mutterfigur ernst, als spielte sie eine Heldin in einem antiken Drama, ihr drahtiger Körper ist eine einzige Muskelverhärtung, an dessen Oberfläche alles abprallt, was Gesellschaft und Medien von ihr erwarten.“

Auch Elfriede Jelinek ist dabei

Mit einem Stück über autoritäre und ausbeuterische Verhältnisse hinter den Theaterkulissen nimmt zudem die Vorjahressiegerin des Mülheimer Dramatikpreises Sivan Ben Yishai wieder an dem Wettbewerb teil, der vom 13. Mai bis zum 3. Juni stattfindet.

Unter den sieben Nominierten für den mit 15 000 Euro dotierten Preis ist auch die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek mit „Angabe zur Person“. Jossi Wieler, der ehemalige Stuttgarter Opernintendant, hat das Werk am Deutschen Theater Berlin uraufgeführt. „Angabe der Person“ ist ein großer Theaterabend, bei dem ein sehr persönliches Werk der österreichischen Autorin Elfriede Jelinek von Jossi Wieler mit großer Verve uraufgeführt und von fantastischen Schauspielerinnen mit Leben gefüllt wurde.

Jelinek ist nun bereits zum 22. Mal beim Wettbewerb vertreten, wie die Sprecherin des Auswahlgremiums, Christine Wahl, am Dienstag in Mülheim sagte.

Alle eingeladenen Stücke werden in Mülheim aufgeführt. Am Ende entscheidet eine Jury. Zusätzlich zum Erwachsenen-Wettbewerb gibt es einen ebenfalls mit 15 000 Euro dotierten Kinderstücke-Wettbewerb. Insgesamt hatten die beiden Auswahlgremien rund 200 aktuell uraufgeführte deutschsprachige Werke gelesen und verglichen.

Stück über Untiefen im Theaterbetrieb

Sivan Ben Yishais Ende 2022 uraufgeführtes Stück (Maxim Gorki Theater, Berlin) liefere unter dem Titel „Bühnenbeschimpfung (Liebe ich es nicht mehr oder liebe ich es zu sehr?)“ eine „radikalstmögliche Nabelschau-Kritik“, sagte Wahl. Wie berechtigt sei der moralische Zeigefinger am Theater, wenn sich Schauspieler backstage auspressen und von manischen Regisseuren herumkommandieren ließen, beschrieb sie den Kernkonflikt des Stücks.

Zu den weiteren nominierten Stücken zählen „Etwas Besseres als den Tod finden wir überall“ von Martin Heckmanns (Staatstheater Kassel), „Die Kunst der Wunde“ (Katja Brunner, Schauspiel Leipzig), „Die Katze Eleonore“ (Caren Jeß, Staatsschauspiel Dresden) und „Sistas!“ (Glossy Pain, Volksbühne Rosa-Luxemburg-Platz Berlin).

René Polleschs Stück „Geht es Dir gut?“ (Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin) wurde ebenfalls nominiert, kann aber aus technischen Gründen in Mülheim nicht aufgeführt werden und ist damit nicht Teil des Wettbewerbs.

Die Nominierten für den mit 15000 Euro dotierten „KinderStückePreis“ sind Roland Schimmelpfennigs „Das Märchen von der kleinen Meerjungfrau“ (Theater Heidelberg), „Der Hase in der Vase“ von Marc Becker (Oldenburgisches Staatstheater), „Luft nach oben“ von Fabienne Dürr (Stadttheater Gießen), „Kirschrotgalaxie“ von Anah Filou (überzwerg – Theater am Kästnerplatz, Saarbrücken), „Lahme Ente, blindes Huhn“ von Ulrich Hub (tjg. theater junge generation, Dresden). Vergangenes Jahr hatte Milan Gather vom Jungen Ensemble Stuttgart mit „Oma Monika – was war?“ gewonnen.

Info

Der Triumph der Waldrebe in EuropaClemens J. Setz’ Stück ist wieder am 16. und am 27. Mai im Kammertheater Stuttgart zu sehen.

Wenn die reale hinter der virtuellen Welt verschwindet, kann der Tod gar nicht so grausam sein. Szene aus „Triumph der Waldrebe in Europa“.

© Schauspiel Stuttgart/Björn Klein

Wenn die reale hinter der virtuellen Welt verschwindet, kann der Tod gar nicht so grausam sein. Szene aus „Triumph der Waldrebe in Europa“.

Die Schauspielerin Therese Dörr brilliert in der Rolle der Renate Herzer, einer Mutter, die ihren verstorbenen Sohn im Internet weiterleben lässt.

© Schauspiel Stuttgart/Björn Klein

Die Schauspielerin Therese Dörr brilliert in der Rolle der Renate Herzer, einer Mutter, die ihren verstorbenen Sohn im Internet weiterleben lässt.

Ein Leben für das Internet: Jannik Mühlenweg als Tim Feels und Camille Dombrowsky in der Rolle der Journalistin.

© Schauspiel Stuttgart/Björn Klein

Ein Leben für das Internet: Jannik Mühlenweg als Tim Feels und Camille Dombrowsky in der Rolle der Journalistin.

Therese Dörrs Renate will nicht aufgeben, an Schlaf oder andere Ablenkungen ist nicht zu denken. Im Hintergrund: Ihr unterwürfiger Ehemann Konrad, gespielt von Gábor Biedermann.

© Schauspiel Stuttgart/Björn Klein

Therese Dörrs Renate will nicht aufgeben, an Schlaf oder andere Ablenkungen ist nicht zu denken. Im Hintergrund: Ihr unterwürfiger Ehemann Konrad, gespielt von Gábor Biedermann.

Ein Rollstuhl mit Kamerastativ und Tablet ist das Vehikel für Renates virtuelle Reanimation ihres Sohnes. Das Stück von Clemens J. Setz ist eines der sieben eingeladenen Stücke zu den renommierten Mülheimer Theatertagen 2023.

© Schauspiel Stuttgart/Björn Klein

Ein Rollstuhl mit Kamerastativ und Tablet ist das Vehikel für Renates virtuelle Reanimation ihres Sohnes. Das Stück von Clemens J. Setz ist eines der sieben eingeladenen Stücke zu den renommierten Mülheimer Theatertagen 2023.

Einige Jahre in Stuttgart zu bewundern war Fritzi Haberlandt (mittig)– sie ist nun neben Susanne Wolff (li.) und Linn Reusse sowie mit Bernd Moss (im Hintergrund) eine der Darstellerinnen und Darsteller, die am Deutschen Theater Berlin das ebenfalls nach Mülheim eingeladene Stück „Angabe zur Person“ von Elfriede Jelinek spielen – in der Regie des ehemaligen Stuttgarter Opernintendanten Jossi Wieler.

© Arno Declair/Deutsches Theater

Einige Jahre in Stuttgart zu bewundern war Fritzi Haberlandt (mittig)– sie ist nun neben Susanne Wolff (li.) und Linn Reusse sowie mit Bernd Moss (im Hintergrund) eine der Darstellerinnen und Darsteller, die am Deutschen Theater Berlin das ebenfalls nach Mülheim eingeladene Stück „Angabe zur Person“ von Elfriede Jelinek spielen – in der Regie des ehemaligen Stuttgarter Opernintendanten Jossi Wieler.

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Erstellt:
21. März 2023, 14:52 Uhr
Aktualisiert:
21. März 2023, 16:07 Uhr

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