Schöne bunte Zirkuswelt

Tim Burton erweckt Disneys fliegenden Zirkuselefanten mit eindrucksvollen Bildern zu neuem Leben

Dumbo - Tim Burton setzt Disneys fliegenden Zirkuselefanten in Bilder, die größer sind als dessen Geschichte.

Zunächst wirkt das Zirkustier Dumbo auf elefantöse Weise tollpatschig, doch bald ­findet es zu ungeahnter Eleganz und segelt mit Eva Green auf dem Rücken durch die Manege wie eine Möwe. Das Gesicht des fliegenden Elefanten haben die Digitaldesignern konsequent als Zwischenwesen ­geformt: Mit menschelnden Augen und schlaff herunterhängenden Riesenohren buhlt Dumbo erfolgreich um das Mitgefühl der Zuschauer.

Der Disney-Konzern modernisiert das eigene Filmerbe, dank der digitalen Möglichkeiten gibt es Zeichentrick-Klassiker wie „Cinderella“ (2015) und „Die Schöne und das Biest“ (2017) als Realfilme. Jon­ ­Fav­reau hat in der „Dschungelbuch“-Adaption (2016) perfekt animierte sprechende Tiere gezeigt, Tim Burton die fantastischen ­Märchen- und Zauberwelten von „Alice im Wunderland“ (2010 und 2016) in zwei ­Filmen zu neuem Leben erweckt. Nun ist die rührende Geschichte des kleinen Dickhäuters Dumbo an der Reihe, der 1941 als ­Zeichentrickfigur hoch oben in der Zirkuskuppel kreiste. Der vierte Disney-Animationsspielfilm gehört zur filmhistorischen ­Ursuppe des Unternehmens.

Tim Burton und sein Drehbuchautor Ehren Kruger verlassen in ihrem Realfilm die Erzählperspektive des Elefantenbabys und bauen die menschlichen Charaktere zu ­dominierenden Handlungsträgern aus. Der versierte Reiter Holt Farrier (Colin Farrell) gehört mit seiner Cowboy-Nummer zu den Stars im Zirkus Medici, doch er verliert einen Arm im Ersten Weltkrieg und seine Frau an die Spanische Grippe.

Er versucht, seine Kinder Milli (Nico Parker) und Joe (Finley Hobbins) alleine durchzubringen, aber die Zeiten sind schlecht für den Wanderzirkus. Direktor Medici (Danny DeVito) hat schon das halbe ­Inventar verkauft und ist verzweifelt auf der Suche nach einer neuen Publikumsattraktion. All seine Hoffnungen setzt er in eine schwangere Elefanten-Dame, aber das Baby kommt mit ­riesigen Schlappohren zur Welt. Milli und Joe sind begeistert, doch die ­Zuschauer ­machen sich lustig über das Tier. Bald stellt sich heraus, dass Dumbo mit seinen überdimensionalen Ohren fliegen kann. Der Elefant wird zum Publikumsliebling und ­erweckt das Interesse des zwielichtigen Geschäftsmannes V. A. Vandevere (Michael Keaton), der in New York den Vergnügungspark Dreamland betreibt.

Natürlich ist die Zirkuswelt wie gemacht für einen Regisseur wie Tim Burton, der sich stets mit überbordender Detailfreude der Ausgestaltung seiner Settings widmet. Und so entsteht auch hier die staunende Freude des Publikums vornehmlich im ­Visuellen. Äußerst gelungen ist die Ausgestaltung der konträren Welten des chaotischen Wanderzirkus und der gigantischen Entertainment-Landschaft von Dreamland. Hier wurde nicht an expressiver Kreativität ­gespart. Auch an der kugelrunden, vitalen Präsenz von Danny DeVito als beherztem Zirkusdirektor und an Michael Keatons schillerndem Schurkencharme kann man sich nachhaltig erfreuen.

Dem gegenüber steht eine ­Geschichte, die in ihrem dramaturgischen Aufbau selbst für ungeübte Zuschauer ­nur wenige Überraschungseffekte freisetzt. Auch die Inklusionsbotschaft, die dem ­Segelohr-Elefanten vor allem aufgrund seiner besonderen Flugfähigkeiten gesellschaftliche ­Anerkennung verschafft, wirkt eher unausgegoren und nicht ganz auf der ­Höhe der Zeit. Im Herzen ist „Dumbo“ eher ein ­Disney- denn ein Tim-Burton-Film. Die ­exzentrische Kreativität und cineastische Spielfreude, die ­Filme wie „Ed Wood, „Sweeney Todd“ oder „Charlie und die Schokoladenfabrik“ auszeichnen, dienen hier vornehmlich ­dekorativen ­Zwecken, ­ohne den Film wirklich durchdringen zu können.

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Erstellt:
28. März 2019, 03:04 Uhr

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