Science-Fiction-Roman über die Gefahren neuer Technik

Christine Schick weist in ihrem ersten Science-Fiction-Roman „Die reiche Zukunft hat ein Double: Maliks Kampf gegen die schöne neue Überwachungswelt“ auf die Gefahren hin, die mit der Entwicklung und dem Einsatz neuer Techniken verbunden sind.

Die Hauptfigur in Christine Schicks Roman ist der sympathische Außenseiter Malik, der sich gegen Überwachung auflehnt. Foto: Stefan Bossow

© Stefan Bossow

Die Hauptfigur in Christine Schicks Roman ist der sympathische Außenseiter Malik, der sich gegen Überwachung auflehnt. Foto: Stefan Bossow

Von Ingrid Knack

Murrhardt. Christine Schick schreibt leidenschaftlich gern Geschichten. Die Leser dieser Zeitung kennen sie als Redakteurin im Team der Backnanger Kreiszeitung, die schwerpunktmäßig für die Murrhardter Zeitung zuständig ist. Doch schon länger ist Schick auch in der Welt der Belletristik unterwegs. Ihr jüngstes Werk ist ein Science-Fiction-Roman, den der Echterdinger Verlag Spiritbooks 2020 herausgegeben hat. Schon der Titel zeigt deutlich, wohin die literarische Reise geht: „Die reiche Zukunft hat ein Double: Maliks Kampf gegen die schöne neue Überwachungswelt“.

Die Anspielung auf die 1932 zunächst in englischer und dann in deutscher Sprache erschienene negative Utopie „Schöne neue Welt“ von Aldous Huxley ist nicht zu übersehen. Huxleys Roman der Zukunft spielt im Jahr 2540. Christine Schick lässt ihren Protagonisten Malik Cerny indes bereits im Jahr 2040 gegen Bestrebungen dubioser Geld- und Machtmenschen kämpfen, die die bestehende Technokratie in eine Technikdiktatur umbauen wollen.

Schick schreibt gerne Geschichten, die noch recht nah an unserer Zeit sind

Huxleys „Schöne neue Welt“ ist nach den Worten Schicks im Untertitel „als Assoziation zwar mit drin“, inspiriert wurde sie aber vor allem von Yvonne Hofstetter, Informatikerin und Autorin von Büchern wie „Das Ende der Demokratie: Wie die künstliche Intelligenz die Politik übernimmt und uns entmündigt“ und „Sie wissen alles: Wie intelligente Maschinen in unser Leben eindringen und warum wir für unsere Freiheit kämpfen müssen“. Schick: „Ich schreibe gerade sehr gerne Geschichten, die nicht so weit in der Zukunft liegen, sondern noch relativ nah an unserer Zeit dran sind. Ich finde es spannend, sich zu überlegen, wie könnte es in ein paar Jahrzehnten aussehen.“ Das ist auch die Zeitspanne, mit der sich Hofstetter auseinandersetzt.

Christine Schick zeichnet eine Gesellschaft in knapp 20 Jahren, in der das Überwachungs- und Kommunikationsgerät Highkontroller ein ständiger Begleiter ist, Junkies sich mit elektrischen Impulsen neural stimulieren, die Unterdruckbahn einen schnell von A nach B bringt, Sanitäter als unbemannte Drohnen daherkommen und in der es ein Sozialscore-System gibt. Malik macht sich in dieser Überwachungswelt schon als Jugendlicher einen Namen in der Hackerszene. Um zunächst vom Gesundheitssystem verweigerte Leistungen für seinen kranken Vater zu erhalten, verschafft er sich Zugang zu Krankenkassendaten. Das bleibt nicht unbemerkt.

Als Malik dann für einen in Not geratenen Drogenabhängigen einen Krankentransport anfordern will, wimmeln ihn zwei Saniflieger ab. Eine teure medizinische Betreuung soll der Junkie nicht bekommen. Daraufhin manipuliert Malik die Drohnen: Diese werden bei einem Zusammenstoß zerstört. Die Strafe dafür sind Sozialstunden in dem Unternehmen, das die Drohnen herstellt und diese auch noch dem Gesundheitssystem spendet.

Der Außenseiter Malik erfährt ein gefährliches Geheimnis des Konzerns

Dass ausgerechnet Malik, der studierte Informatiker und Soziologe, nun eine ganz andere Nähe zu diesem Unternehmen bekommt, verheißt für den Konzern nichts Gutes. Der Außenseiter kommt hinter ein gefährliches Geheimnis der Firma. Bald soll sich beispielsweise nur, wer reich ist, mit einem Zwillingsprofil freikaufen können. Auf dieses Zwillingsprofil spielt der Buchtitel an. Schick: „Die Grundidee war letztendlich, wie man aus diesen Daten auch Profit schlagen kann. Die eine Seite ist die Überwachung. Die andere Seite ist, dass ich mir überlegt habe: Wie könnten dann andere, die dieser Überwachung entgehen möchten, sich über die Technik einen Ausweg schaffen? Wie würde das möglicherweise in einer kapitalistischen Welt aussehen? So bin ich auf dieses Profil gekommen, das einem gegen Bezahlung Freiheiten ermöglicht, weil man nicht überwacht wird und auch bestimmte Regeln nicht einhalten muss.“

Christine Schick kreiert eine ganz schön abgefahrene Science-Fiction-Welt, in der aber vieles, was man gerne im Reich der Fantasie verorten würde, schon real ist oder kurz vor der Verwirklichung steht. Nehmen wir nur einmal die Brainschnittstelle. Malik und eine bei dem Drohnenhersteller beschäftigte IT-Fachfrau hacken sich mithilfe der Gehirnschnittstelle in das Profilesystem ein. Sie entdecken: Anhand der Profile spionieren die Mächtigen sogar das Verhalten der Menschen in der Zukunft aus und erteilen den Überwachten mit diesem Wissen Berechtigungen, in einem reichen Land bleiben zu können oder nicht. Wer durchfällt, wird aussortiert.

Ähnliche Systeme sind der realen Welt nicht fern

Tatsächlich soll im Reich der Mitte schon an Algorithmen gearbeitet werden, die es ermöglichen sollen, zu erkennen, wenn die Bürger etwas tun wollen, was dem Staat nicht in den Kram passt. Zur Überwachung gehört dort überdies ein Sozialkredit-System (Social-Scoring). Dabei werden Punkte für wünschenswertes und nicht wünschenswertes Verhalten vergeben. Auch die Gesichtserkennung ist keine Unbekannte. Die totale Kontrolle der Menschen ist nicht mehr weit weg.

Der Leser befindet sich in einer Welt zwischen Lesevergnügen und Unbehagen ob der Parallelitäten zu bereits Existierendem. Denn durch den gesamten Roman zieht sich das Thema Entwicklung immer besserer Techniken, um die Menschen zu beobachten. Mitspieler in diesem Szenario sind nicht erst 2040, sondern schon heute IT-Konzerne.

„Für mich ist es faszinierend, sich über eine Geschichte zu überlegen, was könnte richtig problematisch werden, und sich dazu einen Spannungsbogen auszudenken und Figuren dazuzunehmen, um das zu erzählen. Ein Stück weit ist in der Geschichte weitergedachter Alltag drin.“

Schick nutzt ihre Geschichten dafür, Zukunftsthemen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. „Mir geht es darum, zu erzählen, wie kann das jetzt aus dem Ruder laufen und wo müssen wir wirklich aufpassen.“ Der Plot bietet reichlich Stoff für überraschende Wendepunkte, über 300 Seiten wird die Spannung aufrechterhalten.

Christine Schick hat in einer Gruppe mit anderen Frauen geschrieben

Der Roman ist in einer Gruppe von Autorinnen entstanden. „Es waren zehn Frauen, wir haben uns über einen Kurs kennengelernt und später in der Gruppe mit einer Betreuerin, der Verlegerin, Autorin und Schreibdozentin Ulrike Dietmann, jeder ein Buch geschrieben“, erklärt Christine Schick. „Im März 2020 waren wir fertig und wollten auch Lesungen machen, dann saßen wir aber plötzlich im Lockdown da.“

Bisher gab es nur eine Online-Lesung; wie sie ihr Buch bekannt machen könnte, das überlegt Schick momentan. „Die Frage ist, ob man es vielleicht nicht allein macht, sondern mit anderen zusammen. Allerdings sitzen ja Science-Fiction-Autoren nicht überall um die Ecke.“

Christine Schick ist übrigens schon an der nächsten Geschichte dran. Wie lässt sich das im Alltag einer ausgelasteten Redakteurin realisieren? Und hat man nach so viel Zeit am Computer noch Lust, in der Freizeit zu schreiben? „Wenn du es allein machst, ist es sehr viel schwerer dranzubleiben als in einer Gruppe“, findet die Wahlmurrhardterin. „Wir haben gegenseitig die Sachen gelesen und kommentiert. Das hat sehr geholfen.“

Lebensstationen

Vita Christine Schick ist in Marbach am Neckar geboren und in Nagold aufgewachsen. An der Technischen Universität Berlin studierte sie Psychologie, nach dem Abschluss hängte sie noch das Aufbaustudium Medienwissenschaften und -praxis an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen dran. Danach war sie eine Zeit lang als freie Journalistin tätig, seit 2007 arbeitet Christine Schick als Redakteurin im Team der Backnanger Kreiszeitung. Sie ist vor allem für die Murrhardter Zeitung zuständig.

Preis Beim Berliner Schreibwettbewerb „Federleicht“ gewann Schick für die Kurzgeschichte „Die letzte Tram“ den dritten Preis. Die Geschichte ist in „Federleicht – Der Schreibwettbewerb“ nachzulesen, Verlag Notion Publisher, Berlin, 2012, ISBN 978-3-9812963-1-0.

Science-Fiction Der 300 Seiten umfassende Roman „Die reiche Zukunft hat ein Double: Maliks Kampf gegen die schöne neue Überwachungswelt“ ist im Echterdinger Verlag Spiritbooks erschienen. Die Softcover-Ausgabe kostet 14,49 Euro, ISBN 978-3-946435-72-3. Das Cover stammt von dem Künstler Eichfelder.

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Erstellt:
24. Februar 2023, 06:00 Uhr

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