Stiftskirche: Uraufführung des Stücks „Wie sein eigenes Herz“

Am Sonntagabend hat in der Backnanger Stiftskirche ein besonderes Konzert stattgefunden: die Uraufführung des Stücks „Wie sein eigenes Herz“, das Samuel Walther eigens für den Backnanger Kammerchor komponiert hatte.

Unter der Leitung von Hans-Joachim Renz führte der Backnanger Kammerchor Samuel Walthers Stück „Wie sein eigenes Herz“ erstmals auf. Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Unter der Leitung von Hans-Joachim Renz führte der Backnanger Kammerchor Samuel Walthers Stück „Wie sein eigenes Herz“ erstmals auf. Foto: Tobias Sellmaier

Von Miklós Vajna

Backnang. Die Sitzreihen in der Backnanger Stiftskirche sind fast vollständig gefüllt und auch auf die Empore haben sich einige Zuhörerinnen und Zuhörer gewagt. Vereinzelt sind Coronamasken zu sehen. Aus dem Kirchenhintergrund hört man das Einspielen der Bläser und die Kerzen werden entzündet. Das Sechsuhrgeläut setzt ein und bringt Einstimmung auf das Kommende und Sammlung für das Konzert.

Abweichend von Ankündigung und Plakat wurde die Reihenfolge der beiden auf dem Programm stehenden Werke getauscht. Zu Anfang erklingen also Kyrie, Gloria und Agnus Dei aus der Messe von Igor Strawinsky.

Strawinsky fühlte sich gedrängt, eine eigene, aber echte Messe zu schreiben, nachdem er einige Messen von Mozart durchgespielt hatte und diese zu Rokoko-süßlich fand, wie er seinem Assistenten und Sekretär Robert Craft gegenüber verlauten ließ. Gängige Einspielungen konnten bislang nicht vom erfolgreichen Gelingen seines Vorhabens überzeugen; die sehr engagierte Aufführung in der Reihe „Musik an der Backnanger Stiftskirche“ aber rehabilitiert Strawinsky vollständig.

Die Klänge von Chor und Orchester ergänzen sich gegenseitig

Kirchenmusikdirektor Hans-Joachim Renz lässt mit dem Kammerchor und dem Orchester der Stiftskirche den Notentext auf sehr farbige, überzeugend verständliche, sinnvolle und spannende Weise lebendig werden. Die Klangebenen von Chor und Orchester ergänzen sich zu einer begeisternden Einheit in breiter, schwingender Fülle, die Musik wird sehr berührend und geht zu Herzen.

Hans-Joachim Renz gelingt es eindrucksvoll und unter vollem Einsatz, die Einzigartigkeit der Komposition in Klänge zu fassen: Das Konzept ist expressiv angelegt, das Dirigat ist dementsprechend voller Energie. Strawinskys Messe, fünfsätzig wie immer in der römisch-katholischen Messe, ist in der Tat ein hörenswertes Werk, eigen und echt. Und im Agnus Dei klingt es in einer Steigerungsstelle erstaunlicherweise deutlich nach Mozart.

Im sehr ausgedehnten Informationsgespräch zu der Auftragskomposition „Wie sein eigenes Herz“ unterhalten sich die Kunstlehrerin Sara Dahme und der Komponist und ehemalige Schüler Samuel Walther über die gemeinsame Schulzeit, die Entwicklung und die Ziele des wissbegierigen Schülers sowie seine Herangehensweise beim Komponieren.

Der Komponist Walther konnte aus eigener Erfahrung im Chor profitieren

Walther hatte, da er ja lange Zeit im Chor der Stiftskirche gesungen hat, die sängerischen Anforderungen der Auftragskomposition den beachtlichen Möglichkeiten der Chorsängerinnen und Chorsänger anpassen können.

Walther hat für seine Komposition Texte aus verschiedenen Stellen der Bibel, die sich jedoch mit dem jeweils gleichen Thema beschäftigen, zusammengestellt und zu sieben Sätzen in einer Spiegelsymmetrie angeordnet. Da sein Werk im gleichen Konzert wie die Messe von Strawinsky aufgeführt wird, ist die Besetzung von Chor und Orchester dieselbe, es kommt nur noch das Orgelpositiv dazu.

Die Mitte, die Spiegelachse sozusagen ist der vierte Satz „Seid stille“, in dem der Chor a cappella den Text kaum hörbar über verschiedene Zischlaute flüstert. Die beiden nächsten Sätze nach außen sind ein Tenorsolo. Der Tenor Dennis Marr singt mit schönem Klang, klarem Timbre und der nötigen Expressivität, er hält den musikalischen Bogen immer unter Spannung und sein Text ist durchweg gut verständlich.

Ein hoher elektronischer Ton erklingt durchgehend

Der letzte, siebte Satz beginnt mit einem hohen elektronischen Einzelton, der das ganze Stück hindurch klingt und sich von einem leisen „Liebe von ganzem Herzen!“ zu einem von universalem weißem Rauschen getragenen allumfassenden „Liebet“ hinaufsteigert.

Der Chor hat einen präzisen, gut durchhörbaren Klang mit Wärme, Harmonie und Glanz und eine ausgewogene klangliche Balance, schwingt sich scheinbar ohne Mühen in die höchsten Höhen und zeigt keinerlei Ermüdungserscheinungen auch bei den kniffligsten Dissonanzen. Das Orchester steht dem in nichts nach, intonationssicher und klangschön und genauso voller Enthusiasmus wie alle Mitwirkenden.

Es gibt sehr starken Applaus, Standing Ovations und Blumen für alle. Mit einem gemeinsam gesprochenen Vaterunser und dem Glockengeläut geht das Konzert am Sonntagabend zu Ende.

Das Konzept ist expressiv
angelegt, das Dirigat ist
dementsprechend voller Energie. Es gibt sehr starken Applaus, Standing Ovations und Blumen für alle.

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Erstellt:
18. Oktober 2022, 06:00 Uhr

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