Neu im Kino: „Superman“
Superman ist auch nur ein Mensch
David Corenswet soll als Clark Kent nicht nur die Welt, sondern auch das Genre retten. Dabei bringt James Gunn seine Titelfigur diesmal fehl- und verletzbar auf die Leinwand.

© -/Warner Bros. Pictures/dpa
Superman (David Corenswet) und sein Superhund Krypto
Von Martin Schwickert
Das Superhelden-Genre ist in der Krise. „Endlich“ möchte manch einer seufzen. Seit über zwanzig Jahren beherrschen die übernatürlichen Heroen in ihren eng anliegenden Ganzkörperkondomen das Mainstreamkino. Mit ausgefeilten Franchise-Choreografien aus Sequels, Prequels, Spin-Offs, Remakes und Relaunches generierten die Hollywood-Studios einen Blockbuster nach dem anderen. Man drehte nicht nur einen Film, sondern erschuf selbst ernannte „Cinematic Universes“, deren Entwicklung in Langzeitplanungen und verschiedenen Phasen auf Jahrzehnte hinaus angelegt waren. Die schwindelerregenden Milliarden-Gewinne und monströsen Budgets haben die Finanzkräfte von Investoren und Anlegern an sich gebunden, die ihr Geld lieber in eine sichere Comicverfilmung steckten als in einem riskanten Independent-Film.
Nachdem die Superhelden-Manie auch Streaming-Plattformen mit Content überschwemmten und die Stoffe weiter in Serienformaten ausgeweidet wurden, scheint man an den Kinokassen langsam genug von den Männern und Frauen mit ihren übernatürlichen Kräften zu haben. Fast ein Vierteljahrhundert nach Sam Raimis „Spider-Man“(2002), der den Startschuss für den lang anhaltenden Boom gab, attestiert die Branche dem Publikum nun eine zunehmende Superhelden-Müdigkeit.
Superman war ein allzu klassischer Held
Filme wie „Captain America: Brave New World“ (2025) blieben weit hinter ihren kommerziellen Erwartungen zurück. Und selbst „Thunderboldts*“ (2025), der mit einer Stärkung der Frauencharaktere, emotionaler Tiefe und einem zeitgenössischen Blick in die Welt frische Luft ins Genre ventilierte, konnte an der Kinokasse nicht überzeugen.
Nun soll „Superman“ die Welt und das angeschlagene Genre retten. Ausgerechnet Superman. Dabei hatte Zack Snyder mit seinen Adaptionen „Man of Steel“ (2013) und „Batman v Superman: Dawn of Justice“ (2016) entscheidend zur Übersättigung des Genres beigetragen. Im Gegensatz zu den Figuren aus dem Marvel-Kanon, die weitestgehend in den Sechziger- und Siebzigerjahren als differenzierte Charaktere gestaltet wurden, war Superman, der als DC-Comic 1938 seine Premiere feierte, ein allzu klassischer Held ohne Furcht und Tadel.
Daran änderte auch Snyders Adaption des Stoffes nichts. Die Figur, die Henry Cavill mit ganzen zwei Gesichtsausdrucksvariationen – Stirnrunzeln und kein Stirnrunzeln – ausstattete, war ganz und gar ein Held aus der Retorte, der nur dazu diente, ausufernde, digitale Materialschlachten zu initiieren. Im Vergleich mit Christopher Nolans Batman-Filmen, die mit ikonischen Antagonisten und intelligentem Subtext-Geflecht Filmgeschichte schrieben, traten Snyders Superman-Adaptionen mit stupiden Machoposen und endlosen Schlachtengemälden lautstark auf der Stelle.
Die Verletzbarkeit des Superhelden
Nun hat der Co-Chef der DC-Studios James Gunn die Angelegenheit selbst in die Hand genommen und hofft mit seinem Superman-Relaunch auch ein – wir ahnen es – neues Universum erschaffen zu können. Dafür bringt Gunn, der als Regisseur von „Guardians of the Galaxy“ (2014) ein wenig Humor ins bierernste DC-Imperium brachte, seinen Superman (David Corenswet) erst einmal zu einer veritablen Bruchlandung: Der Film ist keine drei Minuten alt, da klatscht der ramponierte Held aus dem Himmel auf arktische Eismassen. Schrammen im Gesicht, Blutergüsse, gebrochene Rippen, angeschlagene Leber – der Superheld, der gerade zum ersten Mal einen Kampf verloren hat, sieht nicht gut aus.
Im Verlauf des Films wird er noch oft zu Boden gehen und um sein Leben bangen müssen. Die Omnipotenz, die zum Markenkern eines jeden Superheroen zählt, wird hier regelmäßig infrage gestellt. Diese Verletzbarkeit ist Teil eines Humanisierungskonzeptes, das Gunn mit erstaunlicher Konsequenz verfolgt.
Ein Superman zum Anfassen
Der Antagonist, der Superman in seine Schranken verweist, nennt sich Lex Luthor (Nicholas Hoult). Der gewiefte Unternehmer will mit seiner Firma „Planet Watch“ das Beschützermonopol und die Weltmacht an sich reißen. Der visionäre Bösewicht, der nicht nur ein geheimes Hightech-Imperium regiert, sondern auch über Social Media die öffentliche Meinung manipuliert, wirkt in seinem technologischen Machtstreben wie ein gar nicht so entfernter Seelenverwandter Elon Musks. Intergalaktische Einwanderer wie Superman sind ihm ein Graus. Luthor tut alles, um Superman in der Öffentlichkeit zu diskreditieren und auf physische Weise zu zerstören. In einem Militärcamp befindet sich ein Portal, das in ein sogenanntes Taschenuniversum führt, wo politische Gegner in gläsernen Zellen gefangen gehalten werden. Auch mit einem autokratischen Regime, das ein rohstoffreiches Nachbarland überfallen will, macht Luthor gemeinsame Sache. An zeitgeschichtlichen Verweisen fehlt es in diesem „Superman“ sicherlich nicht, aber trotzdem will die Story, die im stetigen Galopp von einer Kampfsequenz zur nächsten führt, keinen allzu tiefen Sinn ergeben. Etwas angeklebt wirkt auch die Lovestory zwischen dem Titelhelden und der Zeitungsjournalistin Lois Lane (Rachel Brosnahan), die auf kleiner Flamme recht unaufgeregt vor sich hin köchelt.
Man sieht deutlich, dass Gunn alles tut, um sich vom generische Image der Vorgängerfilme zu befreien und einen Superman zum Anfassen auf die Leinwand zu bringen. Hauptdarsteller David Corenswet füllt die Rolle des hochgewachsenen Sympathieträgers durchaus mit Leben, kann der Figur dennoch keine ernst zu nehmende Komplexität verleihen.
Am Schluss beschwört sein Superman nach bestandener Weltenrettung geradezu die eigene Fehlbarkeit und dass es nicht auf die Kräfte, sondern auf die Menschlichkeit eines Helden ankomme – ob diese Fähigkeiten auch zur Rettung des übersättigten Genres ausreichen, darf allerdings entschieden bezweifelt werden.
Superman. USA 2025. Regie: James Gunn. Mit David Corenswet, Nicholas Hoult, Rachel Brosnahan. 129 Minuten. Ab 12 Jahren