„Theater hat für mich etwas Zeitloses“

Das Interview: Werner Pabst, Regisseur der Gruschtelkammer-Theatergruppe, spricht über seine Arbeit mit den Darstellern und seine Theaterleidenschaft

Heute ist Welttag des Theaters – und alle Theater haben geschlossen. Anlässlich dieses Tages möchten wir zusammen mit Ihnen einen Blick hinter die Kulissen einer Bühne werfen. Werner Pabst, der Regisseur der Gruschtelkammer-Theatergruppe, gibt Auskunft über die Arbeit mit den passionierten Darstellern, die im April Premiere hätten feiern können – hätte ihnen nicht das neue Virus einen Strich durch die Rechnung gemacht. Auch geht er auf seine Theatererfahrungen ein.

Sie verschieben die Aufführungen ihres Lustspiels „Schnuller-Alarm“ ins nächste Jahr: Werner Pabst, Regisseur und Stückebearbeiter (vorne Mitte), und die Darsteller der Gruschtelkammer-Theatergruppe. Foto: privat

Sie verschieben die Aufführungen ihres Lustspiels „Schnuller-Alarm“ ins nächste Jahr: Werner Pabst, Regisseur und Stückebearbeiter (vorne Mitte), und die Darsteller der Gruschtelkammer-Theatergruppe. Foto: privat

Von Ingrid Knack

Wie viele andere hat Sie die Absage aller kulturellen Veranstaltungen hart getroffen. Sie standen mit der Gruschtelkammer-Theatergruppe kurz vor der Premiere. Wie lange haben Sie sich auf die Aufführung vorbereitet?

Die Proben für unser neues Theaterstück „Schnuller-Alarm“ begannen schon Anfang November 2019, und unsere Premiere wäre am 17. April dieses Jahres gewesen. Bei einem Probenabend pro Woche haben wir schon eine Menge Zeit und Kraft für dieses Stück aufgebracht, und auch das Bühnenbild war nahezu fertig. Sie können sich daher sicher vorstellen, dass wir aufgrund der Absagen ganz schön die Köpfe hängen ließen.

Mit dem Erlös der ursprünglich geplanten sechs Vorstellungen wird ja die Kleinkunstbühne Gruschtelkammer mitfinanziert. Hat dieser Ausfall womöglich Auswirkungen auf die nächstmögliche Saison der Bühne?

Für unsere Kleinkunstbühne bedeutet der Einnahmeausfall aus den sechs geplanten Theatervorstellungen natürlich eine empfindliche Einbuße. Wir sind aber dennoch zuversichtlich, dass wir unsere Kabarettsaison 2020/2021 finanzieren können. Ob und wann die neue Spielzeit über die Bühne gehen kann, steht dank Corona aber nicht in unserer Macht.

Wie lange sind Sie als Theatertruppe schon zusammen?

Unsere Gruschtelkammer-Theatergruppe besteht seit 1996. Das erste Theaterstück, „Damenringkampf in Auenwald“, kam am 9. Mai 1998 auf die Bühne. Seitdem haben wir jedes Jahr ein Theaterstück auf die Bühne gebracht, bis auf dieses Jahr.

Wie sind Sie selbst dazu gekommen, Stücke zu bearbeiten und Regie zu führen?

Ich war zwar seit der Gründung der Gruschtelkammer immer als Organisationsleiter in der Verantwortung, habe aber die Theaterarbeit in den ersten Jahren nur von dieser Warte aus begleitet. Im Dezember 2001 kamen Mitglieder der Theatergruppe auf mich zu und baten mich, die Regiearbeit für das neue Stück zu übernehmen. Nach etwas Bedenkzeit – viel überflüssige Zeit hatte ich wahrlich nicht – entschloss ich mich, doch einzusteigen, denn Theaterarbeit war für mich nichts Neues. Wichtig war für mich immer, die vorliegenden in Hochdeutsch geschriebenen Theaterstücke ins Schwäbische zu übertragen, ihnen Lokalkolorit einzuverleiben, unseren kraftvollen schwäbischen Dialekt mit all seinen Redewendungen, Ausdrücken und Eigenheiten lebendig werden zu lassen und auf die Charaktere zuzuschneiden. Freude bereitete es mir auch, Rollen auszuformen und auf den Spielfluss Einfluss zu nehmen und ihn zu gestalten. Denn von Probe zu Probe verändert sich so ein Theaterstück in Nuancen, sprachlich wie szenisch.

Was bedeutet Ihnen ganz persönlich die Theaterarbeit und was bedeutet Ihnen das Theater ganz allgemein?

Theater hat mich schon immer fasziniert, ja gefesselt, und hat mir auch für mein eigenes literarisches Arbeiten viele Impulse gegeben. Theater hat für mich in seiner Aussage etwas Zeitloses, etwas Archaisches. Ob die alten Griechen, Shakespeare, Goethe, Schiller oder die Moderne – die Aussagen der Stücke stehen wie in Stein gemeißelt, egal wie sie dem Zeitgeist entsprechend inszeniert werden. Die Theaterarbeit ist etwas Schönes, etwas Wundervolles, manchmal auch Aufreibendes. Mit Sprache zu gestalten und sie auf der Bühne lebendig werden zu lassen, war für mich schon immer eine Herausforderung.

Standen Sie selbst schon als Amateurdarsteller auf einer Bühne oder arbeiteten zum Beispiel mit Ihren Schülern in diesem Bereich?

Theater und Theaterspielen begleiteten mein ganzes Leben. Ob im Kindergarten, in der Schule, in Jugend- und Theatergruppen, immer wieder stand ich in meiner Kinder- und Jugendzeit als Akteur auf der Bühne und sammelte wichtige Erfahrungen, die ich später als Lehrer wieder einbringen konnte. Und glauben Sie mir, als Lehrer sollten Sie auch im Schulalltag einfach ein bisschen Theaterspielen können. 1973 wurde ich ins Weissacher Tal an die Grund- und Hauptschule Unterweissach versetzt. Von da an wurde das Weissacher Tal zu meiner Heimat und ich brachte mich auch in den verschiedensten Vereinen ein, sei es als Büttenredner bei den Prunksitzungen des UCC oder als Moderator und mit Auftritten bei den Jahresfeiern des Bürgervereins Ebersberg. In den 80er-, 90er-Jahren trat ich in vielen großen Veranstaltungen in der Kabarettgruppe „Die Briedemer Greane“ auf. Wir hatten es uns zur Aufgabe gemacht, Lokalpolitik und lokale Größen des Weissacher Tals auf die Schippe zu nehmen. Als ich 1981 die Grundschule Unterbrüden/Oberbrüden als Rektor übernahm, traf ich dort auf eine ausgeprägte Theaterkultur. Ab 1986 übernahm ich die Verantwortung und Leitung der Theater-AG und wir brachten jedes Jahr ein bis zwei größere Theaterstücke auf die Bühne.

Sie sind ja ein stückweit auch Theaterpädagoge. Auch die Gruschtelkammer-Theatergruppe gibt die Rahmenbedingungen für den einzelnen Mitspieler, sich selbst auszuprobieren und kennenzulernen, vielleicht auch die eigenen Grenzen auszuloten und seinen Horizont zu erweitern. Dabei agieren die Beteiligten zunächst in einem geschützten Raum, vor Publikum aber ist dieser Schutz weg, man liefert sich in gewissem Sinne den Zuschauern auch aus. Machen Sie sich bei Ihrer Theaterarbeit Gedanken über solche Dinge?

Natürlich. Schon bei der Auswahl und Ausgestaltung eines Theaterstückes ist das Hauptaugenmerk auf meine einzelnen Darsteller gerichtet. Passen die Charaktere nach Persönlichkeit und Alter zusammen? Können ihnen einzelne Szenen zugemutet werden? Passt die Sprache zur Rolle? Die Rollenverteilung ist in hohem Maße der Schlüssel zum Erfolg. Ich muss dem jeweiligen Akteur vermitteln, dass ich ihm die Rolle zutraue, das schafft Vertrauen. Ich denke, dass es mir in der Regel gelingt, meine Theaterspielerinnen und -spieler dazu zu bringen, dass sie alles an Möglichkeiten aus sich herausholen, ohne sie zu überfordern. Es muss möglich sein, dass ein Akteur sagt: Das möchte ich so nicht sagen oder spielen. Und in der Regel lässt sich eine Änderung kreieren.

Sicher eine spannende Erfahrung.

Glauben Sie mir, es ist ein tolles Gefühl zu sehen, wie sich die Spielerinnen und Spieler, vor allem auch Anfänger, von Probe zu Probe sprachlich, darstellerisch und in ihrer Mimik entwickeln und verändern, wie sie in eine andere Person schlüpfen und so auch die große Angst vor dem Zuschauer überwinden. Was mich aber immer wieder begeistert, ist zu sehen, wie sich Menschen durch das Theaterspielen verändern. Sie entwickeln sich persönlich weiter, gewinnen an Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, und das hat Auswirkungen auf ihr gesamtes Leben, sei es privat oder beruflich.

Es gibt ja jetzt viele Initiativen, die es ermöglichen, Kultur auch übers Fernsehen oder am Computer genießen zu können. Interessiert Sie das zu diesem Zeitpunkt oder sitzt der Schock so tief, dass Sie erst einmal Abstand brauchen?

Auf jeden Fall interessiert mich das. Auch ich bin immer noch ein Lernender. Kultur in den Medien war für mich schon immer eine Möglichkeit, Impulse aufzunehmen, manches wieder zu verwerfen, aber auch Dinge zu übernehmen. Der Schock war ja nur ein kurzer Moment, und wir wissen, dass es hoffentlich bald weitergeht. Wie sagen die Fußballer so schön: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.

In den Gruschtelkammer-Stücken setzen Sie auf Unterhaltung und auf das Theater als Gegenwelt zur Ernsthaftigkeit des Alltags. Theater hat zudem den Anspruch, sich über die Identität einer Gesellschaft Gedanken zu machen, aufzurütteln. Glauben Sie, dass es bald Coronakrisen-Stücke geben wird?

Mit Sicherheit. So wie es Theaterstücke über die Pest und über Kriege gibt – und da gibt es durchaus auch komische Stücke –, wird auch diese Pandemie Stoff für alle Genres bieten.

Können die Gruschtelkammer-Theatergruppen-Fans hoffen, dass sie das gecancelte Stück doch irgendwann einmal sehen dürfen?

Bestimmt. Wir haben beschlossen, dass wir dieses Stück, sofern keine Darsteller wegbrechen, 2021 zur gleichen Zeit auf die Bühne bringen werden.

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Erstellt:
27. März 2020, 06:00 Uhr

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