„Theken-Cowboys“ in der ARD
Trinkhallen-Profis unter sich
„Theken-Cowboys“ ist eine famos gespielte, mit perfektem Timing inszenierte und temporeich erzählte Komödie über drei Freunde, die einem Mafia-Clan in die Quere kommen.
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Von links: Guido (Alexander Wipprecht), Hajo (Aurel Manthei) und Thorsten (Johannes Allmayer) an ihrem Stammplatz. Foto: HR/Bluelaserboys/Triple Pictures
Von Tilmann P. Gangloff
„Trinkhalle“ klingt ungleich würdevoller als „Wasserhäuschen“, zumal dieser Begriff eher gegenteilige Assoziationen weckt. Tatsächlich spielt ein Klo in dieser Geschichte eine nicht unerhebliche Rolle, doch zunächst lohnt sich, ein Blick in die Historie der Trinkhallen: Sie wurden Mitte des 19. Jahrhunderts eingerichtet, um Fabrikarbeitern mit abgefülltem Mineralwasser eine Alternative zum mitgebrachten Bier zu bieten. Leitungswasser war damals ungenießbar, und übermäßiger Alkoholkonsum während der Arbeit ist der Produktivität erfahrungsgemäß nicht zuträglich.
Von Glück, Schnaps und einer Leiche
Im Rheinland heißen die Verkaufsstände, zu denen sich die einstigen Wasserstellen schließlich entwickelten, schlicht „Büdchen“, aber Hajos (Aurel Manthei) Kiosk trägt nach wie vor mit Stolz die Bezeichnung „Trinkhalle“. Hier finden jeden Feierabend seine Freunde Thorsten (Johannes Allmayer ) und Guido (Alexander Wipprecht ) ein, um die Vorräte an Schnaps und Bier zu dezimieren, während sie von den Ereignissen des Tages berichten und übers große Glück sinnieren. Schräg gegenüber verspricht die Plakatwerbung für ein Reiseunternehmen: „Deine Träume zum Greifen nah!“
Die Gespräche sind ein Fest für alle, die gerne dem Leben lauschen, zumal Aurel Manthei, Johannes Allmayer und Alexander Wipprecht ihre Dialoge mit angemessener Ernsthaftigkeit vortragen; zu Beginn erinnert dieser Film, den Wipprecht mit seinem Kompagnon Orlando Klaus geschrieben, inszeniert und produziert hat, an die famose RBB-Serie „Warten auf’n Bus“ (2020) mit Ronald Zehrfeld und Felix Kramer. Das Alter der Antihelden, die hingebungsvolle Vernichtung von Alkohol, die Gesprächsthemen: Die Parallelen sind offenkundig. Das ändert sich, als mehr Bewegung ins beschauliche Dasein des Trios kommt, als ihm lieb ist.
Parallelen zu „Warten auf’n Bus“
Ausgerechnet auf Hajos Klo haucht ein Gast sein Leben aus. Eine übereifrige LKA-Beamtin (Sabrina Amalfi) ist überzeugt davon, dass der Tote zur Mafia gehört, wird aber von der zuständigen Ermittlerin (Bärbel Schwarz) zurückgepfiffen. Damit wäre die Sache erledigt, hätte Hajo nicht den mit Handschellen am Handgelenk des Toten befestigten Koffer unterschlagen. Der Mann hatte einen Lutscher mit einem 200-Euro-Schein bezahlt. Womöglich ist das Behältnis voller Schwarzgeld, das niemand vermisst. Doch widersteht der Koffer hartnäckig allen Öffnungsversuchen; und dann taucht ein Typ auf, der ihn unbedingt haben will und dafür über Leichen gehen würde.
Wie Klaus und Wipprecht die Geschichte nun fortführen, spottet jeder Beschreibung. Obwohl sich der Film abgesehen von einer kurzen Einführung ausschließlich im und vorm Kiosk abspielt, entwickelt „Theken-Cowboys“ nicht zuletzt dank der oftmals in mehreren kleinen Ausschnitten präsentierten Bildgestaltung und vieler ungewöhnlicher Kameraperspektiven (Michael Kotschi) eine faszinierende Dynamik. Dass die Handlung trotzdem nicht überfrachtet und die Umsetzung nicht überdreht wirken, ist erstaunlich. Die Dialoge des Trios sind ein Quell steter Heiterkeit, besonders witzig sind die nur ein etwas übertriebenen Anekdoten, die die Freunde von ihren Arbeitsstellen zum Besten geben; meist geht es dabei um harmlose Vorfälle, die von sensiblen Zeitgenossinnen zu Skandalen aufgebauscht werden. Ähnlich wie in „Warten auf’n Bus“ ist irgendwann Schluss mit lustig, selbst wenn ein Killer nur halb so bedrohlich wirkt, wenn er mit heliumbedingter Piepsstimme spricht. Kurz drauf kommt der Mann gleich zweimal ums Leben. Fortan streiten sich Thorsten und Guido ständig, wer ihn auf dem Gewissen hat, denn tot bereitet er dem Trio weit mehr Ungemach als zu Lebzeiten. Zum Glück arbeitet Guido bei der Müllabfuhr. Die verblüffende Schlusspointe setzt das Duo allerdings mit Hilfe der Plakatreklame.
Theken-Cowboys: 5. Nov., 20.15 Uhr, ARD
