Vier Pädagoginnen spielen Beethoven

Auf Einladung der Jugendmusik- und -kunstschule Backnang gibt das Ludwigsburger Streichquartett ein Lehrerkonzert im Walter-Baumgärtner-Saal des Backnanger Bürgerhauses. Die Lehrerinnen präsentieren dabei ihre künstlerischen Aktivitäten.

Das Streichensemble, bestehend aus Karin Holzinger, Gotelind Himmler, Birgit Southscott und Mareike Wedler (von links), hat sich 2012 gegründet und wurde 2019 neu formiert. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Das Streichensemble, bestehend aus Karin Holzinger, Gotelind Himmler, Birgit Southscott und Mareike Wedler (von links), hat sich 2012 gegründet und wurde 2019 neu formiert. Foto: J. Fiedler

Von Miklós Vajna

BACKNANG. Zu einem Lehrerkonzert am frühen Abend mit dem Ludwigsburger Streichquartett hatte die Jugendmusik- und -kunstschule Backnang in den Walter-Baumgärtner-Saal des Backnanger Bürgerhauses eingeladen. Das Streichensemble, bestehend aus Karin Holzinger (1.Violine, sie ist Violinlehrerin an der Jugendmusik- und -kunstschule Backnang), Gotelind Himmler (2.Violine, sie unterrichtet an der Jugendmusikschule Ludwigsburg), Birgit Southscott (Viola) und Mareike Wedler (Violoncello), hat sich 2012 gegründet und wurde 2019 neu formiert. Die vier Musikerinnen haben ihre Ausbildung an renommierten Hochschulen absolviert und bei Meisterkursen im In- und Ausland vertieft und waren bei verschiedenen hochkarätigen Orchestern als Orchestermusikerinnen tätig.

Der Musikschulleiter der Jugendmusik- und -kunstschule Backnang, Michael Unger, begrüßte die Zuhörer und erläuterte das Anliegen dieses besonderen Lehrerkonzertes: Es sollen die künstlerischen Aktivitäten einer Lehrkraft vorgestellt werden, die diese neben der alltäglichen pädagogischen Tätigkeit ausübt. Mit Geschichten über Ludwig van Beethoven führte Wedler zum musikalischen Programmpunkt, dem Streichquartett in C-Dur Opus 59 Nr. 3.

Gerade die drei Streichquartette Opus 59, von Beethoven bewusst nicht mehr mit kammermusikalischem Ansatz, sondern für den Konzertsaal geschrieben, trafen wegen ihrer sinfonischen Länge und Konzeption auf Unverständnis der Zeitgenossen. Auch die instrumentaltechnischen Anforderungen setzten Grenzen, besonders für die Hausmusik, in der damals solche Werke aufgeführt wurden. Es dauerte seine Zeit, bis die Hörgewohnheiten sich veränderten und diese und folgende Werke verstanden und geschätzt wurden.

Natürlich ist die zeitliche Dauer auch noch heute mit gut einer halben Stunde immer noch recht lang. Aber die Vielfalt der musikalischen und formalen Ereignisse hält die Aufmerksamkeit lebendig: einleitend sich entwickelnde, klagend grübelnde Klänge, quasi rezitativische Gegensätze, bewegte Soli, melancholische, von Seufzern durchsetzte Melodien über einem Pizzicatobass, schwelgend schwärmerische Bewegungen im Gegensatz zu einem markiert sich behauptenden Thema, vorwärts drängendes Fugato durch alle Instrumente. Im Eifer des Gefechts gab es leichte Intonationsschwankungen und durchrutschende Läufe.

Das Streichensemble spielte abgesehen davon temperamentvoll und virtuos, energisch, aber auch weich. Das Publikum applaudierte begeistert.

Als Zugabe ein Satz aus dem ersten Streichquartett von Erwin Schulhoff.

Für die Zugabe ließen sich die Musikerinnen nicht lange bitten: Sie spielten den 3. Satz aus dem ersten Streichquartett von Erwin Schulhoff. Dieser Satz kommt in Anlage und Klangsprache den Rumänischen Volkstänzen von Béla Bartók in der Fassung für Violine und Klavier sehr nahe. Das derbe und temperamentvolle Stück kam dem Ludwigsburger Streichquartett sehr entgegen und wurde wegen der überzeugenden Darbietung mit Bravorufen bedacht.

Mit herzlichen und im der Hygieneverordnung gemäß bestuhlten Saal sehr voll klingenden Applaus hatte das Publikum zu Beginn der Vorstellung die Musikerinnen empfangen. Die Cellistin Mareike Wedler führte durch das Programm und beklagte gleich am Anfang die Einschränkungen für Musiker durch die Coronapandemie. Die sonst zu dieser Jahreszeit üblichen Engagements seien fast ersatzlos weggefallen, weitere Planungen in die Zukunft seien aussichtslos: „Das Metrum des Lebens ist verloren gegangen.“ Dieser „Wirrwarr“ sei auch, wie sie überleitend feststellte, in Beethovens alltäglichem Leben zu finden gewesen. Er musste zum Beispiel in 35 Jahren 69-mal die Wohnung wechseln, da – als ein Kündigungsgrund unter vielen – die unter ihm wohnenden Mieter von Feuchtigkeit belästigt wurden, die durch die Decke drang, weil sich Beethoven beim Komponieren häufig zum Abkühlen eine volle Wasserschüssel über den Kopf goss.

Auch sein zu jeder Tages- und Nachtzeit stattfindendes Musizieren fand man unerträglich. Obwohl in seinen Wohnräumen ständig Unordnung, ja Chaos herrschte, sei davon in seiner großartigen Musik nichts zu spüren. „Wie eine Wanderung durch eine unbekannte Landschaft“ sei das spannende Herangehen des Streichquartetts an ein neues Stück, und manchmal stelle sich dabei die Frage: „Was macht jetzt Beethoven?“ Wie geht es in der Musik weiter? Mit diesen Anekdoten und Fragen hatte Wedler nach Ungers Begrüßung zum musikalischen Programmpunkt geführt.

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Erstellt:
26. Oktober 2020, 06:00 Uhr

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