Was tun, wenn das Ende naht?

Wie „Armageddon“ und „Deep Impact“, nur anders: Christiane Paul spielt die Hauptrolle im Seriendrama „8 Tage“

Interview -

Frage: Frau Paul, in „8 Tage“ spielen Sie Susanne Steiner, die mit ihrer Familie auf der Flucht ist, weil ein Meteroiteneinschlag droht, in acht Tagen Europa in eine Todeszone zu verwandeln. Susanne Steiner ist wie Sie selbst Ärztin.

Antwort: Ja, das ist aber Zufall.

Frage: Hilft es, Medizinerin zu sein, wenn man so eine Rolle übernimmt?

Antwort: Auf jeden Fall. Jeder Beruf, den eine Figur hat und den man spielen muss, ist mit ­bestimmten Fähigkeiten verbunden, die man sich irgendwie aneignen muss. Bei anderen Berufen fange ich dann ganz von vorne an. Hier hatte ich also Glück, ich bin allerdings schon 15 Jahre raus aus der Medizin. Deshalb gab es eine Betreuung am Set – in einer Szene setze ich jemandem eine Injektion, ein anderes Mal geht es um eine Notoperation. Außerdem habe ich noch mal drei Tage in meiner ehemaligen Abteilung in der Charité hospitiert, um wieder ein Gefühl für den Alltag zu bekommen, mich daran zu erinnern, wie man sich in einem OP bewegt.

Frage: Von „Armageddon“ über „Deep Impact“ bis „Melancholia“ – Filme über Meteoriteneinschläge sind beliebt. Warum?

Antwort: Mit „Armageddon“ oder „Deep Impact“ hat unsere Serie, glaube ich, nicht so viel zu tun. Anders ist das bei „Melancholia“, den ­habe ich mir zur Vorbereitung angesehen: ein wahnsinnig toller Film. Lars von Trier überrascht mich jedes Mal, und die Schlussszene hat mich echt mitgenommen. Ich glaube, der Meteorit ist eigentlich eine Metapher, ein Gedanken­experiment, eine Versuchsanordnung, bei der man herausfinden will, wie sich Menschen verhalten: Wie reagieren sie unter extremen Bedingungen? Welche Charaktereigenschaften zeigen sie? 2001 hat ­Oliver Hirschbiegel „Das Experiment“ gemacht. Mit dem verbindet uns eher etwas, es geht letztlich um ein mit viel Action und Emotion aufgeladenes Experiment. Und dann gibt es noch den dramaturgischen Kniff, dass wir in den Episoden die acht Tage bis zum Einschlag herunter­zählen. So einfach sie ist – ich finde diese Idee super.

Frage: Und was würden Sie machen, wenn Sie wüssten, dass in acht Tagen die Welt untergeht?

Antwort: Ich werde das jetzt oft gefragt, weil das natürlich die Frage ist, die die Serie stellt. Als Schauspieler stellt man sich diese Frage aber eigentlich gar nicht. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, wie unsere Figuren agieren. Wie weit gehe ich? Was passiert emotional? Wie finde ich in einer bestimmten Situation eine Verbindung zu der Figur, die ich spiele? Das sind die Fragen, mit denen wir uns auseinandersetzen, aber nicht mit der Frage: Was würde ich selbst tun? Weil für die Figur steht das ja bereits fest: Susanne Steiner rennt erst einmal weg, versucht mit ihren Kindern und ihrem Mann zu fliehen.

Frage: Sie urteilen auch nicht über Ihre Figur?

Antwort: Nein! Wir wissen ja auch gar nicht wirklich, was wir machen würden. Ich habe selbst keine Kriegs- oder Anarchiesituation erlebt, aber doch schon durchaus existenzielle Situationen, in denen ich von dem, was mit mir passiert ist, überrascht wurde. Manchmal will man auch gar nicht wissen, was man machen würde. Vielleicht würde ich einfach wegrennen und alles im Stich lassen.

Frage: Susanne Steiner rennt aber nicht einfach nur weg, sie kämpft auch verbissen um das Leben ihrer Familie. Ich denke an eine sehr drastische Szene mit einer Schrotflinte.

Antwort: Stefan Ruzowitzky, der bei dieser Episode Regie geführt hat, hat sich wahnsinnig geärgert, dass er nicht schon die Probe dieser Szene aufgenommen hat. Alle waren so auf Adrenalin – aber die Kamera lief noch nicht! Wir haben es nachher, glaube ich, zwar auch noch ganz gut hingekriegt, aber manchmal hat der erste Versuch etwas mehr, das dann irgendwie wild, losgelassen, ungeführt und damit sehr authentisch ist.

Frage: Alle Figuren in der Serie stehen ständig unter Strom. War der Dreh anstrengend?

Antwort: Ja, für uns alle, denke ich – obwohl man das bei meinem Vater, gespielt von Henry Hübchen, vielleicht nicht so wahrnimmt. Er wartet tiefenentspannt, sarkastisch, zynisch, stagnierend auf das Ende. Es war so anstrengend , weil du ständig dieses Adrenalin aktivieren musst. Es gab ja nicht wirklich eine entspannte, ruhige Situation. Selbst eine wie die, in der ich mit Lena Klenke, die meine Tochter spielt, im Garten sitze und sie mir von ihren Albträumen erzählt. Das sieht auf den ersten Blick so idyllisch aus, aber das ist in Wirklichkeit der Horror.

Frage: „8 Tage“ ist aber nicht nur ein Endzeit­drama, sondern auch ein politischer Film.

Antwort: Ja, auf eine Art. Politiker kommen in der Serie nicht besonders gut weg. Und dann gibt es ja noch die Umkehr der Flüchtlingsbewegung in Richtung Osten. Das finde ich einen großartigen Gedanken: Was passiert eigentlich, wenn wir jetzt plötzlich woanders hin müssen, in ein Land, in das wir eigentlich gar nicht wollen. Das fand ich schon vor anderthalb Jahren spannend, als wir mit der Serie begonnen haben. Und jetzt ist Europa noch viel destabilisierter. Der Meteorit, der plötzlich einschlägt im alten Europa, ist für mich eine gute Metapher für unsere Situation.

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Erstellt:
2. März 2019, 03:04 Uhr

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