„Was man von hier aus sehen kann“
Wenn der Traum vom Okapi den Tod ankündigt
TV-Vorschau: „Was man von hier aus sehen kann“ ist ein warmherziger Film, der als Komödie startet und als Romanze endet.

© ARD Degeto Film/Claussen + Putz
Luise (Luna Wedler, li.) weiß, wie jeder im Dorf, dass der Optiker (Karl Markovics, Mitte) in ihre Großmutter Selma (Corinna Harfouch, re.) verliebt ist.
Von Tilmann P. Gangloff
Irgendwann endet jede Kindheit; nicht selten sorgt ein Schicksalsschlag dafür, dass es mit der Unbefangenheit von einem Tag auf den anderen vorbei ist. Davon kann in dieser schmerzlich-schönen Verfilmung des Romans von Mariana Leky zunächst jedoch keine Rede sein, selbst wenn der Tod von Anfang an präsent ist: Wenn Oma Selma von einem Okapi träumt, gibt es tags drauf zuverlässig einen Todesfall. Weil völlig offen ist, wen es treffen wird, bricht leichte Panik aus, als es wieder mal soweit ist. Diesmal jedoch scheint es das Schicksal gut zu meinen mit dem Westerwald-Dorf: Mitternacht ist vorüber, und alle leben noch; aber manchmal hat der Tod bloß Verspätung.
Großteil der Handlung spielt in Luises Kindheit
Erzählerin der Geschichte ist Luise (Luna Wedler). Sie ist Anfang zwanzig und hat eine lästige Eigenschaft: Sagt sie das Gegenteil von dem, was sie denkt, ereignen sich in ihrer Umgebung merkwürdige Dinge; meist fällt irgendwas runter. Sie lebt bei ihrer Großmutter (Corinna Harfouch), einer früh verwitweten klugen Frau mit großem Herzen.
Ein Okapi ist Selma schon lange nicht mehr erschienen; genau genommen seit dreizehn Jahren. In Luises Kindheit trägt sich zunächst der größere Teil der Handlung zu: Gemeinsam mit ihrem besten Freund Martin erlebt die kleine Luise allerlei Begebenheiten mit den zum Teil recht wunderlichen Mitmenschen, die die erwachsene Luise zu Beginn vorstellt; darunter die angebliche traurige, in Wahrheit aber bloß notorisch schlecht gelaunte Marlies (Rosalie Thomass) oder Martins von archaischem Zorn erfüllter trunksüchtiger Vater (Peter Schneider).
Ein Film über Liebe und Tod
Liebenswerteste Figur des Films, abgesehen von den Kindern natürlich, ist der namenlose Optiker (Karl Markovics). Er ist Selma schon lange in stiller Zuneigung ergeben, traut sich jedoch nicht, ihr seine Gefühle zu gestehen. Allabendlich versucht er, ihr einen entsprechenden Brief zu schreiben, doch nicht mal das klappt. Die Jahre könnten unbeschwert ins Land gehen, aber das Stück ist nicht nur eine Geschichte von Liebe, sondern auch vom Tod.
Aaron Lehmann (Buch und Regie) hat eine spezielle Art, Geschichten zu erzählen. Seit seinem witzigen Kinodebüt „Kohlhaas“ (2012, über das Scheitern eines Filmprojekts) hat er ausschließlich besondere Filme gedreht: Zum Beispiel „Die letzte Sau“ (2016) – eine Tragikomödie mit Golo Euler als Kleinbauer, der ungewollt eine Revolution auslöst oder „Jagdsaison“ (2022) – ein Gute-Laune-Film, der den Vergleich mit Hollywood-Vorbildern nicht zu scheuen brauchte. Mit „Was man von hier aus sehen kann“ bestätigt Lehmanns Sonderstellung, und das nicht nur wegen seiner vorzüglichen Arbeit mit dem Ensemble; Luna Wedler ist spätestens seit „Je suis Karl“ (2021) nicht mehr aus deutschen Produktionen wegzudenken. Die beiden Kinder (Ava Petsch, Cosmo Taut) sind ebenfalls ausgezeichnet geführt. Zeitlos schön ist der Film nicht zuletzt auch im Wortsinne. Neben der optischen Vielfalt zeichnet sich der Film durch die Warmherzigkeit aus, mit der Lehmann diese Geschichte erzählt, die als Komödie beginnt, zur Tragödie wird und als Romanze endet.
Was man von hier aus sehen kann: Montag, 20.15 Uhr, ARD