Kammerorchester in Stuttgart

Wo künstlerische auf künstliche Intelligenz trifft

Das Stuttgarter Kammerorchester liebt es, neue Wege zu gehen. Auch mit Hilfe von künstlicher Intelligenz. In einem Fall ist damit sogar eine Weltpremiere verbunden. Ein Ausblick auf das Programm.

So ähnlich wird es aussehen, wenn die Musiker des Kammerorchesters Stuttgarts bei dem Stück „Holo Harmonies“ in Prag auf die Bühne gebeamt werden

© Jürgen Palmer

So ähnlich wird es aussehen, wenn die Musiker des Kammerorchesters Stuttgarts bei dem Stück „Holo Harmonies“ in Prag auf die Bühne gebeamt werden

Von Jan Sellner

Zukunftsmusik! Davon hat das Stuttgarter Kammerorchester (SKO) unter seinem Intendanten Markus Korselt in diesem Jahr einiges zu bieten – in konsequenter Erweiterung seines vom Barock ausgehenden traditionellen Repertoires. In der Selbstbeschreibung des 1945 von Karl Münchinger gegründeten und von Thomas Zehetmair (Chefdirigent) und Jörg Widmann (künstlerischer Partner) geleiteten Klangkörpers klingt das so: „Das Kammerorchester sieht sich als kulturelle Instanz in einer Doppelrolle. Es gilt Tradition bewahren und gleichzeitig klangliche und programmatische Maßstäbe für die Zukunft setzen.“

Davon zeugen die „Sternstunden“, eine Konzertreihe in Ergänzung zu den klassischen Abo-Konzerten, mit der das SKO Genregrenzen überschritten will. Und das nicht etwa zaghaft, sondern couragiert und „lustvoll“. Dafür steht etwa das Konzert „Moonlight on Mars“ am 26. Oktober, bei dem das Kammerorchester und der finnische Jazz-Gitarrist Marzi Nyman unter der Leitung von Hugo Ticciati zusammenwirken. Es geht um nicht weniger, als um ein „intergalaktisches Gipfeltreffen“ mit David Bowie, Ludwig van Beethoven und dem estnischen Komponisten Arvo Pärt. „Multiple Klangwelten“ prägen die „Sternstunde“ des SKO mit dem Komponisten Johannes Fischer am 21. November unter dem Titel „Tanzbar“. Purcells Barock-Oper „The Fairy Queen“ fließt dabei ebenso mit ein wie Telemanns „Tafelmusik“. Ein Klangtisch mit Küchenutensilien darf bei der „Music for electrified table and strings“ nicht fehlen.

100 Metronome werden leihweise gesucht

Eine weitere „Sternstunde“ am 15. Dezember ist betitelt mit „Austrian Groove“ und mit dem Salzburger Jazz-Violinisten Benjamin Schmid prominent besetzt. Bereits am 26. April heißt es „Frech, frisch, Ungarisch“. Zum 100. Jahrestag des Komponisten György Sándor Ligetis nimmt das SKO den Australier Anthony Romaniuk in seine Mitte, der mit den Genres Indie Rock und Electronic Music bestens vertraut ist. Den Takt geben an diesem Abend übrigens 100 Metronome an. Wer ein solches leihweise entbehren kann, rennt beim Kammerorchester in der Hasenbergsteige 3 ab sofort offene Türen ein – und darf sich über eine kostenlose Begleitkarte freuen.

Leider bereits Musikgeschichte ist der wunderbare Mix aus Iron Maiden und Kammerorchester im Hospitalhof vom 2. Februar, der mit einer leibhaftigen Heavy Metal-Band ausklang beziehungsweise auswummerte. In diesem Kontext überrascht es nicht zu hören, dass Intendant Korselt die Fühler zum Heavy-Metall-Eldorado Wacken ausgestreckt hat – Zukunftsmusik auch das. Bei aller Experimentierfreude ist dem Intendanten wichtig zu betonen, dass es dem SKO mit der Musik Ernst ist und bleibt. Die musikalischen Gradwanderungen, die ein breiteres Publikum ansprechen sollen, seien sorgsam abgewogen – in scharfer Abgrenzung zum Klamauk.

Star-Pianist Aimar spielt in der Liederhalle

So richtig zukunftsweisend ist die „Weltpremiere“ des SKO, die für den 1. Dezember geplant ist. An diesem Tag werden 600 Kilometer voneinander entfernt das Kammerorchester unter Leitung von Thomas Zehetmair in Stuttgart und das tschechische Nationalballett in Prag auftreten. Dabei werden das Orchester und die Tanzkompagnie in Echtzeit auf die jeweils andere Bühne gebeamt. Die Hologramm-Technik macht’s möglich. „Holo Harmonies“ nennt sich das von Mauro Bigonzette choreografiert Spektakel, bei dem künstlerische auf künstliche Intelligenz trifft.

Die „Oasen der Erholung, der Freude und der Reflexion“, die Intendant Korselt dem Publikum verspricht, können auch schon an diesem Samstag in Stuttgart betreten werden. Der französische Star-Pianist Pierre-Laurent Aimar spielt um 19.30 Uhr in der Liederhalle. Was heißt er spielt? Er lotet „die faszinierende Vielfalt des Mozartschen Kosmos aus“, wie das SKO erwartungsvoll betont.

Alle Infos unter: https://stuttgarter-kammerorchester.com/

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Erstellt:
23. März 2023, 17:52 Uhr

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