Neue Ausstellung mit Werken von Wolfgang Folmer

Die Galerie der Stadt Backnang zeigt Grafiken, Zeichnungen, Malereien, Fotografien und Videofilme des in Heilbronn lebenden Künstlers Wolfgang Folmer. Die Ausstellung wird am Samstag eröffnet. Auch im TOM ist eine Präsentation mit Fotografien und Videofilmen zu sehen.

Die großformatigen Holzschnitte des Grafikers Wolfgang Folmer kommen wie Zeichnungen daher. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Die großformatigen Holzschnitte des Grafikers Wolfgang Folmer kommen wie Zeichnungen daher. Foto: Alexander Becher

Von Ingrid Knack

Backnang. Die neue Ausstellung in der Galerie der Stadt Backnang vom 5. März bis 7. Mai zeichnet unter dem Titel „Gegebenheiten“ den künstlerischen Werdegang des 1960 geborenen, aus dem Saarland stammenden und in Heilbronn lebenden Künstlers Wolfgang Folmer nach. Die Retrospektive umfasst dokumentarische bis experimentelle Fotografien aus der Studienzeit Folmers an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart Ende der 1980er- bis Anfang der 1990er-Jahre, Videofilme zu abgefahrenen Projekten zwischen Kunst und Musik, großformatige Holzschnitte, die alle Unikate sind, Vektorgrafiken, Bleistift- und Kohlezeichnungen sowie neue Panoramafotografien. Viele der Arbeiten werden in Backnang das erste Mal präsentiert.

„Wir zeigen nur ausschnittweise ein sehr umfangreiches künstlerisches Werk“, sagt Galerieleiter Martin Schick. In den vergangenen rund 30 Jahren habe Folmer „unheimlich viel gearbeitet. Er ist ein Vielschaffer.“ Dies ist auch an seiner Vita abzulesen. Dort finden sich neben zahlreichen Ausstellungen Lehraufträge wie an der TU Dortmund, Kunstpreise und Arbeitsstipendien unter anderem in Schweden, Spanien, den USA, Argentinien, der Schweiz und China. Werke von ihm befinden sich im Besitz national und international angesehener Museen, darunter im National Art Museum of China in Shenzhen, einem neuen Museum für Druckgrafik, wie er bei einem Vorabrundgang durch die Ausstellung erwähnt.

Aktionen aus den frühen Künstlerjahren zwischen Ernst und Humor

Die Backnanger Ausstellung ist auch ein Angebot, sich der Gedanken- und Erlebniswelt eines Künstlers nicht nur anhand fertiger Arbeiten zu nähern, sondern den künstlerischen Reifeprozess ein stückweit mitzuerleben. Dies ermöglichen die digitalisierten alten Filme über Projekte Folmers, als dieser noch auf der Suche nach seiner ganz persönlichen künstlerischen Position war. Erzählt wird so überdies vom Zeitgeist gegen Ende des vorigen und Anfang des neuen Jahrtausends und vom anarchischen Potenzial dieser Kunstaktionen.

Ein Film aus dem Jahr 2001 zeigt, wie der schon in frühen Jahren medial übergreifend arbeitende Künstler in einem temporären Atelier im Kunstverein Schwäbisch Hall indirektes Zeichnen unter vollem Körpereinsatz zelebriert. Sein Blick ist auf die Kamera vor ihm gerichtet, das großformatige Zeichenpapier hängt hinter seinem Rücken an der Wand. Unter dem Titel „vor Ort“ gestaltete Folmer 2001 zusammen mit Rolf Nikel im Kunstverein Schwäbisch Hall, der bis 2002 in der Hirtenscheuer am Scharfen Eck beheimatet war, eine bemerkenswerte Schau. Folmer: „Wir hatten uns vorgenommen, die ganze Hirtenscheuer zuzuzeichnen.“ Ein weiterer Film von 1991, nun in Schwarz-Weiß, nimmt den Betrachter in eine Konzertsituation mit. Der Musikverein Rheingold Großrosseln, in dem Folmer in jungen Jahren als Schlagzeuger mitwirkte, spielt Eigenkompositionen seines ehemaligen Mitspielers. Die Noten hatte dieser auseinandergeschnitten und wieder neu zusammengesetzt. Das durch viele Dissonanzen geprägte Ergebnis hat in Verbindung mit der ernsthaft dargestellten Konzertsituation besonderen Charme, ein Schmunzeln wird sich wohl keiner beim Betrachten des Films verkneifen können. Dass Folmer früher Eiskunstläufer war, hat auch einen Kunstaspekt. Mit den Kufen seiner Schlittschuhe und auch wieder mit einem besonderen Körpereinsatz zeichnete er auf dem Eis. „Das waren tolle Spuren“, findet er.

Das Ergebnis all dieser aus dem tiefsten Inneren kommenden Erkenntnisarbeit sind Werke, die nach den Worten Martin Schicks eine starke formale Geschlossenheit aufweisen. Über all die Jahre hat Folmer eine originäre Position in der Gegenwartskunst entwickelt. Schick war von Bettina van Haaren auf den Multimediakünstler aufmerksam gemacht worden. Van Haaren hatte 2006 in Backnang ausgestellt und arbeitet mit Folmer immer wieder zusammen.

Zwischen biografischer Spurensuche und neuen Zuordnungen

Ein zentrales Thema in Folmers Arbeit sind die Holzschnitte. Der Künstler entwickelt hier aus Linien Motive. „Ob eine Linie eine Gans beschreibt oder ein Blatt, ist mir ziemlich wurst“, meint er aber. Fließende Linien haben für ihn etwas Magisches. Und er mag das Risiko, das man beim Holzschnitt eingeht: „Denn alles, was ich wegschneide, ist weg. Ich kann nichts mehr zurücknehmen. Ich kann nur noch mehr ins Weiß gehen.“ Übrigens druckt er nie mit Farbe, sondern immer in Schwarz-Weiß.

Die großformatigen Holzschnitte im Erdgeschoss der Backnanger Galerie sind Unikate. Einige der Sperrholzplatten hat Folmer auf beiden Seiten schwarz lackiert, sodass sie sich nicht verziehen. Erst dann setzte er das Schnitzmesser an. Um nicht eine Seite „zu verschwenden“, gibt es bei diesen Exemplaren auch Motive auf den Rückseiten, die aber in Backnang nicht zu sehen sind. In einem Exponat aus dieser Serie ergeben dünnere und dickere Linien ein abstraktes Muster. Die hellen Holzplatten hingegen sind sozusagen die Umkehrung der Holzschnitte mit dem schwarz lackiertem Untergrund. Hier brachte Folmer viele Schichten Wachs auf. In die Platte schnitt er dann die Motive ein und füllte die Linien mit schwarzem Holzkitt auf.

Panoramafotografie aus 130 Einzelaufnahmen

In vielen Grafiken erfahren collagenartig zusammengesetzte flächige Malbuchfigur-Motive aus den 1960er-Jahren als Readymades und altes Spielzeug, das immer wieder auftaucht, eine neue Zuordnung. Banales wird zu etwas Besonderem. Hinter vermeintlicher Harmonie lauern jedoch auch Gefahren. Kindheitserinnerungen und bedrückende, kleinbürgerliche Interieurs mit Hinweisen auf einen strengen Katholizismus (abzulesen in den zu Studentenzeiten in Folmers Heimatdorf Großrosseln entstandenen Fotografien) mischen sich in die Motivwelt mit Naturbetrachtungen, Zeitgeschehen und umgedeutetem Kitsch. Das Bild einer Hinrichtung während eines Kriegs ging Folmer nicht mehr aus dem Kopf, „es ist in meine Gartenzwergewelt eingedrungen“.

Während der Coronazeit hat Folmer Panoramafotografien aufgenommen, von denen zwei zu sehen sind. Das Bild von einem Firmengebäude in Abstatt in der Nacht besteht aus 130 Einzelaufnahmen. „Eine ganze Nacht lang stand ich im Weinberg“, erzählt er. Auch eine Coronateststation bei Nacht auf der Heilbronner Theresienwiese hat er als „Unort“ so für die Ewigkeit festgehalten. Immer wieder sucht er neue Herausforderungen. Sein Credo ist: „Mir ist wichtig, dass ich mich nicht wiederhole.“

Ausstellung dauert bis 7. Mai

Vernissage Die Eröffnung der Ausstellung „Gegebenheiten“ von Wolfgang Folmer ist am Samstag, 4. März, um 19 Uhr in der Galerie der Stadt Backnang, Petrus-Jacobi-Weg 1. Erster Bürgermeister der Stadt Backnang Stefan Setzer spricht ein Grußwort. Galerieleiter Martin Schick führt anschließend in die Ausstellung ein. Das Haus ist am Eröffnungstag bereits um 18 Uhr geöffnet. Die Ausstellung, zu der ein Katalog erscheint, läuft bis Sonntag, 7. Mai.

Studium Wolfgang Folmer hat nach einer Ausbildung zum Maschinenschlosser und Wagenmeister unter anderem an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Freie Grafik bei den Professoren Dieter Groß und Rudolf Schoofs, dessen Meisterschüler er war, studiert. Infos: www.wolfgangfolmer.de

Erweiterung im TOM Zu der Ausstellung gibt es eine externe Erweiterung im TOM, dem ehemaligen Kiosk am Bahnübergang beim ehemaligen Spinnereibahnhof, Spinnerei 2, mit weiteren Fotografien und Videofilmen. Im Anschluss an die Eröffnung in der Galerie wird es im TOM um 21 Uhr eine weitere kleine Eröffnung geben. Die Öffnungszeiten im TOM sind sonntags 14 bis 16 Uhr, mit Kaffee- und Kuchenangebot. Weitere Informationen gibt es telefonisch unter 0152/ 04934675 oder auf Instagram: @spinnerei2

Öffnungszeiten Galerie Die Öffnungszeiten der Galerie sind Dienstag bis Freitag von 16 bis 19 Uhr, Samstag von 11 bis 18 Uhr und Sonntag von 14 bis 18 Uhr. Am Ostermontag, 10. April, ist von 14 bis 18 Uhr geöffnet und am Karfreitag, 7. April, sowie am Tag der Arbeit, 1. Mai, ist geschlossen.

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Erstellt:
3. März 2023, 06:00 Uhr

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