Zum Geburtstag öffnet der Biergarten

20 Jahre Kabirinett in Spiegelberg – gern hätte Thomas Weber den Geburtstag seines Theaters mit Pauken und Trompeten gefeiert. Derzeit ist jedoch alles in der Schwebe. Nur ein Termin ist fix: Am 28. Mai wird der in Eigenregie gebaute Biergarten vor dem Theater in Betrieb genommen.

Die Arbeiten am Biergarten sind in den letzten Zügen: Thomas und Irene Weber bereiten auf dem Kulturbuckel eine Saison der etwas anderen Art vor. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Die Arbeiten am Biergarten sind in den letzten Zügen: Thomas und Irene Weber bereiten auf dem Kulturbuckel eine Saison der etwas anderen Art vor. Foto: A. Becher

Von Heidrun Gehrke

SPIEGELBERG. Ausgerechnet im Jubiläumsjahr ist nichts planbar. „Es ist schade, da wir uns mit dem Spielplan richtig ins Zeug gelegt haben. Aber wir nehmen es so an, wie es ist“, sagt Thomas Weber. Seine persönliche Coronaerkenntnis: „Wir haben wieder mal deutlich gemerkt, dass nichts über ein Liveerlebnis geht.“ Ob es dazu dieses Jahr kommen wird – großes Fragezeichen. Die kleine Geburtstagsfete am 26. Mai – es ist der Jahrestag der ersten Vorstellung im Kabirinett – fällt aus. Noch stehe auch das viertägige Festival Ende Juli, das mehrere Hundert Besucher anziehen könnte, auf der Kippe. Vorgesehen seien Auftritte lokaler und überregionaler Musiker und Gastkünstler, darunter etablierte Größen und unbekannte Durchstarter.

Dazu Herz- und Habhaftes, Süßes und Saftiges aus Küche, Weinkeller und aus dem neuen Biergarten, dem derzeit einzigen kulturellen Lichtblick: „Es war ein lang gehegter Wunsch, so was hat hier noch gefehlt“, sagt Thomas Weber. Er ist in den vergangenen zwei Monaten als Bauherr im Viereck herumgesprungen, damit es ab dem 28. Mai diesen lauschigen Platz gibt, für den Aperitif vor einer Veranstaltung und den Absacker danach und selbstverständlich für die „Lümmelpicknicker“ sowie für Wanderer und Radfahrer. Ab dem morgigen Donnerstag soll es einen Probebetrieb geben.

Weber und sein Helferteam haben die coronabedingt spielfreie Zeit zudem in den Bau eines schmucken Holzhauses für die Theaterküche gesteckt. Sie wurde vergrößert. Geräte und Technik wurden auf den aktuellsten Stand gebracht. Die Mitarbeiter sparen sich bei Veranstaltungen lange Wege von der Bühne in die Küche. Alles ist barrierefrei, ein Behinderten-WC wurde geschaffen. Im ersten Stock schaffen Webers mit einer neu gebauten Ferienwohnung die erste Übernachtungsmöglichkeit in Großhöchberg. Das hätte sich Weber vor 20 Jahren nicht erträumen lassen: Als er auf den heute „Kulturbuckel“ genannten Höhenrücken kam, mit der „spinnerten“ Idee im Kopf, hier oben ein Theater zu eröffnen, schlief er in den ersten Mainächten im Schlafsack vor seiner ersten Bühne. Seither war Weber in vielen Rollen zu erleben, brachte zehn eigene Stücke zur Aufführung, bot etlichen Profikünstlern ein Podium auf der „Probierbühne auf dem Land“ und konnte mit dem Lümmelpicknick eine gefragte sommerliche Veranstaltungsreihe etablieren. Er ist glücklich verheiratet und dreifacher glücklicher Vater. Und ehe er sich’s versieht, waren 20 Jahre „wie im Flug“ vergangen, wie der Theatermacher sagt.

Ganz ohne Businessplan gelang ihm damals die Punktlandung. „Ich sagte mir, auch an einem abgelegenen Ort, in einem winzigen bäuerlich-ländlich geprägten Dorf kann es möglich sein, eine Kulturinstitution zu etablieren“, beschreibt Weber sein „Konzept“. Wo bis zu seiner Premiere der Hund begraben war, ist eine Kultur-Genuss-Bühne entstanden, mit inzwischen 10000 Zuschauern in 120 Veranstaltungen jährlich. Was abwegig erschien, wurde wegweisend für die Entwicklung der Kultur in der Region.

Vom Geheimtipp zum Publikumsmagneten

Weber erinnert sich an die Premiere, auf wahrlich „wackligen Brettern“. „Ich hatte eine Art Faltbühne aus Bühnenelementen und die Lichtanlage war ausgeliehen.“ Vor ausverkauftem Haus, die Besucher an einer Handvoll Bierbänken verteilt und eng gedrängt, kochte Weber das erste Ma(h)l: Sein Leib- und Magenstück „Weber kocht.“ wurde zum Klassiker, an dem man sich wohl nie „überessen“ kann. In 20 Jahren hat er vor 70000 Zuschauern über 5000 Eier aufgeschlagen, zweieinhalb Tonnen Mehl in der Teigschüssel stauben lassen, 50 Hektoliter Wasser zum Kochen gebracht, 2000 Zwiebeln zum Duften gebracht und die Gäste 70000 Viertele schlotzen lassen. Markenzeichen jeder Veranstaltung: Es wird real gekocht, die Speisen sind mit dem Stück verbunden. Der Gast bekommt ein sinnliches Erlebnis serviert und wird niveauvoll satt.

Dem Publikum schmeckte die Kombination aus Kabarett, Comedy, Theater, Musik, Kleinkunst und Varieté. Es kamen immer mehr, der Einzugskreis erweiterte sich, die kulturelle Institution brauchte eine größere Bühne. Bereits nach einem Jahr zog das junge Theater ins heutige Gebäude um. Ein Förderverein unterstützt seit 2002 das Kulturprogramm mit Gastkünstlern auf der „Probierbühne“. In den ersten drei Jahren verschickte Weber die Eintrittskarten mit der Post, die Adressen hatte er von Hand auf die Kuverts geschrieben. Jeden Gast kannte er persönlich. Heute führt das Kabirinett ein Gästebuch mit rund 2000 Stammkunden sowie eine Kundendatei mit 5000 Gästen aus einem Umkreis von 120 Kilometern. Den familiären, geerdeten Charme hat es sich bewahrt. So wird auch der Biergarten sein: „Kleine, überschaubare Größe, heimelig, nicht spinnert“, so Weber. Er könnte die einzige Freude im Jubiläumsjahr bleiben. Und wenn schon. „Dann feiern wir ,20plus1‘ im kommenden Jahr“, ist der Theatermacher guten Mutes.

Viertägiges Festival

So es die Gesetzeslage zulässt, sind folgende Veranstaltungen im Kabirinett geplant:

30. Juli: Jens Heckermann, „Wenn der Kauz singt“

31. Juli: Willy Astor, „Jäger des verlorenen Satzes“

1. August: Uli Keuler, „Uli Keuler spielt...“, und DJ Frietmaschine, „Tanz mit deiner Kartoffel“

2. August: DJ Frietmaschine, „Tanz mit deiner Kartoffel“, und Lümmelpicknick mit Noisepollution

Geplant ist zudem ein Revival des Kabirinett-Klassikers „Kommet! Mir ganget!“. Thomas Weber hofft, zu Weihnachten eine Langversion der Pfefferkuchenmänner auf die Bühne zu bringen, gemeinsam mit seinem Kollegen James Geier.

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Erstellt:
20. Mai 2020, 06:00 Uhr

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