Zwischen Grauen und Versöhnung

Zum 80. Geburtstag von Ernst Hövelborn wird im Backnanger Helferhaus die Ausstellung „Sinnbilder – Krieg und Frieden 1947 bis 2019“ gezeigt. Die Eröffnungsveranstaltung ist am Sonntag auf dem Markgrafenhof.

Ernst Hövelborn vor einem Bild aus der Serie „Kinderspiele“. In diesem Zusammenhang zitiert er Rousseau: „Liebet die Kindheit, begünstigt ihre Spiele, ihre Vergnügungen...“. Fotos: P. Wolf

Ernst Hövelborn vor einem Bild aus der Serie „Kinderspiele“. In diesem Zusammenhang zitiert er Rousseau: „Liebet die Kindheit, begünstigt ihre Spiele, ihre Vergnügungen...“. Fotos: P. Wolf

Von Claudia Ackermann

BACKNANG. Mit Kinderzeichnungen, die Ernst Hövelborn als Sieben- oder Achtjähriger kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gemacht hat, beginnt der Rundgang durch die Ausstellung. Bemerkenswert ist die Genauigkeit, mit der er als Kind Kriegsgeräte wie Panzer, Flugzeuge oder Geschütze beobachtet hat. Das Kriegsgeschehen mit den Soldaten versetzt der Künstler in eine idyllische Landschaft mit Blumenwiesen und einer lachenden Sonne.

Die Bilder, die Ernst Hövelborns Mutter aufbewahrt hat, spiegeln keine traumatisierte Kindheit des 1940 in Bad Cannstatt geborenen Jungen wider. Als das Elternhaus 1943 ausgebombt wurde, zog die Familie zu einer Tante in den Schwarzwald, wo Hövelborn trotz des Kriegs eine relativ unbeschwerte Kindheit verlebte, erzählt er bei einem Vorabrundgang durch die Ausstellung.

Auch eine Erinnerung an das Kriegsende vor 75 Jahren

Das Thema „Krieg und Frieden“ hat Hövelborn für die Ausstellung anlässlich seines 80. Geburtstags, den er im Januar feierte, auch gewählt, weil sich das Kriegsende nun zum 75. Mal jährt. Die weiteren Bilder in der Werkschau sind alle ab 2010 entstanden. Hövelborn, der von 1979 bis März 2020 Vorsitzender des Backnanger Heimat- und Kunstvereins war, arbeitete seit 2008 auch im Förderkreis Backnanger Friedhofkapelle und an der Errichtung einer Erinnerungs- und Gedenkstätte für die Toten von Krieg und Gewaltherrschaft zwischen 1933 und 1945 mit. Dadurch habe sich bei ihm ein theoretisch begründetes Interesse an dem Thema entwickelt, das sich allmählich in bildhaften Formulierungen niederschlug, so Hövelborn. Wobei die Relation zwischen Krieg und Frieden beziehungsweise Idylle im Vordergrund stand.

Bei seinen „Sinnbildern“ gehe es ihm immer darum, Inhalte zu vermitteln. Für diese „Sichtbarmachung“ wählt er verschiedene Stile. Die Werke sind großformatig und in Eitempera gemalt. Hövelborn rührt alle seine Farben selbst an. Es finden sich Bezugspunkte zur Geschichtsschreibung, Philosophie, Mythologie und Pädagogik. Von 1968 bis 2004 war Ernst Hövelborn Lehrer für Kunst, Philosophie, Ethik und Sport am Backnanger Max-Born-Gymnasium. Texte sind neben den Bildern angefügt.

So bezieht Hövelborn sich etwa auf Jean-Jacques Rousseau, in dessen Text es heißt: „Man soll die Jugend lieben und ihre Spiele begünstigen.“ Bei den Bildern „Kinderspiele“, die sich auf Pädagogik beziehen, hat Hövelborn eine vereinfachte Bildsprache mit zeichenhaften Figuren gewählt. Ganz anders ist die formale Lösung im Bild „Höllischer Tanzplatz des Todes“, bei dem die Bildidee auf einen Text von Ernst Jünger zurückgeht: „Wo war man? Irgendwo auf den Kraterfeldern des Mondes? Ausgestoßen in den Tiefen eines Inferno?“ In Hövelborns Interpretation steht ein Soldat einem Flammeninferno gegenüber. Häuser und Landschaft werden zerstört. Mensch, Tier und Natur leiden. Gestalten aus der Mythologie tauchen auf in der düsteren, bedrohlichen Atmosphäre.

Dem Grauen der Zerstörung wird immer wieder Versöhnliches gegenübergestellt. Im Bild „Das sittliche Wesen: Das Sein für andere in friedlicher Einheit mit der Natur“ ist eine Mutter oder Lehrerin unter einem Apfelbaum zu sehen, die sich um Kinder in idyllischer Landschaft kümmert. In manchen Arbeiten vereint Hövelborn die Gegensätze. „Das Böse& Terror der Gewalt – die Unschuld&die schöne Seele“ ist der Titel eines Bilds, bei dem sich auf der linken Seite die Brutalität zeigt, während rechts ein Kind in heller Umgebung verträumt spielt. Eine solche Gegenüberstellung zeigt sich auch in „Krieg&Idylle. Kentauer Cheiron und Achilleus“. In das Werk von 2018, in dem er wieder die Mythologie aufgreift, hat Hövelborn ein Selbstporträt eingearbeitet. Die Mythologie ist auch Thema in einer Reihe über die griechische Insel Kreta. Hövelborn hat dort einst seinen Urlaub verbracht. „(Ferien-)Idylle – Krieg – Mythos: Kreta“ heißt eine Arbeit von 2019. Urlauber reisen mit Touristenfliegern zur Erholung am Strand an, während auf der anderen Bildseite, auch aus der Luft, 1941 die Fallschirmjäger der Deutschen Wehrmacht landen. Ebenfalls von oben stürzt Ikarus von der Sonne in die Tiefe. Ein Bild mit mehreren kleinen Zeichnungen von Hölzern, das neben den großformatigen, oft farbenkräftigen Arbeiten eher unscheinbar wirkt, hat eine zentrale Bedeutung. Es beziehe sich auf das Menschsein an sich, so Hövelborn. Der Mensch könne nie zur Idealfigur gemacht werden. Ein Text von Immanuel Kant ist angefügt: „Aus so krummem Holze, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts Gerades gezimmert werden.“

„Tiere im Krieg“: Dies ist ein Thema, das Ernst Hövelborn immer wieder beschäftigte.

„Tiere im Krieg“: Dies ist ein Thema, das Ernst Hövelborn immer wieder beschäftigte.

Eröffnung im Freien

Die Outdoor-Vernissage ist am Sonntag, 9. August, 11.30 Uhr im Markgrafenhof neben dem Helferhaus, Petrus-Jacobi-Weg 5.

Die musikalische Umrahmung bildet eine Klang-Laut-Interpretation von Karera Fujita (Sopran/Musikhochschule Stuttgart) zu einem Gedicht von Jenny Holzer, die von einer Schlagzeugimprovisation durch Jonas Heck begleitet wird. Gedichte und Texte zum Thema Krieg und Frieden von Jenny Holzer, Friedrich Hölderlin, Wilhelm Klemm, Homer, G.W.F. Hegel, Sigmund Freud, Emmanuel Levinas und Graf Claus werden zudem vorgetragen.

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Erstellt:
7. August 2020, 06:00 Uhr

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