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„2-3 Jahre Dagestan“: Gefährlicher TikTok-Trend
Ein harmlos wirkender TikTok-Satz entwickelt sich zur Chiffre für Gewalt und Intoleranz: „2-3 Jahre Dagestan“ steht für ein fragwürdiges Männlichkeitsideal – und gezielte Ausgrenzung queerer Menschen.

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Auf TikTok breitet sich mal wieder ein neuer Trend aus.
Von Redaktion
Auf der Videoplattform TikTok verbreitet sich derzeit ein Trend, der auf den ersten Blick harmlos wirkt, bei näherer Betrachtung aber problematische Bedeutungen transportiert. Gemeint ist der Satz „2 - 3 Jahre Dagestan“, der derzeit häufig in Kommentaren und Videos auftaucht.
Ursprung: Kampfsport und Disziplin
Der Ausdruck geht zurück auf eine Aussage des russischen MMA-Kämpfers Islam Makhachev, der in einem Podcast sagte: „If you want your son high level wrestling – send him two, three years Dagestan and forget.“
Sinngemäß: Wer möchte, dass sein Sohn ein erstklassiger Kämpfer wird, solle ihn für einige Jahre nach Dagestan schicken – einer Region, die für ihre harten Trainingsbedingungen und erfolgreichen Kampfsportler bekannt ist.
Dagestan ist eine autonome Republik im russischen Nordkaukasus und gilt als eines der Zentren des Mixed Martial Arts. Die Region hat zahlreiche international erfolgreiche Kämpfer hervorgebracht. In den sozialen Medien wird „Dagestan“ daher zunehmend zum Symbol für Disziplin, Härte und traditionelle Männlichkeitsbilder.
Wen „meint“ der Trend?
Die Phrase „2-3 Jahre Dagestan“ wird auf TikTok gezielt gegen bestimmte Gruppen oder Verhaltensweisen gerichtet:
- Männer, die als „weich“ oder „nicht männlich genug“ wahrgenommen werden
- Männer mit Liebeskummer
- Menschen mit anderen politischen Meinungen
- Queere Menschen, insbesondere homosexuelle Männer
Die Botschaft: Diese Menschen seien „nicht richtig“ – und könnten in Dagestan durch Disziplin, Härte oder Gewalt „geheilt“ werden. In Kommentaren heißt es dann etwa: „Bro needs 3 years in Dagestan“ – eine Mischung aus toxischer Männlichkeitsfantasie und gefährlicher Ideologie.
Kritik: Gewaltfantasie und Queerfeindlichkeit
Was wie ein Internetwitz klingt, ist in Wahrheit ein Beispiel für queerfeindliche, gewaltverherrlichende Rhetorik. Der Satz „2-3 Jahre Dagestan, dann bist du geheilt“ stellt queere Menschen als krank dar – und spricht gleichzeitig eine unausgesprochene Drohung aus: Disziplinierung durch Gewalt, Haft oder Umerziehung.
Das ist nicht bloß geschmacklos. In Dagestan ist die Realität erschreckend nah an genau solchen Szenarien. Laut der NC SOS Crisis Group, einer queeren Menschenrechtsorganisation, werden dort derzeit gezielt homosexuelle Männer verfolgt, inhaftiert und gefoltert:
- Polizeiliche Hetzjagden auf vermeintlich queere Männer
- Erzwungene Outings, psychologische Folter und Erpressung
- Verweigerung medizinischer Versorgung (z. B. HIV-Medikamente)
- Misshandlungen in Gefängnissen, teilweise mit Todesdrohungen
In diesem Kontext erscheint der Ausdruck „2-3 Jahre Dagestan“ nicht mehr als flapsiger Spruch, sondern als gefährliche Chiffre. Die Formulierung suggeriert, dass queere oder nicht normkonforme Menschen durch Gewalt oder Isolation „geheilt“ werden könnten oder müssten – eine Erzählung, die reale Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen verharmlost.
Zwischen Popkultur und Politik
Was in TikTok-Kommentaren als „edgy“ oder „lustig“ verkauft wird, ist in Wirklichkeit ein Code für Gewalt, Repression und Queerfeindlichkeit. Der Verweis auf „Dagestan“ als Lösung für unerwünschte Eigenschaften ist nichts anderes als die Fantasie eines autoritären Umerziehungslagers – eine Erzählung, die realen Menschen täglich Leid zufügt.