33 Haltestellen sollen barrierefrei werden

Umbau kostet 1,5 Millionen Euro – Backnang erhält 50 Prozent Zuschuss – Stadträte fordern Überarbeitung der Pläne

Die Bushaltestellen im Stadtgebiet müssen barrierefrei sein. So fordert es der Gesetzgeber. Aus diesem Grund gibt sich das Land Baden-Württemberg auch bei der Förderung sehr großzügig und trägt 50 Prozent der Baukosten. In Backnang handelt es sich um 33 Haltestellen, deren Umbau Kosten in Höhe von 1,5 Millionen Euro verursachen würde.

Der geplante Umbau der Bushaltestelle Weissacher Straße/Karl-Krische-Straße ist heftig umstritten. Künftig soll der Bus – wie auf dem Foto – auf der Straße halten, die Busbucht würde zurückgebaut werden. Jeder Verkehrsteilnehmer müsste dahinter warten. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Der geplante Umbau der Bushaltestelle Weissacher Straße/Karl-Krische-Straße ist heftig umstritten. Künftig soll der Bus – wie auf dem Foto – auf der Straße halten, die Busbucht würde zurückgebaut werden. Jeder Verkehrsteilnehmer müsste dahinter warten. Foto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Die Notwendigkeit, dass die Bushaltestellen barrierefrei umgebaut werden müssen, ist unstrittig. Erstens fordert dies der Gesetzgeber etwa im Personenbeförderungsgesetz. Zum anderen sind sich alle Verantwortlichen einig, dass der öffentliche Personennahverkehr so attraktiv wie möglich gestaltet werden muss, soll ein möglicher Verkehrskollaps in der Zukunft noch abgewendet werden.

So weit, so gut. Als aber dieser Tage die konkreten Planungen im Ausschuss Technik und Umwelt vorgestellt wurden, kamen Baudezernent Stefan Setzer und Stadtplanungsamtsleiter Tobias Großmann nur bis zur zweiten Folie, als sie heftige Kritik ereilte. Die dort beschriebene Planung sah nämlich vor, die Bushaltestelle in der Weissacher Straße zwischen dem Kawagkreisel und der Einmündung Karl-Krische-Straße aus der Busbucht hinaus auf die Straße zu verlegen. Was zur Konsequenz hätte, dass kein Fahrzeug passieren könnte, solange der Bus dort steht. Die Planungsexperten begründeten diese Änderung damit, dass durch die Erhöhung der Fahrbahnränder der Bus nicht mehr in eine Busbucht fahren könne. Vielmehr müsse zum Beispiel für Gelenkbusse ein 21 Zentimeter hoher Bordstein auf einer geraden Länge von mindestens 18 Metern zur Verfügung stehen. Nur so könne der Bus so nahe an den Randstein heranfahren, dass Gehbehinderte oder Menschen mit Rollatoren gut einsteigen können. Zudem sei der Umbau der Busbuchten zu sogenannten Fahrbahnrandhaltestellen Teil des geforderten Ausbaustandards.

Für Heinz Franke ein Ding der Unmöglichkeit. Der SPD-Stadtrat prophezeite den Verantwortlichen Chaos, wenn diese Planung umgesetzt werden würde. Er erinnerte daran, dass der Verkehr und die Fahrzeugmengen ohnehin ständig zunehmen. Vor allem, weil in diesem Teil der Stadt beim Wohnungsbau heftig nachverdichtet wurde und in Zukunft noch wird. Der Verkehr rund um den Kawagkreisel würde nach einem solchen Umbau regelmäßig zusammenbrechen, so Franke. Er forderte dringend eine andere Planung und sagte frank und frei: „Ich verstehe es nicht, dass ihr mit so einer Planung daherkommt.“

Setzer räumte ein, dass es – wenn der Bus in der Weissacher Straße steht – Situationen geben könnte, in denen der Fahrzeugverkehr im Kreisel zum Erliegen kommt, „aber ein solcher Stau löst sich auch wieder auf“. Er erinnerte daran, dass dauernd das Hohelied auf den ÖPNV gesungen werde, dass es aber sofort Gegenstimmen gebe, wenn der Individualverkehr beschnitten werde. Franke wehrte sich umgehend, „das haben Sie völlig falsch verstanden“. Auch er plädierte für eine Lösung, dass die Fahrgäste und Besucher des Gesundheitszentrums, des Friedhofs oder der umliegenden Quartiere barrierefrei ein- und aussteigen können. An die Adresse der Planer gerichtet sagte er: „Denken Sie darüber nach, eine bessere Lösung zu finden.“ Erster Bürgermeister Siegfried Janocha sagte dies zu und beendete die Vorstellung der restlichen Ausbaubeispiele umgehend.

Kommentar
Realität ignoriert

Von Matthias Nothstein

Manchmal muss man sich fragen, ob in den Planungsbüros Praktiker oder Theoretiker sitzen. Wer kann nur auf die Idee kommen, zehn Meter nach dem Kawagkreisel einen Bus mitten auf der Weissacher Straße anhalten zu lassen. Der blockiert nicht nur diese Straße, sondern die dahinter stehenden Autos innerhalb kürzester Zeit auch den gesamten Kreisel und somit die Stuttgarter Straße – stadteinwärts und stadtauswärts – sowie die Blumenstraße. Allesamt gehören sie zu den wichtigsten Verkehrsadern der Stadt. Die Planung überhaupt so anzudenken, hat etwas mit der Ignoranz von Realitäten zu tun. Dass der Individualverkehr nicht über allem steht, müssen viele Bürger erst noch lernen. Ganz klar. Aber die Aufgabe lautet, den ÖPNV zu stärken, ohne gleichzeitig den gesamten Verkehr lahmzulegen. Die Planung für diese Bushaltestelle muss dringend überarbeitet werden, eine andere Lösung ist Pflicht. Die Attraktivierung des ÖPNV rechtfertigt nicht jedes Mittel. Das haben auch die Reaktionen der Stadträte gezeigt, die nahezu fassungslos waren ob solcher Ideen.

m.nothstein@bkz.de

Info
Jeder soll ohne fremde Hilfe in Busse einsteigen können

Der Ausbau der Haltestellen soll dazu dienen, dass auch Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind oder ein anderes Handicap haben, ohne fremde Hilfe den Bus besteigen können.

Des Weiteren erhoffen sich die Verantwortlichen eine Beschleunigung des Busverkehrs. Diese wiederum hätte zur Folge, dass am Bahnhof und den anderen Knotenpunkten die Anschlüsse besser und pünktlicher erreicht werden könnten.

Da es nicht möglich ist, alle knapp 100 Haltestellen im Stadtgebiet innerhalb weniger Jahre umzubauen, wurden vor allem solche ausgewählt, die ein hohes Fahrgastaufkommen haben oder von mehreren Linien angesteuert werden. Ein weiteres Kriterium ist die Nähe zu Arbeitsplatz-, Bildungs-, Gesundheits-, Behörden- oder Wohnschwerpunkten. Zudem wurde ein Schwerpunkt auf die Linie361 gelegt. Sie ist nicht nur eine der wichtigsten Linien im Stadtgebiet, sondern war lange Zeit auch ein Sorgenkind des ÖPNV in Sachen Pünktlichkeit und Anschlusssicherheit.

Vier Haltestellen sind bereits umgebaut, etwa beim ZOB. Weitere sieben Haltestellen werden bis 2021 im Zuge aktueller Maßnahmen fertiggestellt. Für 33 Haltestellen wird eine Förderung ab 2022 durch das Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz beantragt. In den Jahren 2022 bis 2024 sollen je neun Haltestellen erneuert werden, 2025 dann weitere sechs.

Der Ausbaustandard fordert 21 Zentimeter hohe Randsteine zum barrierefreien Einsteigen und für Sehbehinderte ein Leitsystem im Boden. Zudem sollen stark frequentierte Haltestellen mit digitalen Fahrgast-Informationsanzeigen ausgestattet werden.

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Erstellt:
8. November 2019, 06:00 Uhr

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