Ab 2020 drohen Steuererhöhungen

Stadt Backnang will in vier Jahren mehr als 80 Millionen Euro investieren – Schwerpunkt bei Schulen und Kinderbetreuung

Die finanzielle Lage der Stadt Backnang hat sich in diesem Jahr besser entwickelt als gedacht, auch die Aussichten für 2019 sind positiv. Trotzdem wird das Geld nicht reichen, um die vielen geplanten Investitionen der nächsten Jahre zu stemmen. Kämmerer Alexander Zipf prognostiziert bis 2022 eine Vervierfachung der Schulden auf 17,6 Millionen Euro. Auch Steuererhöhungen seien nicht ausgeschlossen.

Am Bahnhof will die Stadt viel Geld investieren: Allein die neue Stadtbrücke mit den Aufzügen zu den Bahnsteigen soll mehr als drei Millionen Euro kosten. Visualisierung: Büro Stadt Land Bahn

© knoedlervolker

Am Bahnhof will die Stadt viel Geld investieren: Allein die neue Stadtbrücke mit den Aufzügen zu den Bahnsteigen soll mehr als drei Millionen Euro kosten. Visualisierung: Büro Stadt Land Bahn

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Eine neue Sporthalle, eine neue Kindertagesstätte, ein neues Feuerwehrgerätehaus, ein neu gestalteter Rathausplatz, mehrere renovierte Schulhäuser, sanierte Straßen, neue Kreisverkehre, ein verbesserter Hochwasserschutz – die Liste der Bauprojekte, die Kämmerer Alexander Zipf am Donnerstagabend im Backnanger Gemeinderat präsentierte, wollte fast kein Ende nehmen. Unterm Strich summieren sich die geplanten Investitionen in den nächsten vier Jahren auf stolze 82,6 Millionen Euro. „Das ist rekordverdächtig“, sagte der Kämmerer. Die jährliche Investitionssumme, die in den vergangenen Jahren im Durchschnitt bei rund neun Millionen Euro lag, würde sich mehr als verdoppeln.

Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den Schulen: Mehr als 17 Millionen Euro will die Stadt bis 2022 in ihre Schulgebäude stecken. Dass dort gerade jetzt in großem Stil investiert wird, hängt mit aktuellen Förderprogrammen von Bund und Land zusammen: Backnang kann deshalb mit Zuschüssen von mehr als fünf Millionen Euro rechnen. Kräftig investiert wird auch weiterhin in den Ausbau der Kinderbetreuung: Laut Alexander Zipf werden in den nächsten vier Jahren 13 neue Betreuungsgruppen im gesamten Stadtgebiet eingerichtet, sechs davon in der mehr als sieben Millionen Euro teuren Sport-Kita, die neben der Plaisirschule neu gebaut wird.

Größtes Einzelprojekt im Investitionsplan ist aber der Neubau der Karl-Euerle-Halle, der 11,5 Millionen Euro kosten soll. Einen zweistelligen Millionenbetrag will die Stadt auch am Bahnhof investieren. Dort werden die Teilprojekte aber schrittweise umgesetzt. Losgehen soll es ab 2021 mit dem Abriss des Güterschuppens und dem Neubau der Stadtbrücke, die endlich einen barrierefreien Zugang zu allen Bahnsteigen ermöglichen wird.

Neue Debatte über
die Karl-Euerle-Halle

Trotz sprudelnder Steuerquellen – das Ergebnis liegt in diesem Jahr um 1,75 Millionen Euro über dem Plan – wird die Stadt ihr umfangreiches Investitionsprogramm nicht aus eigener Kraft stemmen können. „Die Investitionen verursachen einen enormen Anstieg der Verschuldung“, erklärt Alexander Zipf. Nach seiner Prognose wird der Schuldenberg von derzeit 4 auf 17,6 Millionen Euro wachsen. „Das ist keine nachhaltige Finanzwirtschaft, da muss nachgesteuert werden“, forderte der Kämmerer im Gemeinderat. Auch Steuererhöhungen seien ab 2020 nicht mehr ausgeschlossen.

Auch Zipfs Vorgänger, der jetzige Erste Bürgermeister Siegfried Janocha, äußerte Zweifel, ob dieses „Mammutprogramm“ wirklich finanzierbar ist: „Ab 2020 müssen wir uns Gedanken machen, wie wir die Situation verbessern können.“ Man werde alles versuchen, um die geplante Verschuldung so weit wie möglich zu reduzieren.

Wie das gelingen könnte, sagte Janocha nicht, dafür eröffnete Grünen-Fraktionschef Willy Härtner eine neue Debatte über die Karl-Euerle-Halle. Angesichts der aktuellen Zahlen müsse man „neu nachdenken und die Prioritäten anders setzen“, forderte Härtner. Ihm und seiner Fraktion sei eine rasche Aufwertung des Bahnhofs im Zweifel wichtiger als die neue Sporthalle. Eric Bachert (Bürgerforum) sprang ihm zur Seite: Mit überschaubaren Investitionen in die sanitären Anlagen könne man die alte Halle noch etliche Jahre nutzen. Die Fraktionsvorsitzenden von CDU und SPD, Ute Ulfert und Heinz Franke, bekannten sich hingegen zum Hallenneubau. „Je länger wir warten, desto teurer wird es“, sagte Ulfert, schränkte allerdings ein, im Falle einer erheblichen Kostensteigerung müsse man die Sache neu bewerten.

Verbindlich ist das jetzt vorgelegte Investitionsprogramm nicht und es enthält auch noch viele Unbekannten. Der rasante Anstieg der Baukosten könnte die geplanten Projekte weiter verteuern. Der Breitbandausbau oder Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität fehlen in der Auflistung komplett, weil noch unklar ist, welche Investitionen auf die Stadt zukommen. Der Blick richtet sich deshalb erst einmal aufs nächste Jahr: Bis November will die Verwaltung den Haushaltsplanentwurf für 2019 vorlegen.

Papier ist geduldig Von Kornelius Fritz Es ist schon erstaunlich: Da präsentiert der neue Backnanger Kämmerer Alexander Zipf im Gemeinderat ein Investitionsprogramm, von dem er selber sagt, es entspreche nicht den Grundsätzen einer nachhaltigen Finanzwirtschaft. Und Erster Bürgermeister Siegfried Janocha erklärt, man werde dieses Mammutprogramm wohl kaum finanzieren können. Trotzdem bleiben die Rekordinvestitionen in Höhe von 82,6 Millionen Euro weiterhin Grundlage für die mittelfristige Finanzplanung bis 2022. Dabei ist schon jetzt klar, dass die Stadt die aufgelisteten Projekte niemals alle in diesem Zeitraum realisieren wird. Selbst wenn die Steuereinnahmen, so wie es in der Vergangenheit oft der Fall war, höher ausfallen als geplant, wäre dieses Investitionsprogramm nur mit einer massiven Neuverschuldung bezahlbar. Aber dass OB Frank Nopper einen radikalen Imagewechsel vom Sparfuchs zum Schuldenkönig anstrebt, ist kaum zu erwarten. Und dass er die Unternehmer und Hauseigentümer mit drastischen Gewerbe- und Grundsteuererhöhungen verschrecken wird, auch nicht. Abgesehen von den Finanzen würde es die Verwaltung auch personell überfordern, eine solche Vielzahl von Großprojekten gleichzeitig zu stemmen. Klar, Papier ist geduldig und der Investitionsplan nicht verbindlich. Trotzdem wäre es ehrlicher, wenn Verwaltung und Gemeinderat den Bürgerinnen und Bürgern schon jetzt klar sagen würden, auf welche Projekte sie noch etwas länger werden warten müssen. Dafür wird es kurz vor der Kommunalwahl sicher keinen Applaus geben, aber so zu tun, als könne man alle Wünsche erfüllen, ist Augenwischerei. k.fritz@bkz.de Kommentar
Ab 2020 drohen Steuererhöhungen

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Erstellt:
29. September 2018, 06:00 Uhr

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