Abbrucharbeiten gehen endlich weiter

Nachdem der Abriss einiger Gebäude entlang der Eugen-Adolff-Straße in Backnang 2019 wegen Fledermäusen gestoppt wurde, liegt nun eine Ausnahmegenehmigung des Regierungspräsidiums vor. Ab Montag rollen die Bagger. Straßensperrungen sind nicht nötig.

Die Tage dieser Gebäude sind gezählt. Von Montag an geht der Abriss weiter. Bisher wurden bereits 3000 Tonnen Recyclingschotter vor Ort gebrochen und auf anderen Baustellen im Stadtgebiet wieder verbaut sowie 400 Kubikmeter Altholz und 200 Tonnen Schrott entsorgt. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Die Tage dieser Gebäude sind gezählt. Von Montag an geht der Abriss weiter. Bisher wurden bereits 3000 Tonnen Recyclingschotter vor Ort gebrochen und auf anderen Baustellen im Stadtgebiet wieder verbaut sowie 400 Kubikmeter Altholz und 200 Tonnen Schrott entsorgt. Foto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Ursprünglich sollten die Gebäude Eugen-Adolff-Straße 26 bis 28 in Backnang in den Sommerferien des Jahres 2019 abgerissen werden. Doch dann wurde bei einer Begehung der Häuser der Kot einer Fledermaus nachgewiesen. Mehr noch, es handelte sich um die Gattung Braunes Langohr, „eine Besonderheit hierzulande“, so der Backnanger Stadtplanungsamtsleiter Tobias Großmann. Die Baustelle wurde eingestellt. Jetzt, mehr als ein Jahr später, liegt die „artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zur Zerstörung von möglichen Lebensstätten des Braunen Langohrs“ vor. Darauf hatte Investor Dirk Veeser sehnlichst gewartet. Nachdem die Genehmigung am Donnerstag eintraf, beauftragte er das Abbruchunternehmen, die begonnene Arbeit ab Montag zu vollenden. Straßensperrungen werden nicht nötig sein, aber die Fahrbahn wird etwas eingeengt und der Gehweg im Bereich der abzubrechenden Gebäude voraussichtlich für drei Wochen gesperrt.

Für Bauherr Dirk Veeser endet damit eine lange Wartezeit. Nachdem der Abriss in den Sommerferien 2019 nicht beendet werden konnte, ging er davon aus, das Werk spätestens in den Sommerferien 2020 vollenden zu können. Doch auch dazu kam es nicht. Viele artenschutzrechtliche Fragen mussten geklärt werden. Wobei Veeser anfangs noch von einer einfacheren Realisierung ausging. Ein erster Gutachter, der sich mit dem Fledermausthema beschäftigt hatte, teilte Veeser mit, welche Typen von Nistkästen und welche Anzahl er benötigte, um Ersatz für eine mögliche Fledermauspopulation zu schaffen. So besorgte sich der Backnanger zehn Nistkästen, nachdem die Naturschützer und Planer in Kooperation festgelegt hatten, wo diese aufgehängt werden sollten.

In Backnang existiert eine sehr große Fledermauspopulation.

Doch das Regierungspräsidium als „höhere Naturschutzbehörde“ war mit diesem Gutachten und den daraus resultierenden Ableitungen nicht einverstanden. Es ordnete für das großräumige Umfeld und die Gebäude selbst eine Populationsbestimmung an, die im Frühjahr und Sommer durchgeführt werden musste. Die Ergebnisse dieser Untersuchung liegen inzwischen vor. Danach steht fest: Es gibt eine sehr hohe Fledermauspopulation in Backnang. Tobias Großmann glaubt, dass dies unter anderem mit den Prallhängen der Murr und vielen Leerständen zusammenhängt. Trotzdem erklärte sich die Behörde bereit, eine Ausnahmegenehmigung zum Abriss zu erteilen, allerdings verknüpft mit Nebenbedingungen. Demnach müssen bis März von Fachleuten sechs Großraumnistkästen in der Nachbarschaft und an Bäumen aufgehängt werden. Die Kästen sind laut Großmann bereits bestellt.

Die Ausnahmegenehmigung wurde auch deshalb erteilt, weil ein öffentliches Interesse am Abbruch der Gebäude besteht. So war der Abriss ein Teil des Luftreinhalteplans für die Stadt Backnang. Die bisherige Bebauung wirkte wie ein Sperrriegel für die Frischluftströme im Stadtgebiet. Schon jetzt – obwohl noch nicht alle Mauern eingerissen wurden – hat sich die Schadstoffkonzentration in diesem Gebiet reduziert. Ein weiteres öffentliches Interesse ist, dass durch den Abriss ein städtebaulicher Missstand beseitigt werden könnte. Zu Deutsch: Die Häuser sind in einem schäbigen Zustand und keine Freude fürs Auge. Eigentlich hätte die Stadt auch das Sicherheitsargument dem Regierungspräsidium gegenüber ins Feld führen können. Sie tat es aber nicht, vermutlich aus Sorge, dass eine Reaktion auch hätte lauten können, die Straße zu sperren. Veeser hingegen betont auch diesen Vorteil des Abrisses. Schließlich sind wesentliche Gebäudeteile zur Bahn hin bereits abgebrochen und würden im Falle eines Sturms dem Wind eine gute Angriffsfläche bieten. Im schlimmsten Fall könnten Gebäudeteile auf den Gehweg oder die Fahrbahn stürzen. Nicht zuletzt deshalb ist der Gehweg seit Februar dieses Jahres gesperrt.

Nach dem Abbruch wird die Baulücke auch nicht für immer offen bleiben. Veeser plant eine Bebauung mit Geschäfts- und Wohnräumen. Allerdings nicht mehr als geschlossener Riegel. Großmann beschreibt dies so: „Im Anschluss an den Abbruch wird die Stadtverwaltung gemeinsam mit den Grundstückseigentümern eine stadtklimaverträgliche Bebauung entwickeln, die die Erfordernisse einer guten Durchlüftung des Straßenraums berücksichtigen wird.“

So ärgerlich die Verzögerung für den Bauherrn war, so vorteilhaft könnte sie am Ende für die Stadt ausfallen. Denn Großmann möchte die artenschutzrechtlichen Untersuchungen nicht auf die eine Tierart und nicht auf das eine Projekt begrenzen, sondern für das gesamte Stadtgebiet eine Gesamtkonzeption erstellen. Die geschützten Tiere sollen auch in künftigen Baugebieten Lebensraum finden. So können die jetzt ermittelten Ergebnisse in diese Gesamtkonzeption einfließen. Und wenn in ein paar Jahren beispielsweise die IBA-Projekte umgesetzt werden, stehen die Planer nicht am Punkt null, sondern können bereits auf vielfältige Erfahrungen zurückgreifen.

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Erstellt:
25. Oktober 2020, 15:00 Uhr

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