Abitur 2023 in Baden-Württemberg

Abi-Prüfungen am Zuckerfest – ist das zumutbar?

Abiturprüfungen am Ostersonntag? Undenkbar. Aber am Zuckerfest, einem wichtigen Feiertag für Muslime, finden dieses Jahr Prüfungen statt. Was Muslime und Ministerium dazu sagen.

Prüfungen in Fremdsprachen finden 2023 am ersten Tag des Fest des Fastenbrechens statt.

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Prüfungen in Fremdsprachen finden 2023 am ersten Tag des Fest des Fastenbrechens statt.

Von Lisa Welzhofer

Dass wichtige Prüfungen am 24. Dezember oder an Ostersonntag geschrieben werden, ist undenkbar. Manche muslimischen Schülerinnen und Schüler müssen dieses Jahr allerdings am ersten Tag des Fastenbrechens nach dem Fastenmonat Ramadan in die Abiturprüfung. Das so genannte Zuckerfest beginnt am Freitag, 21. April. An diesem Tag finden beispielsweise an den allgemein bildenden Gymnasien im Land die schriftliche Abiturprüfungen in den Fremdsprachen Italienisch, Portugiesisch und Spanisch statt.

Muhittin Soylu, Vorsitzender der Islamischen Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg (IGBW), die mehr als 100 Moscheegemeinden im Land vertritt, bedauert das. „Ich würde mir wünschen, dass bei der Planung der Abschlussprüfungen aller Schularten die beiden großen muslimischen Feste berücksichtigt werden“, sagt Soylu. Das sei neben dem Zuckerfest das Opferfest, das zweieinhalb Monate nach dem Ramadan stattfindet. Es ist der höchste muslimische Feiertag und wird zum Höhepunkt des Haddsch gefeiert, der Wallfahrt nach Mekka.

Abiturienten verpassen Gebet und Frühstück

Soylu plädiert dafür, zumindest am ersten Tag des viertägigen Zuckerfestes keine Prüfungen anzusetzen. „Der Tag beginnt mit einem Festgebet, danach wird in den Familien traditionell groß gefrühstückt“, sagt Soylu. Das müsse für Prüflinge dann ausfallen. Die Schulabschlussprüfungen wären auch nicht jedes Jahr betroffen, erklärt Soylu, denn die Zeit des Ramadan wandert und hängt vom Mondkalender ab.

Auch die Bildungsgewerkschaft GEW setzt sich dafür ein, dass auf wichtige religiöse Feste aller Religionen in den Schulen Rücksicht genommen wird. Landesvorsitzende Monika Stein sagt: „Das Zuckerfest ist eines der wichtigsten Feste, deshalb sollte in Zukunft möglichst vermieden werden, Prüfungen auf diesen Termin zu legen.“

Diskussionen über das Thema gibt es derzeit auch in Nordrhein-Westfalen. Wegen einer technischen Panne wurde dort der Start des Abiturs vom 19. auf den 21. April verschoben – und damit auf den Beginn des Fastenbrechens. Der Koordinationsrat der Muslime hatte darüber seine „Enttäuschung, Verwunderung und Verärgerung“ ausgedrückt. Abiturienten muslimischen Glaubens werde so die Möglichkeit versperrt, das Fest zum Fastenbrechen in der Moschee oder gemeinsam mit ihrer Familie zu begehen.

Das Kultusministerium Baden-Württemberg weist auf Anfrage darauf hin, dass bei der Festlegung der bundesweit einheitlichen Abiturtermine für Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch auf hohe Feiertage der Weltreligionen Rücksicht genommen wird. „In Baden-Württemberg wird dies bei der Terminierung der Prüfungen in den übrigen Fächern nach Möglichkeit ebenfalls berücksichtigt, das gilt insbesondere für diejenigen Fächer, die von vielen Schülerinnen und Schülern gewählt werden“, sagt eine Sprecherin.

Schüler können sich beurlauben lassen

Weil aber viele Prüfungen zwischen Ostern und Pfingsten untergebracht werden müssten, könnte man nicht ausschließen, „dass einzelne Abiturprüfungen in Fächern mit weniger betroffenen Schülerinnen und Schülern ausnahmsweise auf einen Feiertag einer anderen Religionsgemeinschaft fallen“.

Betroffene Schülerinnen und Schüler könnten allerdings einen Antrag auf Beurlaubung stellen, den die Schulleitung bewilligen muss. „Sie gelten dann als entschuldigt und nehmen am Nachtermin teil.“ Auch für Lehrkräfte gelte: „An jeweils einem Tag der religiösen Feiertage Opferfest, Fest des Fastenbrechens und Aschura haben Beschäftigte islamischen Glaubens das Recht, zum Besuch des Gottesdienstes vom Dienst oder von der Arbeit fernzubleiben.“

Schulpflicht auch im Ramadan

Und wie ist es damit, dass die Vorbereitung aufs Abitur dieses Jahr in die Zeit des Ramadans, also der Fastenzeit fiel, in der gläubige Muslime tagsüber nichts essen und trinken? Das Ministerium betont, dass während des Ramadans weiterhin die „grundsätzliche Schulpflicht“ bestehe. Wenn Kinder und Jugendliche fasten wollten, sei das vom Grundrecht der Glaubensfreiheit gedeckt. „Die Schulleitungen sind aber gehalten, in einem Gespräch mit den Erziehungsberechtigten darauf hinzuweisen, dass eine Gesundheitsgefährdung unbedingt vermieden werden sollte und die Pflicht zur ordnungsgemäßen Teilnahme am Unterricht und an den übrigen verbindlichen Schulveranstaltungen weiterhin besteht“, so die Sprecherin.

Kerim Arpad vom deutsch-türkischen Forum in Stuttgart sagt dazu: „Ich denke, dass es für fastende Schüler und Schülerinnen durchaus möglich ist, gerade in den Mühen des Abiturs auf das Fasten zu verzichten und stattdessen an einem anderen Termin diese Tage nachzuholen.“ Dass Schulen darauf Rücksicht nehmen, hält er nicht für notwendig, da die Fastenzeit aufgrund des Mondkalenders durchs Jahr wandere „und im kommenden Jahr wohl schon nicht mehr die Abiturzeit beeinträchtigen wird“. Er betont aber, dass das seine persönliche Meinung sei, es gebe dazu sicherlich unterschiedliche Haltungen in der deutsch-türkischen Community.

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Erstellt:
21. April 2023, 11:08 Uhr

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