Älteste Backnangerin feiert 102. Geburtstag
Edith Wengert ist die älteste Einwohnerin Backnangs. Über die Jahrzehnte hat sie sich eine positive Ausstrahlung und Gelassenheit bewahrt. Sie sagt: „Wenn es so bleibt, dann bin ich zufrieden“
Von Simone Schneider-Seebeck
Backnang. Edith Wengert freut sich. Niemals würde man denken, dass diese Frau, die da mit sorgsam frisiertem Haar auf der angenehm schattigen Terrasse des Wohnstifts Haus am Berg sitzt, die älteste Einwohnerin Backnangs ist. Zwar sitzt sie im Rollstuhl, doch sei sie noch sehr fit. Und eine Lesebrille brauche sie bis heute nicht, so der Schwiegersohn. Geboren wurde sie am 30. Juni 1920 in der Oberlausitz. Mit zwölf Jahren kam sie mit ihrer Familie nach Backnang. In Waldrems besuchte die junge Edith Böhmig die Schule, arbeitete später im Haushalt der Metzgerei Kühnle, dann bei AEG und Telefunken.
Als ein ganz besonderer Gast zu ihrem Ehrentag die Terrasse betritt, freut sie sich außerordentlich. „Das ist jemand ganz Unbekanntes“, sagt sie und strahlt. Oberbürgermeister Maximilian Friedrich stellt sich vor und überreicht zusammen mit den Geburtstagsglückwünschen einen sommerlichen Blumenstrauß in Backnangs Farben sowie eine Glückwunschkarte.
Diese sieht sich die Jubilarin genau an. „Ganz wunderbar“, meint sie entzückt. „Ich habe mich sehr gefreut“, bedankt sie sich. Und fügt hinzu: „Sie sind ein netter Mensch, das sieht man Ihnen an.“
Geheimtipp fürs hohe Alter:nicht aufregen und gelassen bleiben
Wie man ein so hohes Alter erreicht? Ein wenig liegt es wohl in den Genen, erzählt Edith Wengert. Vater, Bruder und Schwester wurden alle weit über 90. Und Edith Wengerts Tochter Irene Müller meint: „Indem man sich nicht aufregt.“ Tatsächlich hat Backnangs älteste Einwohnerin eine ausgesprochen positive und gelassene Ausstrahlung. Streit sei in ihrer Familie ein Fremdwort gewesen.
Dabei hatte sie es nicht leicht gehabt im Leben. Als junge Frau erlebte sie den Zweiten Weltkrieg mit. Ihren ersten Mann lernte sie während der Kriegswirren kennen, er war aus dem Thüringischen nach Backnang gekommen. Die Suche nach seiner damaligen Frau in der alten Heimat war ergebnislos geblieben, sie sei verstorben, hieß es. So konnte er die junge Edith Böhmig zur Frau nehmen. Doch drei Jahre nach der Geburt der gemeinsamen Tochter der Schicksalsschlag – die erste Frau des Mannes war fälschlich für tot gehalten worden, die Ehe mit Edith Böhmig daher ungültig. Er kehrte 1949 zurück in die DDR, der Kontakt konnte nicht aufrechterhalten werden.
Die Tochter zog Edith Wengert zusammen mit ihren Eltern auf. Mit über 50 fand sie jedoch eine späte Liebe, mit der sie in den 1970er-Jahren in die Schweiz zog. Nach dem Tod ihres Mannes kehrte sie wieder in die Backnanger Heimat zurück und lebt nun seit zehn Jahren im Wohnstift Haus am Berg. Langweilig ist es ihr dort nicht – auf der Station hilft sie noch immer mit. Wie man sagt, sei sie als Erste wach und gehe als Letzte zu Bett.
Gern sieht sie sich Erinnerungsstücke von lieben Menschen an, die sie auf ihrem Lebensweg begleitet haben, und denkt an die guten Zeiten zurück. Das bedeutet ihr sehr viel: „Es ist schön, wenn man so eine schöne Zeit erleben kann.“