Agrarministerkonferenz: Nutztieren soll es besser gehen

dpa Berlin. Eingezwängt in dunklen, stickigen Ställen, auf unbequemem Untergrund und ohne Abwechslung - so sollen Tiere in Deutschland nicht mehr leben müssen. Doch Ställe umzubauen, ist teuer. Woher soll das Geld dafür kommen?

Die artgerechte Haltung von Nutztieren könnte Fleischprodukte teurer machen. Foto: picture alliance / dpa

Die artgerechte Haltung von Nutztieren könnte Fleischprodukte teurer machen. Foto: picture alliance / dpa

Schweine, Kühe und andere Nutztiere sollen mehr Platz und Beschäftigungsmöglichkeiten bekommen - dafür sollen noch vor der Bundestagswahl im Herbst nächsten Jahres konkrete Vorschläge auf den Tisch.

Die Agrarminister der 16 Bundesländer waren sich in Berlin darüber einig, dass die Landwirte für die notwendigen Umbauten Geld bekommen sollen und es ein Instrument zur Finanzierung braucht - zum Beispiel eine Steuer auf Fleisch und andere Tierprodukte.

Dazu sei nun eine Machbarkeitsstudie auf dem Weg, deren Ergebnisse sie im Frühjahr vorstellen werde, kündigte Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) an. Ziel seien Gesetzesvorschläge zum kurz-, mittel- und langfristigen Umbau der Tierhaltung noch in dieser Legislaturperiode.

Die 16 Länderminister stellten sich einstimmig grundsätzlich hinter die Empfehlungen der sogenannten Borchert-Kommission. Experten unter Leitung des früheren Bundeslandwirtschaftsministers Jochen Borchert (CDU) hatten einen Investitionsbedarf von zunächst 1,2 Milliarden Euro jährlich in den Ställen ermittelt und zur Finanzierung als „bestgeeignete Lösung“ vorgeschlagen, tierische Produkte teurer zu machen, etwa über eine Tierwohl-Abgabe genannte Verbrauchssteuer. Aufgelistet wurden in den Empfehlungen aber auch andere Möglichkeiten, etwa eine höhere Mehrwertsteuer auf Tierprodukte oder die Finanzierung aus dem allgemeinen Steueraufkommen.

Die Frage sei jetzt nicht mehr, ob es einen Ausgleich für erhöhte Kosten für die Landwirte geben werde, sondern nur noch, wie genau er umgesetzt werde, sagte der saarländische Umwelt- und Verbraucherschutzminister Reinhold Jost (SPD), der die Sonder-Agrarministerkonferenz zum Thema Tierwohl einberufen hatte.

Jochen Borchert selbst hatte den Ministern die Vorschläge vorgestellt. „Ich glaube, wir sind heute einen großen Schritt weiter gekommen“, sagte er im Anschluss. Kaum jemand habe vor einem halben Jahr geglaubt, „dass wir so schnell mit einer so breiten Basis in die Umsetzung einsteigen“. Die Umweltschutz-Organisation Greenpeace nannte das Ergebnis der Konferenz „erfreulich klar“.

Die Expertenkommission hält eine Tierwohl-Abgabe für besonders geeignet, weil sie eine „klima- und umweltpolitisch gewollte, moderate Lenkungswirkung“ habe und Bürger damit „proportional zu ihrem Verbrauch an tierischen Produkten belastet werden“, wie es in den Empfehlungen heißt. Denkbar wären demnach Aufschläge von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch und Wurst, 2 Cent pro Kilo für Milch und Frischmilchprodukte und 15 Cent pro Kilo für Käse, Butter und Milchpulver. Nach Berechnungen des Agrarministeriums müsste demnach jeder Verbraucher pro Jahr im Schnitt 35,02 Euro mehr bezahlen.

Der Bundestag hatte die Bundesregierung Anfang Juli mit breiter Mehrheit aufgefordert, noch bis zur Wahl 2021 eine Strategie zum grundlegenden Umbau der Tierhaltung mit Vorschlägen zur Finanzierung vorzulegen. Die Corona-Fälle in Schlachthöfen hatten Billig-Fleisch und die Folgen noch einmal stärker in den Fokus gerückt.

Klöckner betonte, dass Fleisch in Deutschland „in der Regel zu billig“ sei. „Ein Tier ist geschlachtet worden für dieses Produkt. Das eignet sich nicht als Ramschware.“ Sie lasse derzeit juristisch prüfen, wie sich verhindern lasse, dass Fleisch als Lockangebot genutzt und zu Dumping-Preisen angeboten werde.

Kommende Woche bei einem Treffen mit den EU-Agrarministern werde es außerdem um ein EU-weites Tierwohl-Kennzeichen gehen, kündigte Klöckner an. Ein solches mehrstufiges Tierwohl-Label für Deutschland hat sie bereits auf den Weg gebracht, allerdings zunächst nur für Schweine, Rinder und Geflügel sollen folgen. Die SPD ist nicht zufrieden: Man werde dem Entwurf in der jetzigen Form nicht zustimmen, sagte die tierschutzpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Susanne Mittag, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Wir brauchen ein verpflichtendes Tierwohllabel auf den Verpackungen. Und dieses muss für alle Nutztiere gelten.“

© dpa-infocom, dpa:200827-99-334008/3

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Erstellt:
27. August 2020, 18:09 Uhr

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