Antisemitische Darstellungen in Schulbüchern auf Prüfstand

dpa/lsw Stuttgart. Der Jude als Affe? Antisemitische Darstellungen waren früher ein Instrument, um Stimmung zu machen. Das zu thematisieren, ist heute wichtig - auch in der Schule. Die Frage lautet: Auf welche Weise?

Thomas Riecke-Baulecke, Leiter des Zentrums für Schulqualität und Lehrerbildung Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat/dpa

Thomas Riecke-Baulecke, Leiter des Zentrums für Schulqualität und Lehrerbildung Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat/dpa

Wie werden Juden in Schulbüchern dargestellt? Wie werden Bilder mit antisemitischem Inhalt eingeordnet? Im Auftrag des Kultusministeriums nimmt das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg das unter die Lupe. In einer Stichprobe soll geschaut werden, ob Darstellungen jüdischen Lebens sowie des Massenmords an den europäischen Juden während der NS-Zeit problematisch sind, wie ZSL-Präsident Thomas Riecke-Baulecke der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart sagte. Vorausgegangen war ein Gespräch mit mehr als 30 Experten unter anderem von Verlagen und dem Zentralrat der Juden.

„Das Thema ist brandaktuell“, sagte der ZSL-Chef und nannte Angriffe auf Rabbiner in München und Berlin als Beispiele. „Das Schulbuch ist ein ganz wichtiges Medium, um sich damit auseinanderzusetzen.“ Zwar glaube er nicht, dass viele problematische Darstellungen gefunden werden, da Verlage die Inhalte schon eingehend prüften, für das Thema hoch sensibilisiert seien und die Schulbuchprüfung seit Jahren hier strengste Kriterien anlege. Aber manchmal komme es auf Details an.

So würden jüdisches Leben und jüdische Kultur in manchen Geschichtsbüchern auf einer Sonderseite gesammelt. „Das mag kleinteilig erscheinen, aber da bekommt das Judentum wieder eine Sonderstellung“, erläuterte der frühere Direktor des Instituts für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein.

Ein anderes Beispiel sei, wenn Juden mit Gesichtszügen, die an Affen erinnern, dargestellt wurden, so Riecke-Baulecke. „Fordert das Schulbuch explizit die kritische Auseinandersetzung mit judenfeindlichen Stereotypen heraus oder wird unterschwellig suggeriert, dass da ein Fünkchen Wahrheit drinsteckt?“

Es komme also sehr auf die Art und Weise der Darstellung an, auf Texte um Bilder und Zeichnungen herum sowie auf die Fragestellungen, die damit verbunden sind, sagte der ZSL-Präsident. Ziel sei es, die Redakteure der Schulbücher noch stärker zu sensibilisieren. Aber das Wissen solle auch für Lehrer nutzbar gemacht werden. So plane das ZSL eine Online-Vortragsreihe zu dem Thema, sagte Riecke-Baulecke.

Solche Probleme anzusprechen ist aus seiner Sicht weit über Antisemitismus hinaus wichtig: „Es ist weltweit Kultur geworden, mit Fake News und Vorurteilen wieder Politik zu machen.“ Die Schulen seien in den vergangenen Jahrzehnten die Orte gewesen, wo in Bereichen Erziehung und Demokratiebildung gegengearbeitet wurde, sagte Riecke-Baulecke. Hier kämen Kinder aller Schichten zusammen.

Allerdings räumte der ZSL-Präsident auch ein: „Schule kann einen gewissen Beitrag zur Kompensation leisten, aber nicht Populismus stoppen.“ Schule könne nicht alles kompensieren und auch nicht für jene politischen Strömungen verantwortlich gemacht werden, die sich vom demokratischen Diskurs distanzieren und zuletzt verstärkt hätten.

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Erstellt:
26. Dezember 2020, 09:13 Uhr

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