Auf den Spuren des Murrhardter Malers Michael Borbély

Durch Zufall gerät der Saarländer Wolfgang Schröder an zwei Werke des Tier- und Landschaftsmalers Michael Borbély. Er macht sich auf die Suche nach dem Urheber und trifft in Murrhardt dessen Witwe.

In ihrem Zuhause in Murrhardt erinnern Rosemarie Borbély zahlreiche Bilder an ihren Mann Michael. Fotos: Stefan Bossow

© Stefan Bossow

In ihrem Zuhause in Murrhardt erinnern Rosemarie Borbély zahlreiche Bilder an ihren Mann Michael. Fotos: Stefan Bossow

Von Lorena Greppo

Murrhardt. Rosemarie Borbély staunte nicht schlecht, als sie im vergangenen Sommer heimkam und in ihren Garten wollte. Denn vor ihrer Tür stand ein Pärchen aus dem Saarland und wollte etwas über ihren vor mehr als 20 Jahren verstorbenen Mann Michael erfahren. Wie kam es dazu?

Wolfgang Schröder hatte vor einigen Jahren zwei Gemälde gefunden, „die sehr naturgetreue Darstellungen der ungarischen Puszta zeigen, eines davon mit einem Hochzeitszug mit Pferdekutschen“, führt der Saarländer aus. Er habe in Erfahrung bringen können, dass der Künstler, ein Michael Borbély, in Murrhardt gelebt haben muss. Auf dem Heimweg aus dem Urlaub, der ihn in die Region führte, beschloss er, in Murrhardt vorbeizuschauen und nachzuhaken. Vonseiten der Stadtverwaltung habe man ihm keine Auskunft geben können. „Offensichtlich ist der Maler dort unbekannt.“ Auch in der städtischen Kunstsammlung, in der alle Murrhardter Künstler verewigt sind, fehle sein Name, berichtet Schröder. Doch konnte er im Internet eine Anschrift in Erfahrung bringen und so führte ihn sein Weg vor das Haus von Rosemarie Borbély. Ihr Mann Michael ist schon vor 21 Jahren gestorben, erzählt sie. „Aber im Haus ist er noch immer allgegenwärtig.“ Davon zeugt eine Vielzahl seiner Bilder. Wie viele es genau sind, könne sie gar nicht sagen. Auch habe sie kein alleiniges Lieblingswerk ihres Mannes, „ich mag alle“.

Dieses Gemälde Borbélys eines Hochzeitszugs hat Wolfgang Schröder erworben und sich auf die Suche nach dem Künstler begeben. Foto: privat

Dieses Gemälde Borbélys eines Hochzeitszugs hat Wolfgang Schröder erworben und sich auf die Suche nach dem Künstler begeben. Foto: privat

Michael Borbély habe nicht nur viel, sondern auch schnell gemalt. „Auch ein großes Bild hat er noch am gleichen Tag fertig gemalt“, sagte seine Frau. Als Grund dafür nannte er, dass das Licht am nächsten Tag anders sei. Wenn er malte, habe er sich wie in einer Trance befunden, „da wollte er keine Störung“.

Mit 17 Jahren von Ungarn nach Stuttgart gezogen

Die Verbindung nach Murrhardt kam vor allem über seine Frau zustande, denn Rosemarie Borbélys Familie kommt aus Waltersberg. Ihr Mann Michael hingegen stammte aus Ungarn, genauer gesagt aus Siebenbürgen. „Schon als Kind wollte er Maler werden“, weiß seine Frau. Michael habe früh mit dem Malen und Zeichnen begonnen. Und eigentlich gefiel ihm das Leben in der ungarischen Kleinstadt, doch Michael Borbély sagte im Gespräch mit unserer Zeitung 1997: „Immer hatte ich eine Unruhe in mir – ich musste weg.“ Als er 17 war, packte er die Gelegenheit beim Schopf, fuhr erst mit einem Lastwagen mit nach Cluj-Napoca (Klausenburg), um dann über Freunde Kontakte nach Stuttgart zu bekommen. Dorthin zog es den Maler schließlich 1939.

Zunächst hätten ihn die vielen Eindrücke und die neue Sprache verwirrt, sagte Borbély rückblickend. Schließlich war er ohne Deutschkenntnisse eingereist. Doch schon bald fand er Anschluss und besuchte die Kunstakademie auf dem Killesberg. Während des Kriegs wurde die Akademie jedoch geschlossen, ihre Mitglieder mussten in der Rüstungsindustrie arbeiten. Im Fall Michael Borbélys hieß das: Er verbrachte seine Tage bei Bosch in Stuttgart und konnte nur an den Abenden ein wenig malen. Die Kriegsjahre inklusive des Beschusses der heutigen Landeshauptstadt hat Michael Borbély als schrecklich erlebt – viele Tote und viel Leid habe er gesehen.

In den 90er-Jahren sind Rosemarie und Michael Borbély nach Murrhardt gezogen.

© Stefan Bossow

In den 90er-Jahren sind Rosemarie und Michael Borbély nach Murrhardt gezogen.

In der Nachkriegszeit, geprägt durch die Besatzung der US-Amerikaner, fing Borbély wieder an zu malen – vor allem Porträts. „Die Amis kauften jeden Mist“, erzählte er. Stolz habe es ihn dennoch gemacht, durch die Gemälde, für die er im Tausch Zigaretten, Schnaps und Lebensmittel erhielt, seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Und bis zu seinem Tod konnte der Tier- und Landschaftsmaler davon leben.

Seiner realistischen Kunst blieb Michael Borbély auch zeitlebens treu. Wie wenig er mit abstrakter Kunst anfangen konnte, zeigt sein Ausspruch aus dem Jahr 1997: „Die abstrakten Künstler wissen doch nach 14 Tagen nicht mehr, was das Bild darstellen soll und wieso sie es auf diese bestimmte Art gemalt haben.“

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Schon bald wurden seine Gemälde auch in Galerien verkauft und sogar gezielt in Auftrag gegeben. Am liebsten malte der gebürtige Ungar seit jeher Landschaften und Menschen in der Landwirtschaft – mit Ölfarben und Spachtel auf der Leinwand. Seine Darstellung von Pferden wird als besonders gut gelobt. Aber auch Porträts, Stillleben und Aktmalereien finden sich von ihm. „Und wenn er keine Lust hatte, hat er Blumen gemalt“, erinnert sich seine Witwe.

In den 70er-Jahren lernte sich das Paar kennen und zog 1995 nach Waltersberg. Als begeisterter Jäger war Michael Borbély schon zuvor häufig zur Jagd in den Schwäbischen Wald eingeladen worden. „Er war mit Leib und Seele Jäger“, erinnert sich seine Frau. Vormittags habe er gemalt, nachmittags sei er auf die Jagd gegangen.

Die Eingewöhnung in Murrhardt war anfangs schwierig

Obwohl ihm die Murrhardter Umgebung daher vertraut war und trotz der Freundschaften, die er knüpfte, hat sich Michael Borbély dennoch nie ganz heimisch gefühlt. „Einen alten Baum verpflanzt man nicht“, erklärt Rosemarie Borbély. Ihr Mann habe den Großteil seines Lebens in Stuttgart verbracht, der Umzug sei ihm daher nicht leichtgefallen. Die Malerei, der er auch im Alter noch nachging, lenke ihn ab. Kurz vor der Jahrtausendwende stellte er seine Werke erstmals in der Alten Abtei in Murrhardt aus. 2003 starb Michael Borbély im Alter von 80 Jahren in Waltersberg.

Nach seinem Besuch in Murrhardt erwarb Wolfgang Schröder noch ein weiteres Werk Michael Borbélys. „Er wollte gerne ein Aktgemälde. Da musste ich erst mal etwas raussuchen“, erinnert sich Rosemarie Borbély. Über WhatsApp habe sie Fotos geteilt und später das Original ins Saarland geschickt. „Da hat er sich riesig gefreut“, sagt sie über Wolfgang Schröder.

Der wiederum würde sich auch sehr freuen, wenn der Künstler Michael Borbély auch einen Platz im Murrhardter Kunstleben finde, sagt er. Doch Rosemarie Borbély ist da skeptisch. Zwar sei sie durchaus bereit, Bilder ihres Mannes zu verkaufen, doch musste sie feststellen: Die jüngere Generation habe nicht mehr das Interesse an den Gemälden. Auch von den Galerien habe sie die Rückmeldung bekommen, dass sich derlei Bilder nicht gut verkaufen würden. So ein kunstinteressierter Besuch aus dem Saarland bleibt daher wohl die Ausnahme.

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Erstellt:
15. Februar 2024, 06:00 Uhr

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