Aus Christbäumen wird Gas und Dünger

Zurzeit holen Entsorgungsbetriebe die Weihnachtsbäume im Landkreis ab – Diese kommen in die Biovergärungsanlage

Weihnachten ist vorbei, das neue Jahr istangebrochen – die Christbäume im Wohnzimmer werden damit überflüssig. Knapp zwei Wochen lang sammeln Angestellte des Murrhardter Entsorgungsunternehmens Schäf Städtereinigung die an den Straßenrändern abgestellten Bäume ein. Diese werden in der Biovergärungsanlage in Backnang-Neuschöntal weiterverarbeitet.

In der Biovergärungsanlage in Neuschöntal werden die Christbäume zuerst kleingehäckselt, bevor sie in den Fermenter kommen. Fotos: A. Becher

© Alexander Becher

In der Biovergärungsanlage in Neuschöntal werden die Christbäume zuerst kleingehäckselt, bevor sie in den Fermenter kommen. Fotos: A. Becher

Von Lorena Greppo

BACKNANG. Roland Wolf und Horst Scheerer sind ein eingespieltes Team. Jeder Handgriff sitzt, sodass sie im Nu eine ganze Straße abgearbeitet haben. Während Wolf geschickt den orangenen Laster zwischen parkenden Autos hindurchmanövriert, wirft Scheerer reihenweise Nadelbäume auf die Ladefläche. Ein Pressschild drückt die Bäume in den Container, sodass wieder Platz für neue Ladung ist. Steht Scheerer wieder sicher auf dem Trittbrett, fährt Wolf weiter bis zum nächsten Ablageort. Das Ganze geht zügig vonstatten, innerhalb weniger Minuten ist ein mehrere Hundert Meter langes Stück zurückgelegt. Die Arbeit ist anstrengender als sonst, sagt Scheerer, denn „das muss ich alles von Hand machen“. Im Schnitt wiegt ein Christbaum etwa zehn Kilogramm. Am schwersten seien die Nordmanntannen, weiß der Fachmann. „Wir sparen uns das Fitnessstudio“, kommentiert er lachend. Bei besonders großen Exemplaren müssen die Männer auch zu zweit anpacken. Einen Baum haben sie sogar stehen lassen. „Der war so groß und schwer, den konnten wir selbst zu zweit nicht aufladen.“

Im ganzen Kreisgebiet sind die Männer der Schäf Städtereinigung Murrhardt unterwegs. Am 8. Januar starteten sie, der letzte Termin ist am 21. Januar in Winnenden. Um 6 Uhr morgens geht es los, bis etwa 15.30 Uhr sind Wolf und Scheerer sowie weitere Kollegen im Einsatz. Das Wetter spielt den Männern an diesem Tag in die Karten, es ist trocken und nicht allzu kalt. „Letztes Jahr waren wir in Alfdorf, als Schnee lag“, erinnern sie sich. Gefrierender Schnee sei für die Entsorgung der Weihnachtsbäume ungünstig. „Dadurch verdoppelt oder verdreifacht sich das Gewicht“, erklärt Scheerer, das strenge natürlich an.

Mehrere Hundert Christbäume lädt Horst Scheerer jeweils an den Tagen der Abholung ein. Die meisten, sagt er, sind vorbildlich abgeschmückt worden.

© Alexander Becher

Mehrere Hundert Christbäume lädt Horst Scheerer jeweils an den Tagen der Abholung ein. Die meisten, sagt er, sind vorbildlich abgeschmückt worden.

Manchmal haben die Mitarbeiter der Firma Schäf auch Zuschauer am Straßenrand, vor allem Kinder sind von den Männern in Orange fasziniert. „Am Kindergarten haben sie fast den Zaun rausgedrückt“, erzählt Scheerer lachend.

Und wie sieht es mit dem Zustand der Bäume aus? Schließlich weist die Abfallwirtschaft Rems-Murr (AWRM) stets darauf hin, dass nur Bäume, die zuvor vom Schmuck befreit worden sind, auch mitgenommen werden. Ein paar schwarze Schafe gebe es immer, sagt Roland Wolf. „Aber zum größten Teil sind sie ganz gut abgehängt.“ In manchen Straßen liegen nur vereinzelte Exemplare zur Abholung bereit, anderswo sind es bis zu 30 Bäume. „Wer eine Holzheizung hat, entsorgt den Baum wahrscheinlich darin“, sagt Scheerer. Grundsätzlich habe er den Eindruck, dass die Menge an Bäumen weniger geworden sei. Mehrere Hundert Stück haben im Fahrzeug Platz, bevor es zur Entleerung zur Biovergärungsanlage nach Neuschöntal muss.

Nadelbaumduft erfüllt die Halle beim Schreddern

Dort wartet bereits Betriebsleiter Albrecht Schick auf die Fahrzeuge. Die Charge, die Wolf und Scheerer abliefern, befindet er für sauber, es hängen kaum Fremdkörper daran. „Manche Bäume sind noch voller Lametta“, sagt er. Bei der Menge, die täglich auf dem Gelände ankommt, habe man aber keine Möglichkeit, diese auszusortieren. Somit kommen auch diese mit in den Schredder. Grundsätzlich seien die Christbäume aber in Ordnung. „Die Leute werden vernünftiger, finde ich.“ Beim Biomüll habe die Problematik ganz andere Ausmaße.

Und noch aus einem weiteren Grund freut sich Schick auf die Weihnachtsbäume: Das Häckseln der Äste setzt ätherische Öle frei, diese verströmen einen Nadelbaumduft, der sogar den Geruch des restlichen Biomülls überdeckt. „So lässt sich’s hier ganz gut aushalten“, sagt er lachend. Für seine Mitarbeiter hingegen sei die Anlieferungszeit der Bäume mit einiger Mehrarbeit verbunden und daher nicht besonders beliebt. Eine Ladung zu verarbeiten, dauert etwa eine Viertelstunde. Das Fahrzeug von Roland Wolf hat 3,35 Tonnen Nadelbaummasse abgeladen. Bei mehreren Chargen aus diversen Kommunen um Backnang herum komme man auf gut zwei Stunden Zusatzarbeit pro Tag. Immerhin: Im Winter sei dafür die Menge an Biomüll überschaubarer als im Sommer. Allerdings könne man etwa 40 Tonnen Biomüll pro Stunde verarbeiten, bei den Weihnachtsbäumen schaffe man in der gleichen Zeit nur etwa ein Viertel dessen, also zehn Tonnen. „Die haben ein anderes Volumen“, erklärt Schick.

Die angelieferten Weihnachtsbäume kommen als Erstes in den Häcksler, das Ergebnis wird über Rollen geleitet, die alle Stücke unter einer Größe von 80 Millimetern nach unten fallen lassen. Größere Stücke müssen noch einmal zerkleinert werden. „Meistens geht die Ladung etwa dreimal durch den Schredder“, erklärt Schick. Der Geruch wird dadurch noch intensiver. „Ein Traum“, findet der Betriebsleiter. Sind die Häcksel ausreichend klein, werden sie gemeinsam mit dem Biomüll in die Vergärungsanlage eingetragen. „Die Masse bleibt etwa 20 Tage im Fermenter.“ Währenddessen entsteht Gas, das wiederum im Blockheizkraftwerk genutzt wird. Die restliche Masse geht in die Entwässerungspresse und wird dann zu Kompost. „Am Endprodukt merkt man keinen Unterschied mehr in der Struktur“, sagt Schick.

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Erstellt:
15. Januar 2020, 06:00 Uhr

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