Backnang verzeichnet mehr Radfahrer dank Schutzstreifen

Die Stadt Backnang hat sich mit zwei Strecken am „Modellprojekt Schutzstreifen“ der Arbeitsgemeinschaft Fahrrad- und Fußgängerfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg beteiligt. Die Ergebnisse überzeugen.

Die Verbindungsstraße zwischen Backnang und Sachsenweiler gehörte zu den beiden Teststrecken für das Modellprojekt. Mit den Ergebnissen ist Volker Knödler sehr zufrieden. Archivfoto: Jörg Fiedler

© Jörg Fiedler

Die Verbindungsstraße zwischen Backnang und Sachsenweiler gehörte zu den beiden Teststrecken für das Modellprojekt. Mit den Ergebnissen ist Volker Knödler sehr zufrieden. Archivfoto: Jörg Fiedler

Von Lorena Greppo

Backnang. Ein paar Markierungen auf der Straße können so viel nicht bewirken. Oder etwa doch? Dieser Frage ist die Arbeitsgemeinschaft Fahrrad- und Fußgängerfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg (AGFK-BW) mit ihrem Modellprojekt Schutzstreifen auf den Grund gegangen. Seit 2019 testeten im Rahmen dessen 26 Kommunen den Einsatz von Schutzstreifen für den Radverkehr. Die Stadt Backnang ist am Modellprojekt mit zwei Außerortsstrecken beteiligt: in der Schöntaler Straße und im Roßlauf. Für Radwege sind an beiden Stellen die Straßen zu schmal.

In der Straße Roßlauf 170 Prozent mehr Radfahrer

Die Ergebnisse, welche nun vorliegen, zeigen überraschende, aber erfreuliche Tendenzen auf. Beispielsweise stieg der Radverkehr in der Schöntaler Straße um 121 Prozent und im Roßlauf gar um 170 Prozent an. „Ich bin positiv überrascht, dass wir nur mit Markierungen eine so deutliche Steigerung bewirkt haben“, sagt Volker Knödler, der städtische Fahrradbeauftragte. In einem Zeitraum von jeweils 72 Stunden wurden vorher und nachher Daten erhoben – etwa die Zahl der Nutzer und wo genau auf der Straße sie fuhren. Trotz der eher kurzen Untersuchungszeiträume hält Knödler die Ergebnisse für aussagekräftig. Das Wetter sei ähnlich gewesen und es habe sich jeweils um Wochentage gehandelt, die nicht in den Ferien lagen. In der Schöntaler Straße sei das Ausgangsniveau mit 19 Radfahrern (später 42) am Tag zwar gering gewesen, im Roßlauf mit vorher 105 und später 283 Radfahrern im Mittel pro Tag sei die Veränderung signifikant. Den neu markierten Schutzstreifen von Sachsenweiler in Richtung Backnang nutzten davon mehr als 120 Personen, während vorher nur wenige auf der Fahrbahn fuhren. Es kam im Untersuchungszeitraum zu keinen kritischen Situationen zwischen Rad- und Kraftfahrzeugverkehr, auch wenn der gesetzliche Überholabstand von zwei Metern nicht immer eingehalten wurde.

Rückmeldung der Verkehrsteilnehmer in Backnang war überwiegend positiv

Folglich verwundert wenig, dass Knödler es als richtigen Schritt bewertet, dass die Stadt Backnang sich am Modellprojekt beteiligt hat. „Ohne das Forschungsprojekt hätten wir das so nicht umsetzen können“, erklärt er. Schließlich wurden nur Strecken außerorts ausgewählt und dort sieht die deutsche Straßenverkehrsordnung die Radfahrspuren bis jetzt nicht vor. Die Rückmeldung der Verkehrsteilnehmer in Backnang sei überwiegend positiv gewesen, so Knödler. Manch ein Autofahrer sei anfangs irritiert gewesen angesichts der Schutzstreifen und Piktogramme. Der Effekt sei aber positiv zu bewerten: „Es hilft auch, ihnen aufzuzeigen: Vorsicht, auf dieser Strecke sind Radfahrer unterwegs.“ Von den Radfahrern wiederum sei gut angenommen worden, dass im Roßlauf unter der Brücke der Schutzstreifen ausgesetzt wurde: „So werden sie nicht an den Rand gedrängt.“ Ein Kritikpunkt sei, dass auf beiden Strecken Tempo 100 erlaubt ist – vor allem im Roßlauf sei dies problematisch, auf der Schöntaler Straße könne man das Tempolimit kaum ausreizen. Die AGFK empfiehlt eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von maximal 70 Kilometer pro Stunde. Man sei aktuell in der Diskussion, auch auf besagten Strecken das Tempolimit herabzusetzen.

In Heilbronn verfünffachte sich das Radverkehrsaufkommen

Das Pionierprojekt zeigt nun: Schutzstreifen können auch außerhalb geschlossener Ortschaften und auf schmalen Kernfahrbahnen ein sinnvolles Instrument für Kommunen sein, um Lücken im Radnetz schnell zu schließen. Auf den meisten Modellstrecken ist das Radverkehrsaufkommen nach der Markierung des Schutzstreifens signifikant gestiegen. Spitzenreiter ist dabei der Außerortsschutzstreifen der Stadt Heilbronn, wo sich das Radverkehrsaufkommen verfünffachte. Das Modellprojekt liefert jetzt also erstmals eine wissenschaftliche Grundlage, um die Regelungen für Schutzstreifen zu überdenken. Hierfür bringt die AGFK Empfehlungen für Einsatzgrenzen und Anforderungen vor. „Die Idee war, dass das Land diesbezüglich eine Allgemeinverfügung erarbeitet“, so Knödler. Oder man formuliere die Voraussetzungen für Ausnahmegenehmigungen und ermögliche den Kommunen so, die Schutzstreifen einzusetzen. „Wir gehen davon aus, dass unsere beiden auch bleiben dürfen“, so der städtische Fahrradbeauftragte.

Geht es nach ihm, soll es nicht dabei bleiben. „Es gibt noch einige Stellen in Backnang, an welchen man sich den Einsatz von Schutzstreifen gut vorstellen kann.“ Ein Beispiel sei die Verbindung zwischen Heiningen und Waldrems oder auch das Streckenstück vom Ortsrand Heiningen bis zum Heininger Kreisel. Für einen Radweg sei auch dort die Fahrbahn zu schmal.

Link Informationen zu den „Modellprojekten Schutzstreifen“, Zugang zu den Abschlussberichten sowie die Liste der teilnehmenden Kommunen finden sich unter https://t1p.de/schutzstreifen.
In Sachen Radverkehr ist einiges geplant

Abgeschlossene Projekte In diesem Jahr ist für Radfahrer einiges verbessert worden. Unter anderem sind die Schutzstreifen für den Radverkehr in der Talstraße fertiggestellt worden. Auch der Knotenpunkt Stuttgarter Straße/Industriestraße mitsamt Radschutzstreifen in sämtliche Richtungen ist ebenfalls noch in diesem Jahr fertig geworden.

Vorhaben In den kommenden Jahren ist in Backnang in Sachen Radverkehr einiges geplant. Vieles davon werde aber erst nach 2023 umgesetzt werden können, erklärt der städtische Fahrradbeauftragte Volker Knödler. „Nächstes Jahr werden vor allem Vorbereitungen getroffen.“ Eine hoffentlich rasch umsetzbare Maßnahme wird hingegen sein, bergauf in der Eugen-Adolff-Straße einen Radschutzstreifen zu markieren.

Planung Laut Volker Knödler stehen in Backnang einige größere, routenbezogene Maßnahmen an.

Die komplette Verkehrsführung der Sulzbacher Straße wird überarbeitet – hinsichtlich des Radverkehrs, aber auch hinsichtlich einer optischen Aufwertung.

In der Maubacher Straße wird sich in den kommenden Jahren einiges verändern. Aktuell sei die bevorzugte Option der Stadtverwaltung, dort eine Fahrradstraße auszuweisen, so Knödler. Eine andere Variante wäre es, den Gehweg auszubauen, sodass dieser auch für Radfahrer nutzbar wird. „Das alles geht aber erst, wenn die B14 nicht mehr über die Maubacher Straße angebunden ist“, erklärt er.

Ebenfalls überarbeitet wird die Ein- und Ausleitung Plattenwaldallee/ Martin-Dietrich-Allee. Hier solle der Radverkehr auf die Fahrbahn gebracht werden, sodass der Gehweg den Fußgängern vorbehalten ist.

Weitere, kleinere Vorhaben sind etwa die Querung an der Brücke am Wasserturm sowie ein paar bauliche Ergänzungen im Bereich des Adenauerplatzes.

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Erstellt:
31. Dezember 2022, 06:00 Uhr

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