Backnang will Klimaschutzprojekte vorziehen

Die Priorität bei Gebäudesanierungen soll sich in Backnang künftig an der CO2-Einsparung orientieren. Doch auf dem Weg zur Klimaneutralität braucht die Stadt auch die Unterstützung der Bevölkerung und der Wirtschaft.

Das Flachdach des städtischen Kindergartens in der Lindenstraße soll saniert und mit einer Fotovoltaikanlage ausgerüstet werden. Ursprünglich war das Projekt erst für 2026 geplant. Nun soll es bereits im kommenden Jahr verwirklicht werden. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Das Flachdach des städtischen Kindergartens in der Lindenstraße soll saniert und mit einer Fotovoltaikanlage ausgerüstet werden. Ursprünglich war das Projekt erst für 2026 geplant. Nun soll es bereits im kommenden Jahr verwirklicht werden. Foto: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Der Weg zur klimaneutralen Stadt ist weit und steinig: Diese Erfahrung muss man zurzeit auch in Backnang machen. Das umfassende Klimaschutzkonzept, das der Gemeinderat bereits vor zwei Jahren auf den Weg gebracht hat, liegt bis jetzt nicht vor und wird wohl auch noch länger auf sich warten lassen. Weil der Bund die beantragten Fördermittel noch nicht bewilligt hat, rechnet die städtische Klimamanagerin Simone Lebherz erst im Sommer 2024 mit den finalen Ergebnissen. Dann soll erstmals eine Treibhausgasbilanz für die ganze Stadt vorliegen, die als Grundlage für die weiteren Maßnahmen zur CO2-Reduzierung dienen soll.

„Wir müssen die großen Brocken jetzt anpacken“

Bis dahin will Lebherz aber auf keinen Fall untätig bleiben. Denn wichtiger als die Frage, in welchem Jahr Backnang klimaneutral wird, sei es, den Ausstoß der Treibhausgase so rasch wie möglich zu reduzieren. „Wir müssen die großen Brocken jetzt anpacken, damit wir schnell von unseren Emissionen herunterkommen“, sagt die Klimamanagerin, die seit Oktober im Amt ist. Deshalb hat die Stadt beim selben Büro, das auch die Klimastrategie erarbeiten soll, eine Vorstudie in Auftrag gegeben, die schon jetzt erste Handlungsfelder aufzeigen soll. Die Ergebnisse präsentierte Lebherz nun dem Gemeinderat.

Unter anderem empfehlen die Gutachter, die Stadt solle bei der energetischen Sanierung ihrer eigenen Gebäude mehr Tempo machen. „Wir müssen als Kommune eine Vorbildrolle beim Klimaschutz einnehmen. Da können wir uns nicht wegducken“, erklärte Lebherz. Die Stadt will deshalb ihre Prioritäten neu bewerten und Projekte, die zu einer hohen CO2-Einsparung führen, vorziehen. Das Gutachten macht dafür auch konkrete Vorschläge: So sollen etwa die Mehrzweckhalle in Sachsenweiler sowie mehrere Kindertagesstätten früher als geplant energetisch saniert werden.

Andere Projekte, die nicht klimarelevant sind, sollen dafür nach hinten geschoben werden. Erster Bürgermeister Stefan Setzer kündigte an, den Haushalt für das Jahr 2024 unter diese Prämisse zu stellen. Auch bei ihren Schwimmbädern will die Stadt den Hebel ansetzen: Laut Kämmerer Alexander Zipf ist man gerade dabei, ein Energiekonzept für das Wonnemar und das Mineralfreibad zu erstellen, mit dem Ziel, den Anteil der regenerativen Energien zu erhöhen.

Stadtwerke sind beim Ausbau des Stromnetzes gefordert

Klar ist allerdings, dass die Stadt das Ziel Klimaneutralität alleine nicht erreichen kann, denn sie kann nur etwa zwei Prozent der CO2-Emissionen direkt beeinflussen. Zu den zentralen Aufgaben der Klimamanagerin gehört es deshalb, die Bevölkerung und auch die Unternehmen zum Mitmachen zu motivieren. Verschiedene Veranstaltungen und Aktionen hat Simone Lebherz deshalb bereits auf die Beine gestellt, unter anderem eine Schritte-Challenge für die Belegschaft der Stadt oder den Regional- und Nachhaltigkeitsmarkt beim Tulpenfrühling.

Im Gewerbegebiet Backnang-Süd will die Stadt zusammen mit den ansässigen Firmen ein Quartierskonzept entwickeln, wie Tobias Großmann, Leiter des Stadtplanungsamtes, berichtete. Dafür haben laut Großmann bereits zwei Treffen mit Firmenvertretern stattgefunden, bei denen zum Beispiel über mögliche Standorte für weitere Fotovoltaikanlagen gesprochen wurde.

Der Gemeinderat unterstützt die Stadtverwaltung bei ihren Bemühungen

Wichtig ist aus Sicht von Stefan Setzer aber auch, dass die Infrastruktur weiter ausgebaut wird, damit das Stromnetz der steigenden Zahl an Solaranlagen überhaupt gewachsen ist. Hier sieht der Erste Bürgermeister die Stadtwerke in der Pflicht, die das Backnanger Stromnetz 2017 von der Syna gekauft haben und seit diesem Jahr auch selbst betreiben.

Der Gemeinderat unterstützt die Stadtverwaltung bei ihren Bemühungen für den Klimaschutz. „Was für ein Tag. Endlich geht es voran“, jubelte Grünen-Fraktionschef Willy Härtner. Auch Vertreter der anderen Fraktionen äußerten sich positiv. Immer wieder war aber der Appell zu hören, die Bürgerschaft transparent zu informieren und einzubinden. Sabine Kutteroff (CDU) glaubt, dass die gestiegenen Energiepreise bereits zu einem Umdenken geführt haben. In diesem Winter habe man gesehen, welche Energieeinsparungen möglich seien, wenn es den Leuten an den Geldbeutel geht. Armin Dobler (SPD) ist davon überzeugt, dass in der Bevölkerung auch die Bereitschaft besteht, in den Klimaschutz zu investieren. „Es gibt viele, die etwas machen wollen, aber das ist nicht immer ganz einfach.“ So sei es in der Praxis teilweise gar nicht möglich, eine alte Heizung auf regenerative Energieträger umzurüsten. Auch die Handwerker seien oft nicht verfügbar.

Klimaneutrale Stadt

Zeitplan Im Gegensatz zu vielen anderen Städten hat Backnang bis jetzt kein Zieljahr definiert, bis zu dem die Stadt klimaneutral werden soll. Stattdessen habe man beschlossen, „das Pferd von hinten aufzuzäumen“, erklärte Oberbürgermeister Maximilian Friedrich. Erst wolle man ermitteln, wie hoch die CO2-Emissionen in Backnang aktuell sind und welche Schritte nötig sind, um klimaneutral zu werden. Erst dann soll der Zeitplan festgelegt werden. Er sei davon überzeugt, dass dies der richtige Weg sei, sagte der OB im Gemeinderat.

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Erstellt:
28. März 2023, 06:00 Uhr

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