Backnanger Baudenkmäler in der Nacht ohne Glanz

Lichter aus, schreibt die erste Stufe der Energieeinsparverordnung des Bundes vor. Aus diesem Grund hat die Stadt Backnang seit Donnerstag die Beleuchtung von historischen Gebäuden vorerst ausgesetzt. Ein eintägiger Weihnachtsmarkt mit dem gewohnten Lichterglanz ist aber möglich.

Die Stiftskirche und der Stadtturm am Mittwoch noch im Scheinwerferlicht. Seit Donnerstag bleiben die Strahler aus. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Die Stiftskirche und der Stadtturm am Mittwoch noch im Scheinwerferlicht. Seit Donnerstag bleiben die Strahler aus. Foto: Alexander Becher

Von Florian Muhl

Backnang. Die Scheinwerfer, die auf Galerie und Stadtturm gerichtet sind, schaltet die Stadt Backnang nachts nicht mehr ein. Auch die Stadtmauer entlang der Wassergasse wird nicht mehr beleuchtet. Und die Kirche schließt sich an: Die Stiftskirche erstrahlt nachts nur noch bei Vollmond. Stadt und Kirche setzen um, was der Bund in seiner Energieeinsparverordnung (richtig: Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen, kurz: EnSikuMaV) vorschreibt (siehe Infokasten). „Das Rathaus wurde ja schon längere Zeit nicht mehr angestrahlt“, sagt Timo Mäule. „Abgeschaltet wird auch die Werbebeleuchtung, das heißt unsere elektronischen Informationstafeln. Auch die Schautafeln, wo die Aushänge drin sind, werden heruntergefahren, auch die beim Bürgerhaus“, so der Leiter des Haupt- und Personalamts in Backnang weiter.

Die Verordnung greift bis zu den Privatleuten

„Die Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung basiert ja auf einem Gesetz, dem Energiesicherungsgesetz – das Unwort des Jahrhunderts, ein Zungenbrecher par excellence – das der Bundestag bereits geändert hat. Jetzt kann die Bundesregierung Verordnungen zur Ausführung dieses Gesetzes erlassen“, erklärt Mäule. Diese jetzt ab Donnerstag gültige Verordnung greife durch bis herunter zu den Kommunen, den Unternehmen und den Privatleuten.

Licht aus und kein Spot an, aber wer genau und wann genau? Gesetzes- und Verordnungstexte sind manchmal schwer zu lesen und zu begreifen. Mäule hat sich mit der Materie auseinandergesetzt und bringt sozusagen Licht ins Dunkel: „Die Verordnung sagt: Kulturveranstaltungen dürfen beleuchtet werden, aber nur, wenn sie kurzzeitig beleuchtet werden. Jetzt ist natürlich die Frage: Was ist kurzzeitig?“, stellt der Amtsleiter die Frage, um gleich nachzuschieben: „Man kann jetzt schon mal festhalten: Kurzzeitig wäre zum Beispiel der Weihnachtsmarkt an einem Tag oder an einem Abend.“ Das heißt: Beim eintägigen Weihnachtsmarkt in Backnang darf die Stadt auch die traditionelle Giebelbeleuchtung anschalten.

Weihnachtsmarkt wird infrage gestellt

Doch bei weiteren Details muss auch Mäule passen: „Ob jetzt Weihnachtsbäume oder Christbäume oder Weihnachtsschmuck von dieser Verordnung betroffen sind bleibt abzuwarten, ob hier der Gesetzgeber noch weitere Maßnahmen vorgibt.“ Aber für Backnang steht schon folgendes fest: „Wir als Stadt werden uns Gedanken machen, ob wir an Weihnachten überhaupt den Lichterschmuck in diesem Ausmaß betreiben werden oder ob nicht auch eine deutlich reduzierte Form des Weihnachtsschmucks ausreichend wäre“, so der Amtsleiter.

Umfrage

Wie finden Sie es, dass die Beleuchtung von öffentlichen Gebäuden eingestellt wird?

563 abgegebene Stimmen

Nebenbei sagt Mäule, dass sich die Stadt auch ganz andere Gedanken bezüglich des Themas Energieeinsparung mache wie beispielsweise mobiles Arbeiten oder Brückentage. So rege die Verordnung Arbeitgeber auch an: „Macht bei Brückentagen euer Büro zu, schickt die Mitarbeiter ins Homeoffice, wo es geht, damit ihr das Gebäude nicht heizen müsst wegen einem Tag.“ Mit einem Blick auf die Landeshauptstadt weist Mäule darauf hin, dass der dortige Oberbürgermeister Frank Nopper überlege, das Rathaus zwischen Weihnachten und Neujahr zu schließen. „Das hätte er hier in Backnang glaube ich nie über die Lippen gebracht“, meint der Haupt- und Personalamtsleiter. Mäule kündigt an, dass im Backnanger Rathaus nicht nur die Raumtemperatur gesenkt wird, sondern dass auch der Energieverbrauch durch einen geänderten Umgang mit EDV-Geräten und Kopierern sowie Beleuchtung angepasst wird.

Wie viel die Stadt durch die Licht-aus-Aktion an Kilowattstunden beziehungsweise an Geld sparen wird, konnte Mäule auf die Schnelle nicht beziffern: „Noch nicht, wir haben jetzt ganz schnell versucht, den Stecker zu ziehen, damit die Scheinwerfer abends nicht mehr leuchten. Wir werden das aber natürlich prüfen.“

Abschaltung der Stadtturmbeleuchtung ist eher ein weithin sichtbares Symbol

„Bezüglich der besagten Gebäude in Backnang kann man mit Sicherheit einen Rückgang des Stromverbrauchs erkennen, wenn nach 22 Uhr die Außenbeleuchtung abgeschaltet wird“, sagt Thomas Steffen auf Anfrage. „Bezogen auf den gesamten Stromverbrauch in der Stadt lässt sich diese Einsparung jedoch nur sehr schwer nachweisen“, so der Geschäftsführer der Stadtwerke Backnang weiter. Wie schätzt er die Maßnahme ein? „Aus meiner Sicht ist zum Beispiel die Abschaltung der Beleuchtung des Stadtturms eher ein weithin sichtbares Symbol und soll alle Bürger zum Einsparen aufrufen. Die Effekte, die durch die Einsparungen bei der Bevölkerung erreicht werden, auch unterstützt durch solche Zeichen, sind um ein vielfaches höher und wichtiger“, sagt Steffen. Auch die Stadtwerke Backnang hätten bereits Mitte Juli mehrere Energiesparmaßnahmen getroffen.

„Wir müssen alles tun, um unsere Energieabhängigkeit zu reduzieren“

„Die Schaufensterbeleuchtungen sind von der Verordnung nicht betroffen“, sagt Martin Windmüller. Der Vorstand des Stadtmarketingvereins Backnang und Sprecher der Geschäftsleute gibt zu bedenken, dass Schaufensterscheiben unter Umständen sehr stark spiegeln können. „Wenn man dann von innen tagsüber kein Gegenlicht setzen würde, dann kann man die ausgestellte Ware nicht mehr sehen. Das wäre rein kommerziell gesehen schlecht, wenn die Schaufensterbeleuchtung ausgeschaltet wäre.“ Windmüller begrüßt die Verordnung: „Wir müssen alles tun, um unsere Energieabhängigkeit zu reduzieren, um politisch nicht erpressbar zu werden.“

Backnanger Baudenkmäler in der Nacht ohne Glanz

„Wir haben ganz den Stecker gezogen, damit die Scheinwerfer nicht mehr leuchten.“

Timo Mäule, Leiter des Haupt- und Personalamts in Backnang.

Weniger Licht in Städten, reduzierte Temperaturen in öffentlichen Räumen

Sparen Der Gas- und Energieverbrauch soll bundesweit sinken. Dafür hat die Regierung zwei Verordnungen erlassen. Die erste ist seit dem 1. September in Kraft. Sie gilt zunächst für ein halbes Jahr – bis zum 28. Februar. Folgende Maßnahmen gibt es (Auszug):

Licht Baudenkmäler und öffentliche Gebäude werden nachts nicht mehr von außen angestrahlt. Notbeleuchtungen dürfen aber weiter brennen. Erlaubt ist auch die kurzzeitige Beleuchtung bei Kulturveranstaltungen und Volksfesten. Leuchtreklamen werden in der Zeit zwischen 22 und 16 Uhr des Folgetages ausgeschaltet. Straßenlaternen bleiben angeschaltet, auch Schaufenster von Geschäften dürfen weiterhin beleuchtet werden.

Heizung In öffentlichen Gebäuden wie Rathäusern, Verwaltungsgebäuden, Bibliotheken und Museen dürfen Büroräume nur noch bis zu einer Raumtemperatur von 19 Grad Celsius geheizt werden. Seither waren mindestens 20 Grad empfohlen. Dort, wo schwere körperliche Arbeit geleistet wird, liegen die Temperaturen künftig noch niedriger. Große Hallen, Foyers und Flure sollen nach Möglichkeit gar nicht mehr beheizt werden. Ausnahme: Krankenhäuser, Pflege- und Behindertenheime, Schulen und Kitas.

Warmwasser Ebenfalls in öffentlichen Gebäuden sollen Durchlauferhitzer oder Warmwasserspeicher ausgeschaltet werden, wenn sie überwiegend zum Händewaschen vorgesehen sind. Ausnahme: medizinische Einrichtungen, Schulen und Kitas. Private Pools dürfen nicht mehr mit Gas und Strom geheizt werden. Ausnahme: Therapiezwecke.

Türen Einzelhandelsgeschäfte müssen ihre Türen geschlossen halten, damit es drinnen in den Ladenräumen warm bleibt.

Fortsetzung Das zweite Regelwerk soll im Oktober in Kraft treten und dann für zwei Jahre gelten.

Zum Artikel

Erstellt:
3. September 2022, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Stadt & Kreis

Die Konfirmandenarbeit hat sich sehr verändert

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Konfirmandenarbeit stark verändert. Beispiele aus der Region zeigen, dass der Unterricht längst nicht mehr als reine Unterweisung mit Auswendiglernen gesehen wird.

Im Café „Base – on the river“ an den Murrtreppen in Backnang weist ein Schild die Gäste auf das Cannabisverbot hin. Foto: Alexander Becher
Top

Stadt & Kreis

Backnang will Kiffen auf dem Straßenfest verbieten

Die Stadtverwaltung in Backnang plant, das Rauchen von Cannabis auf dem Straßenfest zu untersagen. Auch andernorts wird das Kiffen trotz Teillegalisierung verboten bleiben, beispielsweise in Freibädern. Viele Gastrobetreiber wollen keine Joints in ihren Außenbereichen.

Stadt & Kreis

Saskia Esken stellt sich wütenden Fragen in Weissach im Tal

Die Bundesvorsitzende der SPD nimmt auf Einladung des Ortsvereins Weissacher Tal auf dem Roten Stuhl Platz. Die Besucherinnen und Besucher diskutieren mit ihr über die Themen Wohnungsbau, Ukrainekrieg, Verkehr und die Politik der Ampelkoalition.