Backnanger Innenstadt soll Ort der Begegnung werden

Backnang ist als Einkaufsstadt besser aufgestellt als viele andere Mittelzentren. Zu diesem Ergebnis kommt ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Einzelhandelskonzept. Trotzdem will die Stadtverwaltung das Zentrum noch attraktiver machen.

Die Grabenstraße ist die wichtigste Einkaufsstraße in der Backnanger Innenstadt. Die Verwaltung würde hier gerne die Aufenthaltsqualität verbessern. Archivfoto: Jörg Fiedler

© Jörg Fiedler

Die Grabenstraße ist die wichtigste Einkaufsstraße in der Backnanger Innenstadt. Die Verwaltung würde hier gerne die Aufenthaltsqualität verbessern. Archivfoto: Jörg Fiedler

Von Kornelius Fritz

Backnang. Der Trend zum Onlineshopping macht den Geschäftsinhabern in der Backnanger Innenstadt ebenso zu schaffen wie die Konkurrenz durch große Einkaufscenter und Malls auf der grünen Wiese. Zuletzt kam auch noch die Coronapandemie mit mehreren Lockdowns hinzu, die laut Oberbürgermeister Maximilian Friedrich wie ein „Brandbeschleuniger“ gewirkt hat.

Um die Situation der Händlerinnen und Händler vor Ort genauer unter die Lupe zu nehmen, hat der Gemeinderat deshalb zum zweiten Mal nach 2009 ein Einzelhandelskonzept in Auftrag gegeben. Erarbeitet wurde dieses von der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA) in Ludwigsburg. Gerhard Beck von der GMA präsentierte nun im Ausschuss für Technik und Umwelt die Ergebnisse.

Zahl der Leerstände auf niedrigem Niveau

Sein Urteil über Backnang fällt insgesamt positiv aus: „Die Stadt ist ganz gut durch die Coronakrise gekommen und steht im Vergleich zu anderen Mittelzentren immer noch ausgezeichnet da.“ Diese Einschätzung kann der Experte auch mit Zahlen belegen. So ist die Zahl der Leerstände in der Innenstadt auf niedrigem Niveau und seit 2009 auch nicht gestiegen. Außerdem zieht Backnang nach wie vor viel Kundschaft aus dem Umland an, was die sogenannte Zentralitätskennziffer belegt. Sie liegt in Backnang mit einem Wert von 170 weit höher als in vergleichbaren Städten wie Schwäbisch Hall (141) oder Schorndorf (111). Außerdem gebe es in Backnang kaum Sortimentslücken und eine sehr gute Nahversorgung: Abgesehen von den Stadtteilen finden fast alle Bewohner im Umkreis von 800 Metern einen Supermarkt.

Allerdings wäre es aus Sicht des Experten ein Fehler, sich auf diesen Lorbeeren auszuruhen. Denn klar sei auch: „Der Kuchen wird nicht größer, weil der Onlinehandel immer mehr davon für sich beansprucht.“ Das ist auch in Backnang zu spüren: Die Zahl der Geschäfte ist in den vergangenen 14 Jahren von 278 auf 239 zurückgegangen, auch die Verkaufsfläche ist abgesehen vom Lebensmittelbereich gesunken.

Diese Entwicklung ist in nahezu allen Städten zu beobachten und erfordert nach Einschätzung von Gerhard Beck ein Umdenken: „Wir müssen uns von der Idee einer reinen Einkaufsinnenstadt verabschieden. Auf die Nutzungsmischung kommt es an.“ Neben Läden spielten dabei auch Gastronomie, Dienstleister sowie öffentliche und kulturelle Einrichtungen eine immer wichtigere Rolle. Die Innenstadt müsse sich zu einem Ort der Begegnung und der Kommunikation entwickeln. Dieses Ziel verfolgt auch Tobias Großmann, der Leiter des Backnanger Stadtplanungsamts. „Wir wollen die Verweildauer in der Innenstadt erhöhen“, erklärte er. Dabei setzt die Stadt zum Beispiel auf Veranstaltungen wie die geplanten Straßenmusiktage im Sommer, aber auch auf ein attraktiveres Stadtzentrum.

Am Obstmarkt soll eine Markthalle entstehen

Gemeinsam mit den Handelsexperten der GMA wurden sogenannte Schlüsselprojekte definiert. So will die Stadt in den nächsten Jahren unter anderem die untere Marktstraße und den Rathausplatz neu gestalten. Auch im Bereich des Obstmarkts wird sich einiges tun. Die Kreissparkasse will dort ihr Beratungscenter durch einen Neubau ersetzen. In diesem Zusammenhang könnte dort nach Großmanns Vorstellung auch eine Markthalle als „neuer großer Magnet“ entstehen. Auf seiner Agenda steht außerdem das Dauerthema Grabenstraße. Im Gemeinderat gibt es schon seit Jahren die Forderung, die zentrale Einkaufsstraße vom Durchgangsverkehr zu befreien. Dagegen regt sich allerdings Widerstand aus der Händlerschaft. Mit einem moderierten Dialogprozess, der im Mai starten soll, hofft OB Maximilian Friedrich, hier eine einvernehmliche Lösung zu finden.

Wanderrouten sollen bewusst durchs Zentrum führen

Um die City zu beleben, will Tobias Großmann die Innenstadt auch als Freizeitort stärken, indem zum Beispiel Wanderrouten oder touristische Radwege bewusst durchs Zentrum geführt werden. Außerdem sollen künftig auch wieder mehr Menschen im Stadtzentrum wohnen. Das Projekt Kronenhöfe in der Eduard-Breuninger-Straße mit 44 hochwertigen Wohnungen war ein erster Schritt auf diesem Weg.

Auch aus den Reihen des Gemeinderats gab es noch einige Anregungen für eine attraktivere Innenstadt. So vermisst etwa Meike Ribbeck (Christliche Initiative Backnang) für Familien einen Kinderspielplatz mit Café. Heinz Franke (SPD) regte ein Innenstadtshuttle an, das etwa Marktbesucher mit schweren Einkaufstaschen zu ihrem Parkplatz oder an die Bushaltestelle bringt. Außerdem forderte er erneut Ersatz für den gesperrten Murrsteg: „Die Bevölkerung will diese Brücke wiederhaben.“

Kommentar
Rechtzeitig handeln

Von Kornelius Fritz

Es stimmt: Im Vergleich zu anderen Städten ähnlicher Größe steht der Einzelhandel in Backnang gut da. Bei der sogenannten Zentralitätskennziffer, die Auskunft darüber gibt, wie viel Kaufkraft die Stadt von außen anzieht, steht Backnang hinter Sindelfingen sogar auf Platz zwei in der Region Stuttgart.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass diese Umsätze zu großen Teilen in den Einkaufsmärkten außerhalb der Innenstadt gemacht werden. Im Zentrum haben dagegen in den vergangenen Jahren etliche traditionsreiche Geschäfte geschlossen: Radio Burgel, Schuh Boss oder das Gardinen- und Teppichhaus Remmele sind nur einige Beispiele. Die Stadt tut deshalb gut daran, diesem Trend möglichst frühzeitig etwas entgegenzusetzen. Das neue Einzelhandelskonzept gibt dafür wertvolle Empfehlungen. Einige davon standen allerdings auch schon im Gutachten von 2009. Hoffentlich werden sie nun endlich umgesetzt.

k.fritz@bkz.de

Kundenbefragung

Umfrage Für das Einzelhandelskonzept hat die GMA in Backnang auch eine Kundenbefragung durchgeführt, an der sich mehr als 500 Personen online und bei einer Aktion vor Ort beteiligten. Gefragt wurde unter anderem, welche Waren die Kunden bevorzugt in der Innenstadt kaufen und welche lieber woanders. Besonders stark ist die Innenstadt demnach bei den Sortimenten Optik und Hörgeräte (81 Prozent), Drogerie- und Parfümeriewaren sowie Bücher und Schreibwaren (jeweils 74 Prozent).

Lob und Kritik Auf die Frage, warum sie gerne in die Backnanger Innenstadt kommen, war die häufigste Antwort der Befragten, dass man hier mehrere Erledigungen miteinander verbinden kann. Gelobt wurden auch die angenehme Einkaufsatmosphäre und das gastronomische Angebot. Hauptkritikpunkte waren das zu geringe Warenangebot und schlechte Parkmöglichkeiten.

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Erstellt:
26. April 2023, 06:00 Uhr

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