Baupreise und Lieferengpässe trüben den Traum vom eigenen Haus

Wegen gestörter internationaler Handelsströme können Liefertermine für Baumaterialien nicht eingehalten werden und die Baupreise sind in die Höhe geschossen. Mit solchen Unwägbarkeiten haben Häuslebauer zu kämpfen. Auch Baufirmen können kaum verlässlich kalkulieren.

Lisa Ebinger und Tobias Lachnitt investieren sehr viel Eigenleistung in ihr Haus, das sie in renovierungsbedürftigem Zustand gekauft haben. Gestiegene Preise für Baustoffe und nicht verfügbares Baumaterial machen ihnen zu schaffen. Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Lisa Ebinger und Tobias Lachnitt investieren sehr viel Eigenleistung in ihr Haus, das sie in renovierungsbedürftigem Zustand gekauft haben. Gestiegene Preise für Baustoffe und nicht verfügbares Baumaterial machen ihnen zu schaffen. Foto: Tobias Sellmaier

Von Nicola Scharpf

Rems-Murr. Dass sie auf ihrer Baustelle Eigenleistung erbringen, war für Tobias Lachnitt und Lisa Ebinger von Anfang an klar. Dass sie aber so viele Bauarbeiten selbst erledigen würden, wie sie es in den zurückliegenden zwei Jahren getan haben, das ahnten die beiden nicht, als sie ein renovierungsbedürftiges Haus in Aspach kauften und im September 2020 übernahmen. Die Preise für Baumaterial schossen in die Höhe – sofern das benötigte Material überhaupt verfügbar war. Auch die Löhne für Handwerker gingen nach oben – sofern der benötigte Handwerker überhaupt verfügbar war. Also hat sich das Paar von manch ursprünglichem Gedanken verabschiedet und viel, sehr viel an den Feierabenden, an Samstagen, Sonntagen, Feiertagen selbst Hand angelegt. Lachnitt und Ebinger haben Rohre für die Fußbodenheizung gehamstert, Abwasserrohre in mehreren Baumärkten in der näheren und weiteren Umgebung zusammengesammelt, haben Wände herausgerissen, Putz und Fliesen von den Wänden abgeschlagen, waren wegen der Nachfinanzierung bei der Bank, weil die eigentlich gute Kalkulation aufgrund versteckter Mängel im Haus und der explodierenden Preise nicht mehr aufging. „Irgendwann rechnest du nicht mehr“, sagt der 34-Jährige und winkt ab. Viele Nerven und gute Nerven haben sie in der Renovierungszeit gebraucht, sagt die 31-Jährige. „Manchmal sitzt du da und denkst: Für was?“, berichtet Lachnitt von den Durchhängermomenten. Aber jetzt, da zwei Drittel der Bauarbeiten an ihrem Haus erledigt sind, sagen sie sich: „Zum Wiederverkaufen ist es zu spät.“ Ihren Zeitplan haben sie über den Haufen geworfen. Die Fenster kamen mit vier Monaten Lieferverzögerung. Kabelkanäle und Sicherungskästen waren nicht zu haben, als die Elektroarbeiten eigentlich anstanden. Im Moment hängt es am nicht verfügbaren Gips. Und so viel in Eigenleistung zu erbringen kostet auch Zeit. Ebinger würde gerne vor Weihnachten einziehen, ihr Partner hält den Termin für nicht realistisch.

Bauprojekte werden auf Vertrauensbasis abgewickelt

Mit solchen Unwägbarkeiten kämpfen Häuslebauer landauf, landab. Auch die Bauunternehmen können kaum verlässlich kalkulieren. Jörg Bauer beispielsweise, der in Backnang die Firma „Mein Bauer Haus“ leitet, sagt, dass er seinen Kunden keine festen Preisangebote mehr, sondern nur grobe Schätzungen macht und dass er auch keinen Einzugstermin nennt. „Zwischen Vertragsabschluss und Baubeginn vergehen sechs bis neun Monate.“ Seine Bauprojekte würden derzeit auf Vertrauensbasis abgewickelt. „Die Leute müssen vertrauen und tun es auch. Sie müssen ja froh sein, wenn sie überhaupt einen Fachmann bekommen.“

Die aktuelle Lage in seiner Branche bezeichnet er als Riesenchaos. Beispiel Materialbestellung: Die Händler würden sagen, man müsse mit viel Vorlauf bestellen. Dann sei das Material plötzlich auf der Baustelle, obwohl es erst acht Wochen später hätte kommen sollen. „Das muss dann bezahlt werden und belastet das Girokonto. Und wo lagern?“ Wobei Bauer froh ist, dass er das benötigte Material immer bekommen habe – wenn auch deutlich teurer als sonst und mit höherem Zeitaufwand bei der Beschaffung. Explodiert seien zudem die Baunebenkosten, die laut Bauer 23 Prozent der Baukosten ausmachen. „Das ist Irrsinn.“ Verschärfte Auflagen und zusätzliche Vorschriften würden Wohnraum teurer machen. Beispiel Energetik: Die hohen Energiepreise rücken neben der direkten Wirkung in Form von höheren Preisen für Transport- und Herstellungskosten von Baustoffen die Gebäudeeffizienz mehr in den Vordergrund. Höhere energetische Standards lassen die Baupreise aber weiter steigen. Lüftungsanlage, Klimaanlage, Heizung: „Alle Anlagen müssen eingebaut und gewartet werden. Das ist nicht mehr bezahlbar“, sagt Bauer. „Der Traum vom Haus geht verloren.“

Heute gelten Tagespreise, wo früher Preise für das ganze Jahr festlegt waren

Erste Anzeichen, dass sich manch einer von seinen Eigenheimträumen verabschiedet, sind vorhanden: Jürgen Feil, Gründer und Seniorchef des Weissacher Fertighausherstellers Talbau-Haus, berichtet, dass die Anzahl der Verkaufsgespräche aktuell geringer geworden ist als es noch in den ersten vier bis fünf Monaten dieses Jahres der Fall war. Die KfW-Förderung für energieeffiziente Gebäude sei Ende Januar eingestellt worden, die Bauzinsen gingen in die Höhe, im Sommer gebe es ohnehin eine gewisse Flaute: „Das merken wir schon. Aber man muss auch mal mit weniger zurechtkommen. Wir haben zuletzt so gut verkauft.“ Aufgrund der hohen Vorfertigung im Betrieb sind bei Talbau die Bauzeiten kürzer. Die Materialverfügbarkeit sei wegen langer Vorlaufzeiten nicht so das Problem, sagt Feil. Die Materialpreise dagegen schon: „Am krassesten waren die Preise beim Holz.“ Konstruktionsvollholz ist für den Fertighaushersteller einer der wichtigsten Baustoffe. Anfang 2021 habe der Kubikmeter 300 Euro gekostet, um im Laufe des Jahres auf bis zu 800 Euro hochzuschnellen. Inzwischen habe sich der Preis bei 500 Euro eingependelt. „Man wird bei keinem Baustoff mehr da hinkommen, wo man Anfang 2021 war. Dass wir das nicht schlucken können, ist klar.“ Wo früher Lieferanten Preise für das ganze Jahr festgelegt haben, würden heute tagesaktuelle Preise gelten. Einen Festpreis nennt Talbau seinen Kunden dennoch weiterhin, allerdings zeitlich begrenzt. Das Bauunternehmen, das im Jahr 50 bis 60 Häuser fertigt, versuche, moderat bei den Aufschlägen fürs Haus zu sein und gleichzeitig den Markt im Blick zu haben. Es werde vermehrt an anderer Stelle eingespart, beobachtet Feil. „Zum Beispiel, dass man den Keller weglässt.“ Der Aushub, die Entsorgung der Erde, Deponiegebühren, das Baumaterial für den Keller, all das entfalle. „Die Menschen bauen kostenbewusster.“ Bisher sei es in nur einem Fall vorgekommen, dass ein Kunde von einem bereits abgeschlossenen Vertrag zurückgetreten sei.

Die Bauzinsen sind flächendeckend auf mehr als drei Prozent gestiegen

Erschwerend kommt zur Entwicklung der Baupreise die rasante Zinsentwicklung hinzu. Während vor ein paar Monaten noch zehnjährige Baufinanzierungen für weniger als ein Prozent möglich waren, sind die Bauzinsen inzwischen flächendeckend auf mehr als drei Prozent gestiegen. Jürgen Beerkircher, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Backnang, sieht bei den Kunden zwar den Bedarf der Nachfinanzierung ihrer Bauprojekte, „aber nicht so ausgeprägt wie man es vermuten könnte“. In den vergangenen vier bis sechs Wochen sei allerdings ein Rückgang bei den Finanzierungsgesprächen festzustellen. Das Angebot an Wohnraum sei zwar nach wie vor geringer als die Nachfrage nach selbigem. Doch die Immobilienangebote würden in den entsprechenden Portalen länger aufgeführt bleiben. Auch gebe es keine jährlichen Preissteigerungen von fünf bis zehn Prozent mehr – allerdings auch keine Preisrückgänge. Beerkircher spricht von einer Stagnation.

Wohnmarktbericht für Stuttgart und den Rems-Murr-Kreis

Hürden Der Höhepunkt am Immobilienmarkt ist nach Ansicht der Volksbank Stuttgart, die den Wohnmarktbericht für Stuttgart und den Rems-Murr-Kreis veröffentlicht hat, überschritten. Stattdessen durchkreuzen steigenden Bauzinsen, hohe Preisaufschläge bei Baumaterialien und gestörte Lieferketten so manches Bauvorhaben und führen dazu, dass die Hauspreise nicht mehr steigen.

Stabile Preise Aktuell sind die Preise in der Region Stuttgart noch weitgehend stabil. Allerdings ist flächendeckend festzustellen, dass die Zeitdauer für die Vermarktung von Objekten steigt. „Nach meiner Erfahrung sind dies erste Vorboten einer Normalisierung und nachlassender Nachfrage“, sagt Jürgen Schäfer, Geschäftsführer der Volksbank Stuttgart Immobilien.

Angebot steigt Angesichts immer knapper werdender Mittel verabschiedet sich so mancher Interessent von seinem Bauvorhaben. Aber auch Kapitalanleger halten sich zurück. „Bei dieser Gruppe reicht die Mietrendite nicht aus, um die Ausgaben für Kreditzinsen zu decken geschweige denn einen Überschuss zu erzielen“, so Schäfer. Auch wenn es noch insgesamt einen Nachfrageüberhang gibt, nimmt dieser ab, während das Angebot an Immobilien steigt. Eigentümer, die auf weiter steigende Preise gehofft haben, gehen jetzt den Verkauf an, um noch einen guten Preis für ihr Objekt zu erzielen.

Zuzug aufs Land Der durch die Pandemie ausgelöste Trend zum Wohnen auf dem Land hält weiterhin an. Die Ausweitung des Homeoffice und die niedrigeren Immobilienpreise in ländlichen Gegenden begünstigen diesen Trend.

Große Differenzen Wie groß die Differenz zwischen Stadt und Land ist zeigen einige ausgesuchte Zahlen: Der durchschnittliche Preis für ein Haus in Stuttgart lag bei 930000 Euro,

in der Region Sulzbach an der Murr bei 390000 Euro und in Fellbach bei 650000 Euro. Bei Mietangeboten reicht die Spanne von durchschnittlich 15,20 Euro pro Quadratmeter in Stuttgart über zwölf Euro in Fellbach bis 8,10 Euro in den Regionen Alfdorf und Murrhardt.

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Erstellt:
15. August 2022, 06:00 Uhr

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