Beim Shopping den Überblick verloren
Das Betrugsverfahren gegen eine 28-Jährige nach Selbstanzeige wird wegen geringer Schuld eingestellt.

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Rechnungen und Mahnungen für bestellte Kleidung ignoriert. Symbolfoto: P. King/Pixabay
Von Jutta Rieger-Ehrmann
Backnang. Betrug in sechs Fällen lautet der Vorwurf: Der Angeklagten wird am Amtsgericht Backnang zur Last gelegt, in den Jahren 2020 und 2021 Waren im Wert von einigen hundert Euro angefordert zu haben, teilweise unter anderem Namen und falschen Angaben zur Zahlungsfähigkeit. Bestellt wurden hauptsächlich Kindersachen und Bekleidung. Die junge Frau und zweifache alleinerziehende Mutter ist ohne anwaltlichen Beistand erschienen und sagt ausführlich zu den Vorgängen und ihren persönlichen Verhältnissen aus.
Sie bestätigt die Vorhaltungen des Staatsanwaltes. Sie habe sich selbst „total überschätzt und die Situation vollkommen unterschätzt“. Mehrfach betont sie, dass sie „komplett den Überblick verloren“ habe. Manches wurde bezahlt, einiges zurückgeschickt, vieles jedoch nicht. Rechnungen und Mahnungen wurden „einfach weggepackt“, in der Hoffnung, später alles regeln zu können. Abends sei sie oft zu erschöpft gewesen, um nach der Berufs- und Familienarbeit ihre Angelegenheiten zu ordnen und zu erledigen. So sei ihr alles zunehmend über den Kopf gewachsen und sie habe sich schließlich selbst angezeigt, um „reinen Tisch“ zu machen.
Die 28-Jährige macht einen ruhigen und gefassten Eindruck, die Selbstanzeige wirkt jedoch wie ein Hilferuf. Als sie Sozialleistungen vom Jobcenter erhalten habe, ging es ihr noch gut, so die Angeklagte weiter. Es wurde alles bezahlt: Miete, Strom, Kindergarten, bis hin zu den Müllmarken, sie musste sich um nichts kümmern. Die Probleme haben erst so richtig angefangen, als sie ihre Arbeit im erzieherischen Bereich wieder aufnahm. Dies habe sie sich ganz anders vorgestellt. Sie hoffte, dadurch unabhängiger zu werden und mehr Geld zur Verfügung zu haben. Das Gegenteil war der Fall. Von ihrem „Ex“ wird sie nur wenig entlastet, etwa was die Kinderbetreuung angeht. Auch die Unterhaltszahlungen erfolgen nicht regelmäßig. So wurde es immer schwieriger, Berufstätigkeit und Familie zu vereinbaren. Und damit nicht genug. Der jüngere Sohn hat gesundheitliche und psychische Probleme, sie selbst auch. Sie habe zwar versucht, psychologische Hilfe zu bekommen, doch die Wartelisten sind lang.
Die Finanzen sind nach wie vor ungeklärt, sie habe jetzt Unterhaltsvorschuss und Wohngeld beantragt und sei mit der Schuldnerberatung im Gespräch: „Alleine komme ich nicht weiter.“ Zudem soll über das Jugendamt eine Regelung in Bezug auf das Umgangsrecht und die damit verbundenen Pflichten des Vaters gefunden werden. Vor diesem Hintergrund fällt es dem Richter sichtlich schwer, die Angeklagte zu verurteilen. Wichtig sei, dass „sie wieder auf die Schiene“ komme. Somit ergeht der Beschluss, das Verfahren vorläufig einzustellen. Die kriminelle Energie sei gering und der Wille, alles in Ordnung zu bringen, vor allem durch die Selbstanzeige deutlich geworden. Staatsanwalt und Angeklagte sind einverstanden. Letztere erhält die Auflage, innerhalb eines halben Jahres einen Termin bei der Schuldnerberatung wahrzunehmen.