Bordellchef räumt Zwangsprostitution ein

Nach fast einem Jahr gibt Jürgen Rudloff eine Erklärung ab – Von der Misshandlung der Frauen will er erst im Prozess erfahren haben

Stuttgart Fast ein Jahr lang schwieg er zu den Vorwürfen wegen Menschenhandels und Zwangsprostitution im Bordell Paradise. Nun trat dessen Chef Jürgen Rudloff mit seinen drei Verteidigern die Flucht nach vorne an. Er verlas am Freitag vor dem Landgericht Stuttgart eine Erklärung, in der er im Wesentlichen die Anklagepunkte einräumte. Vor der 7. Strafkammer legten an diesem Tag auch sein mitangeklagter Steuerberater und sein Marketingchef Geständnisse ab.

Die drei Männer und ihre Verteidiger waren unter Druck geraten, nachdem ein vierter Mitangeklagter im Dezember sein Schweigen gebrochen und umfassend gestanden hatte. Dafür kam der ehemalige Geschäftsführer des Bordells mit einer zweijährigen Strafe auf Bewährung davon.

„Ich habe die Augen verschlossen vor der Härte der Männer, mit denen ich mich umgeben habe“, erklärte Jürgen Rudloff. Doch es sei wichtig gewesen, „Kontakte ins Milieu zu haben, um möglichst viele attraktive Damen zu bekommen“. Von „Lebenswerk“ war weiter die Rede und von dem Plan, mit der Paradise-Gruppe das Prostitutionsgewerbe von Grund auf verändern zu wollen. In dem 2008 in Leinfelden-Echterdingen eröffneten Großbordell sind Frauen der Anklage zufolge genötigt, misshandelt und ausgebeutet worden. Mitglieder der Rockerbanden Hells Angels sowie United Tribuns brachten die teilweise unter 21-Jährigen ins Bordell und ließen sie dort unter Drohungen und Schlägen für sich arbeiten.

Rudloff, Betreiber mehrerer solcher Betriebe unter anderem auch in Frankfurt und Graz, versicherte, erst im Gerichtsverfahren von Misshandlungen der Frauen erfahren zu haben. „Keiner meiner Mitarbeiter hat jemals etwas dazu erwähnt, da wäre ich massiv eingeschritten“, versuchte er, die Prozessbeteiligten zu überzeugen.

Oberstaatsanwalt Peter Holzwarth zeichnete ein anderes, brutales Bild: Ein United-Tribuns-Zuhälter habe eine Frau mit einem Duschkopf blutig geschlagen – um sich Respekt zu verschaffen. Eine andere Frau sei von ihrem „Beschützer“ brutal misshandelt worden. Sie habe schwere Verletzungen davongetragen. Drohungen seien an der Tagesordnung gewesen. Mehrere Frauen seien gezwungen worden, sich den Namen ihres Zuhälters auf Schenkel, Brust, Bauch oder Unterarm tätowieren zu lassen.

Von alledem will auch der Marketingchef zunächst nichts gewusst haben. „Ich war in meinem Büro im fünften Stock, da hatte ich nur wenig Kontakt zu den weiblichen Gästen“, lässt der 52-Jährige wissen. Er empfindet sich nicht als Täter, gleichwohl räumte er ein, nach und nach herausgefunden zu haben, welche Gruppen am Werk waren.

Neben Menschenhandel, Zuhälterei und Rotlichtdelikten wirft die Staatsanwaltschaft Rudloff, dem Marketingchef und seinem Steuerberater zudem Betrug in Millionenhöhe vor. In einer Art Schneeballsystem hat der seit über einem Jahr in Untersuchungshaft sitzende Hauptangeklagte nach Überzeugung der Anklage Investoren und private Darlehensgeber gewonnen. Statt die insgesamt rund drei Millionen Euro in neue Projekte zu investieren und alsbald, wie den Investoren zugesagt, mit der Rückzahlung der Darlehen und einer erheblichen Verzinsung zu beginnen, soll Rudloff den größten Teil des Geldes für private Zwecke abgezweigt haben. Mit gesetzten Worten räumte er dies am Freitag ein.

Geholfen hatte ihm bei diesen Geschäften sein bereits vorbestrafter Steuerberater. „Ja, es wurden Zahlen geschönt und Unternehmensgewinne in Aussicht gestellt, die ich selbst für nicht realistisch hielt, dennoch habe ich das den Investoren nicht mitgeteilt, weil ich den Vertragsabschluss nicht gefährden wollte“, erklärte der 71-Jährige im gut gefüllten Gerichtssaal.

Den Rahmen der zu erwartenden Strafen hatten Strafkammer und Staatsanwaltschaft bereits im Dezember abgesteckt. Für den Oberstaatsanwalt kommt eine Strafe unter fünf Jahren für Jürgen Rudloff nicht infrage. Die Strafkammer schlug einen sogenannten Strafrabatt von bis zu einem Drittel vor, vorausgesetzt, die verbliebenen drei Angeklagten legen „qualifizierte Geständnisse“ ab. Dazu rangen sie sich nun nach mehr als 50 Verhandlungstagen durch.

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Erstellt:
9. Februar 2019, 03:04 Uhr

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