Richterwahl

Brosius-Gersdorf: Wer ist „Plagiatsjäger“ Stefan Weber?

Textübereinstimmungen zwischen Frauke Brosius-Gersdorfs Dissertation und der Habilitation ihres Ehemanns torpedieren ihre Wahl. War es Betrug oder eine „Schmutzkampagne“?

„Plagiatsjäger“ Doz. Dr. Stefan Weber lebt und arbeitet in Salzburg.

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„Plagiatsjäger“ Doz. Dr. Stefan Weber lebt und arbeitet in Salzburg.

Von Michael Maier

Die geplante Wahl der umstrittenen Juristin Frauke Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin wurde am Freitag kurzfristig von der Tagesordnung des Bundestags genommen. Grund dafür waren unter anderem die Vorwürfe des österreichischen „Plagiatsjägers“ Stefan Weber, der am Donnerstagabend auf seinem Blog mutmaßliche „Textübereinstimmungen“ zwischen ihrer Dissertation und der Habilitation ihres Ehemanns Hubertus Gersdorf veröffentlicht hatte.

Die Rede war bei Weber von „Collusion in der Wissenschaft“, was sich auf eine mögliche unerlaubte oder intransparente Zusammenarbeit bei Texten bezieht. Anders als die CDU/CSU meine, habe er jedoch keinen „Plagiatsvorwurf“ erhoben, so Weber.

Zuerst die Doktorarbeit, dann eine Habilitation

Bei genauerer Betrachtung zeigt sich ein komplexes Bild. Brosius-Gersdorfs Dissertation erschien bereits 1997, während die Habilitation ihres Mannes erst im Jahr 2000 veröffentlicht wurde. Weber selbst betont inzwischen, dass er lediglich Textparallelen dokumentiert habe.

Der Luxemburger Plagiatsexperte Jochen Zenthöfer warnt gegenüber Medien explizit vor falschen Schlussfolgerungen: „Normalerweise ist es immer so: Gibt es Textidentitäten, ist die früher erschienene Arbeit sauber, denn diese Arbeit war zuerst da.“

„Plagiat“ von Brosius-Gersdorf?

Weber sieht für die gefundenen Übereinstimmungen, die etwa 17 Prozent des Gesamttextes betreffen sollen, drei mögliche Erklärungen:

  • Prof. Hubertus Gersdorf könnte von seiner Frau abgeschrieben haben
  • Prof. Brosius-Gersdorf könnte von ihrem Mann abgeschrieben haben
  • Beide könnten zusammengearbeitet haben, ohne dies in den Vorworten anzugeben

Belegt ist, dass beide Arbeiten zeitlich parallel entstanden. Brosius-Gersdorfs Dissertation lag dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg im Sommersemester 1997 vor, während Gersdorfs Habilitation dem gleichen Fachbereich im Sommersemester 1998 vorgelegt wurde und auf dem Stand von November 1997 war.

Sollte es offiziell gemeinsame Vorveröffentlichungen der beiden Autoren gegeben haben, wären die „Textüberschneidungen“ unter Umständen kein akademisches Fehlverhalten, heißt es.

Kritik an „Plagiatsjäger“ Stefan Weber

Weber ist dafür bekannt, seine Untersuchungsergebnisse gezielt dann zu veröffentlichen, wenn bei den betroffenen Personen wichtige Karriereschritte anstehen. So erhob er in der Vergangenheit auch Vorwürfe gegen Annalena Baerbock, Robert Habeck und zuletzt gegen Bundeskanzler Friedrich Merz. Vor allem bei Baerbock blieb etwas hängen, obwohl es in ihrem Fall keine wissenschaftliche Arbeit war, sondern lediglich ein Sachbuch.

Weber hat klargestellt, dass er im Fall Brosius-Gersdorf keinen Auftraggeber hatte, sondern angeblich „ehrenamtlich“ tätig wurde. Einen sonderlich sympathischen Eindruck macht der promovierte Dozent und Kommunikationswissenschaftler aus Österreich in seinen Video-Auftritten nicht unbedingt – allerdings ist er in der Wissenschaft und im öffentlichen Leben weithin gefürchtet.

Weber jagte schon Guttenberg und Schavan

Etliche Persönlichkeiten verloren durch Weber schon ihren Doktortitel. Auch in den peinlichen Fällen von Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor von und zu Guttenberg und von Ex-Bildungsministerin Annette Schavan (beide CDU) hatte er seinerzeit mitgemischt.

Die Unionsfraktion begründete die Verschiebung der Wahl nun damit, dass „die Kandidatin über jeden juristischen Zweifel erhaben“ sein müsse, was mit den neuen Vorwürfen infrage gestellt sei. Die beiden betroffenen Professoren werden zu den Textübereinstimmungen noch Stellung nehmen müssen.

Beharrt die SPD auf Brosius-Gersdorf?

Gerade an der juristischen Fakultät hängen die Ansprüche an die akademische Redlichkeit noch etwas höher als vielleicht bei den Philosophen à la Robert Habeck. Selbst geringfügige „Überschneidungen“ könnten nach seriöser wissenschaftlicher Prüfung unter Umständen schwere Konsequenzen haben.

Dennoch hat die SPD bereits angekündigt, an der auch aus anderen Gründen umstrittenen Richterkandidatin Brosius-Gersdorf unbedingt festhalten zu wollen. Die Rede ist auch von einer „Schmutzkampagne in rechten Online-Medien“ und von mutmaßlichen Morddrohungen gegen die Juristin.

Bereits in der ersten Septemberhälfte könnte es laut den Sozialdemokraten einen weiteren Wahlversuch im Bundestag geben – sofern die Union dem noch zustimmen kann und sich in der SPD niemand eines anderen besinnt.

Uni Hamburg prüft noch nicht gegen Brosius-Gersdorf

Die Universität Hamburg betont in einer Pressemitteilung, dass die Ombudsstelle der Hochschule die erste Anlaufstelle für Hinweise auf potenzielles wissenschaftliches Fehlverhalten ist. Die Vertraulichkeit hat dabei oberste Priorität. Die Ombudsstelle wird aktiv, wenn ausreichend belegte Hinweise auf Verstöße gegen die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis vorliegen.

Eine Veröffentlichung solcher Hinweise auf externen Websites gilt noch nicht als Meldung im Sinne der Satzung und widerspreche im Übrigen auch der geforderten Vertraulichkeit, erklärt die Hochschule.

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Erstellt:
11. Juli 2025, 15:40 Uhr
Aktualisiert:
11. Juli 2025, 16:07 Uhr

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