Industriepolitik

Brüssel will Start-ups in Europa halten

Zu viele junge Unternehmen wandern ins Ausland ab. Deshalb sollen in der EU nun Hindernisse bei Bürokratie und Finanzierung abgebaut werden.

Die Europäische Union will Start-ups in Europa halten. EU-Kommission  Stéphane Séjourné stellt die Pläne in Brüssel vor.

© Sacha Leon/Le Pictorium via ZUMA

Die Europäische Union will Start-ups in Europa halten. EU-Kommission Stéphane Séjourné stellt die Pläne in Brüssel vor.

Von Knut Krohn

Europa ist kein guter Ort für Start-ups. Jene jungen Unternehmen, die oft in strategisch wichtigen Bereichen wie Künstlichen Intelligenz, sauberen Technologien, Halbleiter oder Robotik aktiv sind, werden in der EU in ein zu enges Regelwerk gepresst und mit zu vielen bürokratischen Hürden konfrontiert. Das will die Europäische Union mit einem Aktionsplan nun ändern.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Die gute Nachricht sei, dass in Europa mehr Start-ups als in den USA gegründet würden, sagte EU-Kommissionsvizepräsident Stéphane Séjourné am Mittwoch in Brüssel bei der Präsentation des Strategiepapier. Allerdings sei es auch eine Tatsache, dass in den vergangenen 15 Jahren fast 30 Prozent der europäischen sogenannten Unicorn-Start-ups - also Start-ups, die später mehr als einer Milliarde US-Dollar wert sind - ihren Hauptsitz in ein Nicht-EU-Land verlegt hätten. Hauptziel der aufstrebenden Firmen sind die USA.

Die Klagen der Start-ups werden lauter

Immer wieder berichten junge Unternehmen, sie hätten zu viele Schwierigkeiten, ihre Ideen vom Labor auf den Markt zu bringen oder in der EU in großem Maßstab zu wachsen. Auf diese Klagen habe die EU nun reagiert, erklärte Stéphane Séjourné: „Wir bauen Bürokratie ab, erleichtern ihnen den Zugang zu Finanzmitteln und verbessern ihre Möglichkeiten, im Binnenmarkt Geschäfte zu tätigen.“ Unterstützt werden sollen nicht nur Start-ups, sondern auch sogenannte Scale-ups, das sind kleine Unternehmen, die wachsen möchten.

Um die Firmen in Europa zu halten, hat die Behörde mehr als 20 Maßnahmen vorgelegt. So sollen etwa Vorschriften in Bereichen wie Insolvenz-, Arbeits- und Steuerrecht vereinfacht werden. Unternehmen sollen zudem digital mit öffentlichen Verwaltungen in der gesamten EU durch eine einheitliche digitale Identität kommunizieren können. Auch sollen mehr Finanzierungs- und Investitionsmöglichkeiten in der EU erschlossen und der Zugang zu hoch qualifizierten Fachkräften verbessert werden.

Hoffnung und Mahnungen aus der Wirtschaft

Applaus für die EU-Initiative kommt von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Deren Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov erklärt: „Die EU-Kommission setzt mit ihrer neuen Strategie wichtige Impulse in die richtige Richtung.“ Allerdings scheinen die Unternehmen nicht immer die besten Erfahrungen bei der Umsetzung solcher Initiativen aus Brüssel gemacht zu haben, denn Helena Melnikov mahnt: „Wir bekommen nur dann mehr Gründungen in Europa, wenn es nicht nur bei der Ankündigung von Zielen bleibt.“

Positive Reaktionen kommen auch aus dem Europaparlament. In Europa fehle bisher „ein wettbewerbsfähiger und innovativer Regulierungsrahmen, der Gründern den Weg von der Idee bis zur Marktkapitalisierung erleichtert“, konstatiert Marion Walsmann (CDU), Sprecherin des Parlamentskreises Mittelstand im Parlament. Aber auch sie legt nahe, dass dieses Papier allenfalls der erste Schritt sein kann und die Umsetzung schnell in Angriff genommen werden muss: „Die Vorschläge der Kommission sind ein guter Anfang.“

Das Handwerk will nicht vergessen werden

Allerdings gibt es auch Industriebereiche, die befürchten, in Zukunft schlicht vergessen zu werden. „Es ist richtig, dass die Kommission Hindernisse für die Gründung und Expansion neuer Betriebe und Unternehmen beseitigen will“, sagt Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) zu der Initiative aus Brüssel. „Doch die enge Innovationsdefinition der Kommission mit ihrem Fokus auf Hochtechnologie und jungen Wachstumsunternehmen greift zu kurz und verkennt die große Innovationskraft gerade auch im Handwerk und im Mittelstand insgesamt.“ Aus Holger Schwannecke spricht die Sorge, dass „für den Mittelstand eingeplante Gelder zunehmend in Richtung Start-ups und Scale-ups abfließen“. Im Moment wird der EU-Haushalt für die kommenden Jahre verhandelt, da dürften die Handwerksbetriebe nicht unter den Tisch fallen.

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Erstellt:
29. Mai 2025, 12:26 Uhr

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