Burgstetten: Wasserspeicher für Frostschutzberegnung

Obstbauer Bernd Bollinger vom Kirschenhardthof will seine Apfelbäume vor Spätfrösten schützen. Bei Minusgraden werden Blüten beregnet, damit die sich bildende Eisschicht einen Schutz bietet. Um das notwendige Wasser zur Verfügung zu haben, baut er jetzt einen großen Teich.

Aus der Vogelperspektive wird die Dimension der Geländefläche ersichtlich, innerhalb der der Pufferspeicherteich entstehen soll (braune Fläche in der Bildmitte). Im Hintergrund liegt Kirschenhardthof und ganz rechts der Hof der Familie Bollinger. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Aus der Vogelperspektive wird die Dimension der Geländefläche ersichtlich, innerhalb der der Pufferspeicherteich entstehen soll (braune Fläche in der Bildmitte). Im Hintergrund liegt Kirschenhardthof und ganz rechts der Hof der Familie Bollinger. Fotos: Alexander Becher

Von Florian Muhl

Burgstetten. Das ehrgeizige Projekt lenkt neugierige Blicke auf sich. Warum reißt ein Landwirt Hunderte guter Apfelbäume aus der Erde, um dann dort ein großes Loch auszubaggern? Das fragen sich seit Wochen Spaziergänger, die auf den Feldern nördlich des Burgstettener Ortsteils Kirschenhardthof unterwegs sind. Um es vorneweg zu sagen: Bernd Bollinger hat selbst das Herz geblutet, als er zusammen mit seinem Sohn Lukas im vergangenen Frühjahr zwischen 800 und 1000 Apfelbäume gerodet und zu Hackschnitzeln verarbeitet hat. Denn er hat sie 1995 selbst gepflanzt. Und diese Mostbäume haben eine Nutzungsdauer von 40 bis 50 Jahren.

Aber es musste sein. Denn der 50-jährige Obstbauer hat Großes vor. Er will insbesondere sein Tafelobst, aber auch die Mostäpfel vor dem Erfrieren retten. Aber für die geplante Frostschutzberegnungsanlage benötigt er jede Menge Wasser. Und deshalb baut er jetzt einen 10000 Quadratmeter großen rechteckigen Teich, der am Ende 27000 Kubikmeter Wasser fassen wird.

Bernd Bollinger (links) und sein Sohn Lukas stehen in etwa an der Stelle des geplanten Teichs, an der später das kleine Pumpenhäuschen gebaut werden wird.

© Alexander Becher

Bernd Bollinger (links) und sein Sohn Lukas stehen in etwa an der Stelle des geplanten Teichs, an der später das kleine Pumpenhäuschen gebaut werden wird.

Der Auslöser für dieses Vorhaben, das im Rems-Murr-Kreis im Bereich Obstanbau bislang einzigartig ist, liegt knapp sechs Jahre zurück: 2017 gab es zwischen dem 18. und dem 21. April eisige Nächte. Die Anzeige des Thermometers sank bis zur Minus-fünf-Grad-Marke und sogar noch ein Stück weiter. „Wir haben damals fast die komplette Ernte verloren“, erinnert sich Bernd Bollinger. Die großflächigen Spätfröste im April waren in vielen Gebieten das schwerste Frostereignis seit 1991. Sie richteten in der Landwirtschaft Schäden in dreistelliger Millionenhöhe an, über 100 Millionen Euro waren es allein in Baden-Württemberg. Insbesondere die Kulturen von Wein, Kern-, Stein- und Beerenobst litten unter den teils knackigen Nachtfrösten.

Blüten reagieren sehr empfindlich auf Temperaturen im Minusbereich

Durch den wärmsten März seit Messbeginn im Jahr 1881 waren die Kulturen in ihrer Entwicklung bereits weit fortgeschritten: Obstbäume standen bereits Anfang April in voller Blüte, bei vielen entwickelten sich sogar schon junge Früchte. Diese reagierten sehr empfindlich auf Temperaturen unterhalb des Gefrierpunkts.

Einen Erntetotalausfall durch Frost wie 2017, das will Bernd Bollinger nicht mehr erleben. So entstand die Idee der Frostschutzberegnung. Denn beim Gefrieren des aufgesprühten Wassers wird Kristallisationswärme frei und der Eispanzer schützt zusätzlich. Allerdings muss man die Beregnungsanlage die ganze Zeit durchlaufen lassen. „Man benötigt 300 Kubikmeter Wasser pro Hektar und Nacht“, sagt Bernd Bollinger. 25 seiner insgesamt 45 Hektar Obstplantagen will er so schützen können, und zwar mindestens drei Nächte lang. So kommt er rein rechnerisch auf ein Wasservolumen von 22500 Kubikmetern, das er für die gewünschte Schutzmaßnahme in den ersten Monaten des Jahres vorhalten muss.

Neuland im Kreis

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Mit dem Bau eines Pufferspeicherteichs betritt Bernd Bollinger im Rems-Murr-Kreis Neuland. Im Raum Ravensburg, wo sein 22-jähriger Sohn Lukas den Beruf des Gärtners, Fachrichtung Obstbau, erlernt und im Juli mit seiner Ausbildung fertig sein wird, sind solche Becken keine Seltenheit.

„Die Herausforderung war zunächst die Suche nach einer geeigneten Fläche. Denn die sollte einem selbst gehören und sie sollte zentral liegen, das man die Obstanlagen geschickt erreicht“, erläutert Bollinger. „Dann haben wir einen passenden Standort gefunden, aber der liegt hier am Hang.“ Der Höhenunterschied vom oberen zum unteren Ende beträgt rund sechs Meter. Während das Becken selbst einen guten Hektar groß sein wird, umfasst die Gesamtfläche des Bauprojekts, das das Backnanger Ingenieurbüro Frank geplant hat, etwa 2,5 Hektar. Zum Bau der Seitenwände wird genau so viel Erdaushub benötigt wie zum Bau des Wasserspeicherteichs abgetragen wird. Die so entstehenden Dämme haben innen und außen einen Böschungswinkel und im unteren Bereich eine maximale Höhe von sechs Metern. Nach oben hin nimmt deren Höhe ab. Nur in der südöstlichen Ecke des Beckens wird sie gleich null sein.

Am Schluss wird das ganze Areal umzäunt

Die Teichsohle wird in etwa das Niveau haben wie der Weg im unteren Bereich. Mit den Erdarbeiten wird im März/April begonnen. Ist das Gelände fertig modelliert, wird zunächst ein Vlies ausgelegt, dann eine dicke Folie, die doppelt verschweißt wird. Am Schluss wird das ganze Areal umzäunt sein, als Schutz für Mensch und Tier.

Bernd Bollinger geht davon aus, dass im Mai/Juni die Arbeiten beendet sein werden. Dann heißt es: Wasser marsch. Zum Befüllen des Teichs verwendet er Wasser aus einem eigenen Brunnen, der in 30 Metern Tiefe sitzt. Der Landwirt rechnet damit, dass es etwa ein Jahr dauern wird, bis der Teich gefüllt ist. Nebenher muss natürlich noch die Beregnungsanlage gebaut werden. „Alle 20 mal 20 Meter installieren wir einen Regner“, erklärt Bernd Bollinger, der sich auch darüber freut, dass er bei diesem Projekt jede Unterstützung der Bürgermeisterin und des Gemeinderats erhalten hat.

Sprache ermöglicht Kommunikation

Barriere Bernd Bollinger beschäftigt zwei fest angestellte Kräfte und bis zu 15 Erntehelfer, alle aus Rumänien. Eine Kommunikation war nur mit Händen und Füßen möglich. Eine gemeinsame Sprache gab es nicht.

Unterricht Bei der Baumpflege hat eine Helferin immer wieder gefragt: „Bine? Bine?“ – „Warum denn Biene? Da ist doch gar keine!“, hat sich Bollinger gefragt. Der Obstbauer hat kurzerhand einen Rumänischkurs bei der VHS in Stuttgart gebucht. Von den Lernenden war er damals der einzige Landwirt. Und er hat durchgehalten.

Bi(e)ne Seither kann sich Bollinger bestens mit seinen Beschäftigten verständigen – in Wort und Schrift. Er weiß nun auch, dass „Bine“ nicht „Biene“ heißt, sondern „gut“.

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Erstellt:
2. Februar 2024, 06:00 Uhr

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