C wie Codex Manesse: Von Sehnsucht und Schwärmerei

dpa/lsw Heidelberg. Jahrhundertealte Lieder von Anbetung und unerwiderter Liebe finden sich im Codex Manesse. Das Werk, das auch ein Porträt des damaligen Dichterstars Walther von der Vogelweide enthält, ist weit gereist.

Eine originalgetreue Reproduktion des Codex Manesse liegt auf einem Tisch. Foto: Uwe Anspach/dpa/Archivbild

Eine originalgetreue Reproduktion des Codex Manesse liegt auf einem Tisch. Foto: Uwe Anspach/dpa/Archivbild

Der Codex Manesse, die wohl berühmteste deutsche Liederhandschrift des Mittelalters, gibt der Nachwelt einen einzigartigen Einblick in das Gefühlsleben der Menschen dieser Zeit. Die dort zusammengetragenen Lieder handeln von Anbetung und unerwiderter Liebe zu einer unerreichbaren „Frouwe“ (Mittelhochdeutsch für Frau). Vor 800 Jahren umschwärmten Dichter im Minnegesang adlige Frauen - wohl wissend, dass ihre Liebe die Standesunterschiede nie überwinden konnte. Solche Minnelieder von 140 Lyrikern sind in der „Großen Heidelberger Liederhandschrift“ versammelt.

Zu verdanken ist der Codex (lat. Buch) dem Züricher Patrizier Rüdiger Manesse (1253-1304) und seinem Sohn. Sie trugen die mündlich überlieferten, bis zu 150 Jahre alten Lieder zusammen, ließen sie aufschreiben und mit Porträts von 137 der 140 Dichter versehen. Darunter ist auch eines vom damaligen Dichterstar Walther von der Vogelweide. Die 1297 fertig gestellte Anthologie umfasst 426 Pergament-Blätter. Geordnet sind die Lieder nach Rangfolge, angefangen mit dem Stauferkaiser Heinrich VI. über Herzöge bis hin zu fahrenden Sängern. Letztere zogen mit Leier und Harfe von Hof zu Hof und sorgten dort für Unterhaltung.

Nach Heidelberg kam das kostbare Buch 1607 durch Kurfürst Friedrich IV. Einige Eigentümerwechsel später landete die Handschrift in der Königlichen Bibliothek in Paris. Nach einem komplizierten Tauschgeschäft holte der in Heidelberg geborene Straßburger Buchhändler Karl Ignaz Trübner das Liederbuch 1888 nach Heidelberg. Den Zweiten Weltkrieg überlebte es in einem Bunker bei Nürnberg. US-Offiziere brachten das Werk 1947 der Heidelberger Universitätsbibliothek zurück. Dort ist der Codex Manesse als Faksimile zugänglich. Das nur selten gezeigte Original wird bei der Landesausstellung „Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht“ in Mainz vom 9. September an zu sehen sein.

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Erstellt:
4. August 2020, 07:11 Uhr

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