Was geschah am . . . 8. Juni 873?
Das englische Kloster Lindisfarne wird von Wikingern geplündert
8. Juni 793: Wikinger überfallen das Inselkloster von Lindisfarne. Es handelt sich um den ersten Wikingerüberfall auf die angelsächsischen Königreiche in England.

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Der Lindisfarne Stone (auch Viking Domesday stone genannt) wurde wahrscheinlich errichtet, um an die Opfer des Wikingerüberfalls auf das Kloster im Jahr 793 zu erinnern.
Von Markus Brauer/dpa
Sie waren die Terror-Milizen des Mittelalters. Mehr als 300 Jahre versetzten sie ganz Europa in Angst und Schrecken: die Wikinger. Wie aus dem Nichts tauchten sie mit ihren wendigen Langschiffen an Küsten und Ufern auf. Brannten Dörfer nieder, plünderten Klöster, versklavten die Bewohner und raubten, was sie tragen konnten.
an der Nordostküste Englands. Er überfällt, plündert und zerstört das wohlhabende Kloster Lindisfarne. Der erfolgreiche Beutezug markiert den Anfang einer Ära von Angst und Schrecken, die sich entlang der europäischen Küsten und Flussläufe verbreitet und rund 250 Jahre währen soll.
Aufbruch der Nordmänner: „plötzlich, unerwartet und heftig“
Der Aufbruch der skandinavischen Barbaren kommt, wie der bedeutende englische Historiker Arnold Toynbee (1889-1975)schreibt, „plötzlich, unerwartet und heftig“. Nach seinem Urteil war der Sieg Karls des Großen über die Sachsen das auslösende Moment.
Nachdem dieser Stamm, dessen Siedlungsgebiete zwischen denen der christlichen Franken und der heidnischen Wikinger lag, die Taufe angenommen hat, rückt die Einflusssphäre der Christenheit unvermittelt nach Norden vor.
Die Skandinavier sehen sich mit einer neuen, südlichen Kultur konfrontiert, die ihren Horizont schlagartig erweitert. Ihre Träume von Eroberung, reicher Beute und Abenteuer werden beflügelt und nehmen Gestalt an. Ihre überlegenen, seetüchtigen Schiffe, besetzt mit kampferprobten Seefahrern, geben ihnen das Mittel und die Möglichkeit, sie zu verwirklichen.
Ära der Wikinger
Die Periode der europäischen Geschichte, die Wikingerzeit genannt wird, reicht vom Ende des achten bis zur Mitte des elften Jahrhunderts. Die Männer aus dem Norden beherrschen Ost- und Nordsee, den Ärmelkanal und die heutige französische Atlantikküste. Alljährlich im Frühling gehen sie auf Raubfahrt. Sie plündern die Küstenstädte und dringen, den Wasserläufen stromaufwärts folgend, mit ihren Booten tief ins Landesinnere vor.
Weder befestigte noch unbefestigte Ansiedlungen sind vor ihnen sicher. Sie äschern die Siedlungen ein, führen Gefangene als Sklaven fort und erpressen Lösegelder. Haben sich die gebrandschatzten Landstriche nach einiger Zeit wirtschaftlich erholt, drohe ihnen die erneute Heimsuchung.
Reisen über den Atlantik
Bis nach Asturien und Portugal dehnen sich ihre Fahrten in späteren Jahrzehnten aus. Die Nordmänner segeln ins Mittelmeer und statten den Balearen, der Provence und der Toskana ihre gewalttätigen Besuche ab.
Im Norden gelingt es den norwegischen Wikingern allmählich ihr Siedlungsgebiet auszudehnen. Sie besetzen die Orkney- und die Shetland-Inseln, die Färoer, die Hebriden und Irland. Unter Erik dem Roten machen sie sich schließlich in Island ansässig und gründen Niederlassungen in Grönland. Sein Sohn Leiv Erikson erreicht um das Jahr 1000 Vinland, das heutige Nordamerika.
Das Normannenreich in Süditalien
Norwegische und später auch dänische Wikinger, Normannen genannt, machen sich weite Teile Englands untertan, gründen in der Normandie ein Herzogtum und errichten unter Robert Guiscard in Süditalien und auf Sizilien eine normannische Herrschaft. Es entwickelt sich in kurzer Zeit zum kultiviertesten und reichsten Staatswesen des Abendlandes.
Durch Heirat und Erbfolge gelangt das süditalienische Normannenreich an die Staufer. Deren glanzvollster Herrscher, Kaiser Friedrich II., Enkel von Friedrich Barbarossa und der letzten normannischen Regentin Konstanze, fasst die zahlreichen Künstler und Gelehrten in Sizilien noch einmal zusammen. Diese Hoch- und Endphase höfischer Kultur markiert die Überwindung des Mittelalters und gilt zugleich als erstes Wetterleuchten der Renaissance.
Waräger in Osteuropa
Im Osten, wo die Wikinger Waräger oder Rus genannt werden, geht es pragmatischer zu. Dort knüpfen sie ein weitgespanntes Handelsnetz. Sie stoßen in entfernte Regionen vor, treten auf den Märkten des Orients auf und handeln Pelze, Sklaven und Edelmetalle aus Westturkestan und Afghanistan ein.
Am Wege dorthin werden Tribut-Herrschaften errichtet, die der Waräger-Führer Rurik unter sein Regiment zwingt und Oleg der Weise zum Reich von Kiew vereinigte womit das spätere Russische Reich erstmals Gestalt annimmt.
Welthandel der Wikinger
Die Erschließung und Kontrolle der Transportwege entlang der Wolga zur arabischen Welt und entlang des Dnjepr nach Byzanz verschieben die Gewichte des mittelalterlichen Welthandels zugunsten der Wikinger. Alte Handelslinien kommen zum Erliegen, da die neuen Transitrouten in den Orient kürzer und sicherer sind.
Im Ostseeraum entstehen prosperierende Handelsplätze. Haithabu, nahe Schleswig an der Schlei gelegen, ist einer von ihnen. Seine wirtschaftliche Blüte setzt etwa um 900 ein und währte 150 Jahre. Spuren der befestigten Siedlung finden sich noch heute.