Das neue E-Rezept als ausgedruckter QR-Code

Seit dem 1. September kann das elektronische Rezept bundesweit in Apotheken eingelöst werden. Während von der Ärzteschaft Mehraufwand befürchtet wird, erweist sich die Umsetzung in Apotheken im Raum Backnang und Murrhardt als recht entspannt.

Apotheker Thomas Förster ist auf die ausgedruckten QR-Codes vorbereitet. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Apotheker Thomas Förster ist auf die ausgedruckten QR-Codes vorbereitet. Fotos: Alexander Becher

Von Simone Schneider-Seebeck

Rems-Murr. Segen oder Fluch? Die Einführung des E-Rezepts spaltet die Gemüter. Für die einen bedeutet es Mehraufwand, etwa durch aufwendige Einarbeitung, fehlende Hardware oder technische Probleme, für die anderen ist es eine einfache und unkomplizierte Methode, verschreibungspflichtige Medikamente in der richtigen Dosierung an den Kunden weiterzugeben.

Vermutlich sehen es viele ähnlich pragmatisch wie Stefan Wahl, Inhaber der Vitalwelt-Apotheke am Römerbad in Murrhardt. Die Vorbereitung sei zwar eher holprig verlaufen, aber das gehe bei vielen neuen IT-Projekten so, meint er. „Der Start hat dann gut funktioniert – auch wenn es immer mal wieder Probleme mit der Technik gibt.“ Allerdings müsse man sich noch Gedanken darüber machen, ob die Sicherheit des Datenschutzes gewährleistet sei. In dem Maße, in dem momentan E-Rezepte ausgestellt würden, sieht Wahl jedoch ein gutes Übungsfeld: „Wenn es mal richtig klappt, dann werden auch die Verwaltungswege verschlankt.“ Von Arbeitserleichterung durch das E-Rezept ist Jens Steinat noch nicht überzeugt. Der Allgemeinmediziner aus Oppenweiler sieht in der Digitalisierung ein großes Reizthema. „Es führt zu einer Zunahme der Bürokratisierung und Mehrbelastung“, fürchtet der Sprecher der Ärzteschaft im Backnanger Raum.

„Die Digitalisierung ist unabwendbar und auch sinnvoll“

Bisher sei ihm kaum ein Arzt bekannt, der sich bereit erklärt habe, das Ausstellen des E-Rezepts zu erproben. Dabei sieht Steinat die Digitalisierung an sich nicht als Problem an: „Die Digitalisierung ist unabwendbar und auch sinnvoll.“ Eher hapere es an der Umsetzung. „Die Struktur passt nicht mehr zu den Anforderungen, die der Staat stellt – und das führt zu zunehmender Frustration“, so der Mediziner. Jeder zusätzliche bürokratische Aufwand führe zum Rückgang der Kapazitäten und verschlechtere somit die Patientenversorgung, gibt er zu bedenken. Auch die Bereiche Datenschutz und Haftung verkomplizieren das Ausstellen des Rezepts: „Wenn wir dem Patienten ein Rezept geben, ist er ab diesem Moment dafür zuständig. Wenn ich aber nun einen QR-Code auf das Handy schicke und dieser geht digital verloren, dann hafte ich plötzlich.“

In der Schiller-Apotheke Backnang wurden bisher noch nicht viele E-Rezepte eingelöst. Inhaber Hans-Volker Müller steht dem Konzept skeptisch gegenüber, da es seiner Ansicht nach nicht gut durchdacht und mit viel Geld verbunden ist. „Da kommen nur Kosten auf uns zu“, so seine Befürchtung.

Werbung und Hinweis: Beispielsweise hier kann das E-Rezept eingelöst werden.

© Alexander Becher

Werbung und Hinweis: Beispielsweise hier kann das E-Rezept eingelöst werden.

„Seit eineinhalb Jahren sind wir E-Rezept-ready“, sagt dagegen Thomas von Künsberg Sarre. Neben der Center-Apotheke im Kaufland in der Sulzbacher Straße in Backnang betreibt er noch drei weitere Apotheken im Rems-Murr-Kreis und in Esslingen. „Es ist total einfach und komplikationslos“, so seine Erfahrungen. Erfreulich findet er, dass tatsächlich ein Arbeitsschritt gespart wird, denn die rosafarbenen Rezepte werden in der Center-Apotheke bereits digital erfasst. Die Rezepte werden dann gesammelt und noch einmal gegengescannt. „Dieser Vorgang wird dahingehend erleichtert, dass der Arzt ein Rezept mit einem QR-Code ausgibt“, erklärt von Künsberg Sarre. „Dieser QR-Code wird nun einfach abgescannt und wir haben alle Informationen digital vorliegen.“

„Grundsätzlich sind wir vorbereitet“

Verhalten optimistisch zeigt sich Thomas Förster, Betreiber der Johannes-Apotheke sowie der Apotheke im Gesundheitszentrum Backnang. „Grundsätzlich sind wir vorbereitet“, so der Apotheker. Bisher habe man schon einige E-Rezepte eingelöst, aber das seien ausgedruckte QR-Codes gewesen. „Digitalisierung wird gerade großgeschrieben“, und so ist er auch überzeugt, dass das Handling des E-Rezepts schneller und unkomplizierter sein wird, wenn es denn einmal komplett digital und über die elektronische Gesundheitskarte abrufbar ist. Momentan gehe es nur entweder über den ausgedruckten QR-Code oder über die App im Smartphone. Und letzteres habe nicht jeder. Von den Kunden habe es bisher noch keine besonderen Reaktionen auf die neue Möglichkeit gegeben. „Man wird sehen, wie es sich entwickelt“, sieht Thomas Förster den weiteren Prozess pragmatisch.

Noch lässt sich also noch nicht viel über Vor- und Nachteile des E-Rezepts aussagen. Ob die Skepsis berechtigt ist oder ob wir in einigen Jahren über die rosafarbenen Papierrezepte nur noch den Kopf schütteln werden, das bleibt abzuwarten.

Infos zum Patientendaten-Schutz-Gesetz

Datenschutz Am 20. Oktober 2020 trat das „Gesetz zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur (Patientendaten-Schutz-Gesetz, kurz: PDSG)“ in Kraft. Geregelt wird darin „die Einführung des E-Rezepts bei der Verordnung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln“.

Pilotregion Nach einer Testphase wurde die bundesweite Einführung stufenweise festgelegt. Seit dem 1. September sollen Apotheken bundesweit das ERezept einlösen und mit den Krankenkassen abrechnen können. Für Ärzte und Ärztinnen ist die Ausstellung des E-Rezepts noch nicht verpflichtend. In der Pilotregion Westfalen-Lippe soll dies in den Arztpraxen jedoch flächendeckend ausgeweitet werden.

Roll-out-Phase In der zweiten Phase ab frühestens Dezember soll die Ausstellung des E-Rezepts in Arztpraxen in weiteren sieben Bundesländern sukzessive eingeführt werden, 2023 folgen dann die restlichen Länder. Zu welcher Roll-out-Phase Baden-Württemberg gehört ist noch nicht festgelegt.

Rückzug Ursprünglich sollte auch Schleswig-Holstein an der Piloteinführung teilnehmen. Nach Bedenken der Datenschutzbehörde hat sich das Bundesland jedoch daraus zurückgezogen.

Alternativen Die Übermittlung des Rezeptes im Rems-Murr-Kreis ist aktuell auf zwei Arten möglich: entweder über die App „E-Rezept“ der Gematik (zuständig für die Digitalisierung des Gesundheitsbereichs, zu den Gesellschaftern gehören neben dem Bundesgesundheitsministerium verschiedene Gesundheitsorganisationen) oder per ausgedrucktem QR-Code.

Ziel Ab 2023 soll das Einlösen des E-Rezepts über die elektronische Gesundheitskarte ermöglicht werden.

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Erstellt:
8. September 2022, 06:00 Uhr

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