Unterkunft für Flüchtlinge

Das steckt hinter dem Mieter-Streit um Kündigungen in Lörrach

Den Bewohnern eines Wohnkomplexes in Lörrach wurde der Mietvertrag gekündigt, um Platz für die Unterbringung von Flüchtlingen zu machen. Das Thema geht in rechten Kreisen viral. Die Situation ist aber weniger drastisch, als sie erscheint.

Flüchtlinge in einer provisorischen Unterkunft.

© dpa/Arne Dedert

Flüchtlinge in einer provisorischen Unterkunft.

Von Erdem Gökalp

Nur wenige Tage hat es gedauert, bis die 50 000-Einwohner-Stadt Lörrach in den Strudel eines emotionalen Schmähgewitters geraten ist. Rund 40 Mieter eines Wohnkomplexes haben in der vergangenen Woche ein Schreiben erhalten, in dem ihnen mitgeteilt wurde, dass ihre Wohnung geräumt und stattdessen Platz für die Unterbringung von 100 Flüchtlingen gemacht werden soll. Seitdem ist der Brief der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Lörrach viral gegangen und hat gemessen an den öffentlichen Reaktionen bei einigen Menschen einen Nerv getroffen. Aber auch rechte und rechtsradikale Politiker nutzen das Thema, um gegen die Flüchtlingspolitik zu wettern.

Stadt wird überrannt mit Anfragen

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne, Mitgliedschaft ruhend) mit dem verlässlichem Instinkt für populistische Themen nennt es eine Gefährdung des „sozialen Friedens“, die rechte Politikerin Alice Weidel (AfD) spricht von einer „Bevorzugung“ von Flüchtlingen gegenüber denjenigen, die schon länger in Deutschland leben würden. In sozialen Medien wird in zahlreichen Beiträgen auch über anonyme Profile Stimmung gemacht. Manche sprechen von „Enteignung von Deutschen“. Und auch die Stadt Lörrach wird seitdem überrannt mit Reaktionen und Anfragen, die sie inzwischen nicht mehr beantworten kann.

Trotz der überraschenden Mitteilung für die Bewohner ist die Realität zunächst weniger drastisch. Den betroffenen Mietern der Wohnungen in der Wöblinstraße 21 bis 29 wurde in dem Schreiben von Wohnbau Lörrach am 15. Februar mitgeteilt, dass es geplant sei, bis zum Jahresende die gesamte Anlage zu einem Flüchtlingsheim umzufunktionieren. Die Stadt sei wegen des hohen Flüchtlingszustroms verpflichtet, Menschen, die ins Land geflohen sind, unterzubringen. Den bisherigen Mietern wird jedoch zugesichert, ihnen alternative Wohnungen anzubieten, die „modern und bezahlbar“ seien und sie beim Umzug auch finanziell zu unterstützen. Bei einer Bewohnerversammlung am 27. Februar soll es zusätzliche Informationen geben.

Wohnung stand vor dem Abbruch

In einer Pressemitteilung teilt die Stadt zudem mit, dass das Gebäude aus den 1950er Jahren sei und daher in den nächsten Jahren ohnehin abgerissen und neu gebaut werden sollte. Demnach habe Wohnbau Lörrach bereits reichlich Erfahrungen bei Umzügen ganzer Wohnkomplexe.

Der Handlungsdruck bestehe auch wegen der aktuellen Flüchtlingskrise. Im Jahr 2022 habe die Stadt Lörrach nach eigenen Angaben 638 Personen mit Fluchthintergrund im Zuge der Anschlussunterbringung aufgenommen. Der überwiegende Teil der Menschen komme demnach direkt aus der Ukraine und sei dem Krieg dort entflohen.

Zum Artikel

Erstellt:
21. Februar 2023, 16:08 Uhr
Aktualisiert:
21. Februar 2023, 16:35 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen