Der beste aller schlechten Deals
Die Zoll-Einigung ist eine Atempause. Europa muss dies nutzen, um sich von den USA unabhängiger zu machen.
Von Knut Krohn
Der Zollstreit zwischen der EU und den USA endet mit einem Schrecken. Brüssel akzeptiert, dass Washington künftig auf die große Mehrheit der Importe aus Europa einen Zoll in Höhe von 15 Prozent erhebt. Das ist eine politische Niederlage für Europa. Dennoch ist dieses Ergebnis besser als ein Schrecken ohne Ende. Es drohten noch höhere Zölle, ein monatelanger Handelskrieg und damit eine gefährliche Unsicherheit für europäische Unternehmen.Brüssel -
Realistisch betrachtet war es der EU kaum möglich, ein besseres Ergebnis zu erzielen. Der Grund: Donald Trump braucht das Geld dringend, das er durch die erhöhten Zolleinnahmen einstreicht. Nur so kann er die teuren Steuergeschenke finanzieren, mit denen er seine reichen Unternehmerfreunde beglückt. Er war auf diesen, für ihn vorteilhaften „Deal“ angewiesen. Den konnte er nur durchdrücken, weil sich Europa in den vergangenen Jahren schlafwandelnd in eine zu große Abhängigkeit von den USA begeben hat. Am deutlichsten wird dies bei unserer eigenen Sicherheit, die fast allein in den Händen Amerikas liegt.
Für Europas Unternehmen sind die Zölle ein Schock, aber auch US-Firmen werden aufgrund der höheren Preise zu leiden haben. Sie können die dringend benötigten Importe aus der EU nicht einfach ersetzen. Zum Beispiel müssen US-Autohersteller in Zukunft auch 25 Prozent Zoll für Teile aus Mexiko und Kanada zahlen. Das ist eine gute Nachricht für die europäischen Firmen. Denn wichtig ist nicht nur die absolute Höhe der Zölle, sondern auch die relative Höhe. Die nun ausgehandelten 15 Prozent entsprechen dem Satz, den auch Japan bezahlen muss. Allerdings ist es deutlich weniger als die Abgaben für China oder andere Länder. Das heißt, dass die Folgen für die Gesamtwirtschaft im Moment nur schwer abzuschätzen sind. Zu den Gewinnern könnten sogar die Verbraucher in Europa zählen. So muss etwa China wegen des Streits mit den USA seine Güter auf anderen Märkten anbieten. Das könnte manche Produkte in der EU billiger machen. Die deutschen Autobauer blicken schon jetzt mit großem Bangen auf ein solches Szenario.
Bei Lichte betrachtet sind auch die Zusagen der EU, den USA mehr Waffen und Flüssiggas abzunehmen bloße Ergebniskosmetik. Trump kann diese zusätzlichen Milliarden dem heimischen Publikum als Sieg verkaufen. Die Wahrheit ist eine andere: die EU-Investitionen in die Rüstung waren wegen des geplanten Hochfahrens der Verteidigungskapazitäten schon lange eingepreist. Und auch die Kaufverträge für mehr US-Gas liegen wegen des Stopps der russischen Energielieferungen bereits seit geraumer Zeit auf dem Tisch.
Der Zoll-Deal ist also schlechter als erhofft, aber besser als befürchtet – aber er ist allenfalls eine Art Waffenstillstand. Wichtige Zukunftsthemen wie die europäischen Dienstleistungssteuern, Digitalregulierung und Künstliche Intelligenz sind nicht Teil der Abmachung. Diese Atempause muss genutzt werden. Es heißt nun, die militärische Abhängigkeit von den USA drastisch zu reduzieren. Dasselbe gilt für digitale Zukunftstechnologien von der Chipherstellung bis zur Künstlichen Intelligenz. Zentral ist der Ausbau alternativer Energiequellen, ohne die kein Fortschritt möglich sein wird. Zugleich muss die wirtschaftliche Weltmacht Europa gezielt neue Beziehungen zu anderen Regionen knüpfen und eine Art alternativer regelbasierter Handelsordnung aufbauen. Denn die seit Jahren dahinsiechende Welthandelsorganisation WTO ist Geschichte. Europa steht vor gewaltigen Herausforderungen, die es allein meistern muss. Auf die USA als westliche Führungsmacht kann sich die Welt nicht mehr verlassen.