Philipp Matthäus Hahn

Der Pfarrer, der die Waage ein zweites Mal erfand

Der schwäbische Seelsorger Philipp Matthäus Hahn gehört zu den wichtigsten Technik-Pionieren im Südwesten.

Die Neigungswaage von Philipp Matthäus Hahn

© Uli Fricker

Die Neigungswaage von Philipp Matthäus Hahn

Von Uli Fricker

Start-ups gab es schon im 18. Jahrhundert, als noch Fürsten das Land regierten und Baden wie auch Württemberg verschiedene Staaten waren, die durch Zollschranken getrennt waren. Nur hießen die Start-ups damals anders, das Englische war noch nicht Weltjargon.

Viele dieser kleinen Unternehmen, die mit wenig Kapital und vielen Ideen aus dem Boden gestampft wurden, lagen in Württemberg. Weite Teile des damaligen Herzogtums verteilten sich auf der Schwäbischen Alb, die drei Eigenschaften hatte: Die Winter waren lang,die Äcker steinig, die Erträge bescheiden. In der Not suchten viele Schwaben nach neuen Möglichkeiten des Erwerbs: Das war der erste Schritt in die Welt der Feinmechanik und der Textilindustrie.

Die „Weltmachine“

Einer der Schrittmacher war der Pfarrer Philipp Matthäus Hahn (1739 bis 1790). Sein Lebenslauf liest sich wie die Geschichte der Not und der Fähigkeit, das Beste daraus zu machen. Als junger Theologe erhielt er seine erste Stelle in Onstmettingen (heute Stadtteil von Albstadt, Zollernalbkreis). Etwa 900 Seelen wohnten in diesem unscheinbaren Dorf im Tal, dessen Bauern sich mühsam von ihren Äckern nährten. Das Brot wurde mit Erbsenmehl gebacken, da in dem schmalen Tal nicht genug Getreide wuchs. An den Werktagen arbeiteten seine Pfarrkinder auf dem Feld, die Verwaltung des Sprengels war schnell getan. Also richtete sich Hahn eine Werkstatt ein, erwarb Zeichenpapier und mechanisches Gerät. Hahn konstruierte Uhren mit vielfältigen Funktionen, die weit über die Zeitangabe hinausgingen. Verschiedene Handwerker aus Onstmettingen bauten die kleinen Maschinen nach seinen Zeichnungen. So schuf der Pfarrer auch Arbeitsplätze. Und er brachte Geld ins Dorf, denn die Uhren mit ihren luxuriös anmutenden zusätzlichen Funktionen verkauften sich gut.

Auch der württembergische Hof wurde auf den fleißigen Theologen aufmerksam. Besonders das Spitzenprodukt aus Onstmettingen hatte es dem Herzog angetan. Hahn nannte es ohne falsche Bescheidenheit seine „Weltmaschine“. Außer der Uhrzeit gab das Instrument auch die Mondphasen an, es zeigte die Monate und den Tierkreis und anderes mehr. Vor allem die Herzogin war in diese Wunderwerke vernarrt und wünschte mehr Kontakte zu deren Ingenieur. So wurde Pfarrer Hahn erst nach Kornwestheim, dann nach Echterdingen berufen, um in der Nähe des Hofes zu leben.

Eine bahnbrechende Idee

Seine Uhrwerke waren nicht neu, denn Vergleichbares wurde auch an anderen Orten gebaut. Eine bahnbrechende Idee zündete er in einem anderen Bereich: Philipp Matthäus Hahn tüftelte an Waagen, auf die der Handel seit jeher angewiesen war. Dabei ging es um die Weiterentwicklung dieser Geräte. Bisher wurde die zu messende Ware mit dem passenden Gewicht aufgewogen. Dieses Verfahren gab es seit der Antike. Es funktionierte, war aber mühsam, da immer eine größere Anzahl von metallenen Gewichten parat stehen musste.

Hahn ging einen Schritt weiter und erfand die Neigungswaage. Bei diesem Typ wird das Messgut nicht mehr durch Masse austariert, sondern durch eine fest angebrachte Masse ausgelenkt. Die Neigungswaage bedeutet eine Vereinfachung. Weniger Platz, weniger Gewichte, weniger Aufwand. Ihre Funktionsweise wird bis heute bei Briefwaagen genutzt.

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Erstellt:
21. November 2025, 12:28 Uhr

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