Geschichte am Bodensee

Der Professor und die Seeschlacht

Hat es auf dem Bodensee einst eine Schlacht gegeben? Oder gab es schon zur Römerzeit Fake News, also gefälschte Nachrichten? Das will Forscher Gunter Schöbel ergründen.

Gunter Schöbel zeigt eine alamannische Rundfibel, vermutlich aus dem Jahr 635, die zunächst wohl germanisch war, dann aber christlich „überarbeitet“ wurde. Vermutlich diente sie als Mantelverschluss einer adeligen Frau.

© Hildegard Nagler

Gunter Schöbel zeigt eine alamannische Rundfibel, vermutlich aus dem Jahr 635, die zunächst wohl germanisch war, dann aber christlich „überarbeitet“ wurde. Vermutlich diente sie als Mantelverschluss einer adeligen Frau.

Von Hildegard Nagler

Die Frage ist quasi ein Dauerbrenner. Gab es die Seeschlacht auf dem Bodensee tatsächlich, in der die Römer den keltischen Stamm der Vindeliker im Jahr 15 v. Chr. besiegt haben sollen? Strabon, ein antiker Geschichtsschreiber und Geograph berichtet, dass Tiberius (42 v. Chr. - 37 n. Chr.), einer der Stiefsöhne von Kaiser Augustus und nach seinem Stiefvater ab 14 n. Chr. der zweite Kaiser des Römischen Reiches, ein Heer von rund 10 000 Legionären und noch mal so vielen Hilfstruppen im Südwesten Deutschlands gesammelt haben soll, um dann über den Bodensee überzusetzen und ostwärts Richtung Augsburg zu marschieren.

Am Bodensee, heißt es weiter, habe Tiberius den Bau einer Flottille von Transportschiffen in Auftrag gegeben und eine Insel als Stützpunkt gehabt, womit möglicherweise die Mainau gemeint ist. Dann soll es zur Seeschlacht gekommen sein. Eine der ersten Fake News, zumal Cassius Dio, ein römischer Senator, Konsul und Geschichtsschreiber, „nur“ berichtet, dass Tiberius den See auf Schiffen überquert hat?

Neben dieser Frage treibt den Leiter der Pfahlbauten in Unteruhldingen, Gunter Schöbel, eine weitere um: Warum gilt die Gegend zwischen Donau und Bodensee für viele Archäologen noch immer als weißer Fleck? Nachdem die Pfahlbauzeit zwischen 4000 und 850 v. Chr. in diesem Raum in den vergangenen 160 Jahren gut erforscht worden ist, will sich der Professor mit seinen Archäologen der zweiten Aufgabe des Vereins widmen, der das Freilichtmuseum und das Forschungsinstitut trägt: der Heimatkunde.

Ist die Entfernung zu den Universitäten zu groß?

Der Bereich zwischen dem Bodensee und der Donau, dem alten Linzgau und Oberschwaben zwischen etwa 800 v. Chr. und 800 n. Chr. galt bis zu den ersten urkundlichen Erwähnungen als sogenannter Ungunstraum auf den archäologischen Fundkarten – als Raum, der aus heutiger Sicht als wenig vorteilhaft für die Besiedlung angesehen wird, in der Vergangenheit aber dennoch häufig bewohnt war. Auch der Schwarzwald, die Schwäbische Alb und das Allgäu fallen in diese Kategorie. Auch bei den großen Landesausstellungen zu den Kelten in den Jahren 2022 bis 2024 in Stuttgart und Konstanz und nun zu den Kelten, Römern und Alamannen „kamen und kommen etwa der Landkreis Ravensburg oder Bodenseekreis nicht vor“, so Schöbel.

Woran könnte das liegen? An einer mangelnden Präsenz der amtlichen Archäologie der Bodendenkmalpflege, deren Dienststellen zu weit entfernt sind, mutmaßt der Professor. Er ist überzeugt: Bodenforschung braucht Präsenz vor Ort. „Vielleicht ist die Ursache auch eine Vernachlässigung des Untersuchungsraums zugunsten der Regionen um die Standorte im mittleren Neckarraum, entlang der Rheinschiene und der Donau.“ Ein weiterer Erklärungsversuch Schöbels ist, dass die betroffene Region zu weit weg von den Universitäten in Stuttgart, Karlsruhe, Freiburg und Tübingen liegt.

„Keltische Fibeln und römische Werkzeuge aus Unteruhldingen liegen im Landesmuseum in Stuttgart im Alten Schloss seit 1865 in ihrer Bedeutung bislang unerkannt im Archiv“, kritisiert der Professor. „Keltische Grabhügel tauchen jetzt zu Hunderten auf Luftbildern auf und zeigen doch eine kräftige Präsenz dieser bislang verlorenen geglaubten 1000 Jahre auf. Die Dinge sind nur noch nicht untersucht.“ Schöbel hat deshalb geplant, im Korridor zwischen dem Bodenseekreis zur Donau hoch eine Neuaufnahme und Kartierung aller Fundstellen aus der Luft zu machen, auch mit neuen Methoden der Fernerkundung. „Auch privat Sammelnde sollen verstärkt angesprochen werden. Sprechstunden im Museum sollen hierzu eingerichtet werden“, kündigt der Museumsleiter an.

Er wünsche sich, „dass wir von der Denkmalpflege stärker unterstützt werden. Auch Funde, die seit 100 Jahren und mehr hier in den Archiven der Landesmuseen als Schätze Baden-Württembergs liegen, hätten wir gerne – auch vielleicht nur leihweise – zurück. Denn Identität für die Geschichte schafft man nur mit den Funden der Heimat“, so der Professor.

„Wem gehört die Geschichte? Dem Länd? Einem Staat?“, fragt Gunter Schöbel und schiebt nach: „Oder den Menschen in ihrer Heimat?“

Zum Artikel

Erstellt:
2. Juni 2025, 16:36 Uhr
Aktualisiert:
2. Juni 2025, 16:47 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen