Der sensationelle Entlastungszeuge
Ein staunenswerter Auftritt beim Geldwäscheprozess um einen Schorndorfer Firmeninhaber und 45 Millionen Euro in bar

© Pressefotografie Alexander Beche
Foto: A. Becher
Von Peter Schwarz
SCHORNDORF. In Justiz-Thrillern kommt das vor: Ein Entlastungszeuge bringt mit spektakulären Enthüllungen ein stabil wirkendes Verdachtsgebäude zum Einsturz – worauf Angeklagte, die eben noch der Verurteilung entgegengeblickt haben, umgehend freigesprochen werden. Gibt es so sagenhafte Zeugen auch in echt?
Dieser Prozess am Landgericht Stuttgart läuft schon seit Juli: Die unfassbare Summe von 45 Millionen Euro in bar soll der Schorndorfer Inhaber der Firma Noble Glitter (Namen geändert), unterstützt von seiner Frau und zwei Helfern, nach Dubai verschoben haben – Geld, das bei niederländischen Drogengeschäften zusammenkam, glaubt die Staatsanwaltschaft. Nein, sagt die Verteidigung: Die enormen Bareinnahmen stammten nicht aus dem Rauschgiftbusiness, sondern aus seriösem Handel mit Gold. Tatsächlich verzeichnen die Buchhaltungspapiere von Noble Glitter Geschäftsbeziehungen zu einer Firma Goodcash in Rumänien – ausweislich dieser Unterlagen soll Noble Glitter im Jahr 2017 Feingold im Wert von 51 Millionen Euro an Goodcash verkauft haben. Mit Drogen hat das nichts zu tun – sofern die Buchhaltung stimmt.
Über jene rumänische Firma indes, die ab 2017 angeblich so märchenhaft liquide war, haben Ermittler dies und das herausgefunden: Bis Ende 2016 waren die Geschäftstätigkeiten von Goodcash unter anderem Sperrholzplattenbau und Umzugstransporte. Die Firma bestand aus einem einzigen Mann, erzielte nur etwa 30000 Euro Jahresumsatz und musste gar Insolvenz anmelden. Diese traurige Klitsche soll Gold für 51 Millionen Euro gekauft haben? Oder diente Goodcash bloß als Strohfirma, um Drogengeld eine legale Herkunft anzudichten? Da kommt die Antwort in Person: der Entlastungszeuge, der Betreiber von Goodcash. Eigentlich müsste er gar nicht aussagen. Denn der Mann, in Deutschland geboren, sitzt selbst in Untersuchungshaft wegen Verdachts auf Beihilfe zur Geldwäsche und hat damit ein Auskunftsverweigerungsrecht nach Paragraf 55 Strafprozessordnung. Aber siehe, er spricht. Wird sich gleich alles klären? Wird das Anklagekonstrukt der Staatsanwaltschaft krachend in sich zusammenfallen?
Angaben des Zeugen lassen beträchtliche Zweifel aufkommen
„Ich bin enttäuscht, dass ich verhaftet worden bin“, klagt der Zeuge – und das „nur aus dem Grund, dass ich gearbeitet habe.“ Ja, er habe 2017 Beziehungen zu Noble Glitter gepflegt, habe als Vermittler fungiert bei Goldgeschäften der Schorndorfer Firma mit Kunden und dafür Provision erhalten. Es sei dabei um den Handel mit Altgold gegangen.
Vermittler? Provision? In den Unterlagen fungierte er als Käufer. Altgold? In den Buchhaltungspapieren ist meist von reinem Feingold die Rede. Richterin Manuela Haußmann hakt nach, irgendwann räumt der Mann ein: Na gut, „vielleicht haben Sie doch recht“, es war „manchmal Feingold. Aber nur als Bezeichnung.“
Im Januar 2018 wurde ein Noble-Glitter-Kurier namens C. an der deutsch-holländischen Grenze von der Polizei aufgegriffen: mit 1,5 Millionen Euro im Kofferraum, versteckt in der Reserveradmulde. Die Anklage glaubt, dass dieses Geld – Drogengeld? – von einem Niederländer namens K. übergeben wurde, auf einem Parkplatz in Roermond. Was weiß der Zeuge darüber? Nun, er sei tatsächlich im Januar 2018 in Holland gewesen. Dort habe ein Geld-gegen-Gold-Geschäft stattgefunden: im Gebäude einer Firma bei Amsterdam. Der Schorndorfer Chef von Noble Glitter sei dabei gewesen. Aber von einer Übergabe auf einem Parkplatz „weiß ich gar nichts“; und einem Holländer namens K. sei er nie begegnet. Kennt er wenigstens den auf der Anklagebank sitzenden Noble-Glitter-Kurier namens C.? Der Zeuge schaut rüber und sagt: „Nein, nein, nein.“
Richterin Haußmann blättert in den Akten und zieht ein Papier heraus. Im Januar 2018 hat der Zeuge schon einmal versucht, Noble Glitter zu entlasten – nur hat er damals bei einem Notar in Rumänien alles komplett anders zu Protokoll gegeben: Er habe 42 Kilo Feingold erhalten und dafür 1,5 Millionen Euro bezahlt – auf einem Parkplatz in Roermond! Zu dem Geschäft habe er einen Freund mitgebracht – den Niederländer K. Das Geld habe er an einen Noble-Glitter-Mitarbeiter übergeben – den Kurier namens C. Davon, dass der Schorndorfer Noble-Glitter-Chef bei all dem zugegen gewesen sein soll, steht hingegen nichts in dem notariellen Schreiben.
Wie also kommt der Zeugen nun plötzlich darauf, K. sei ihm fremd? Na gut, „vielleicht war er dabei, aber ich habe ihn nicht gekannt“. Wie kommt der Zeuge nun plötzlich darauf, C. nie begegnet zu sein? Na gut, „vielleicht war er dabei, aber ich habe ihn nicht gesehen“. Und der Noble-Glitter-Chef – war der nun anwesend oder nicht? „Er ist gekommen, aber dann ist er weggegangen.“ Oder „der Notar hat das falsch geschrieben“. Im Übrigen, sagt der Zeuge, habe er es mit Namen eh nicht so. „Bei diesen Geschäften macht man keine großen Vorstellungen, kein wie heißt du und so – wir machen das Geschäft und Schluss.“
So redet sich da einer nach allen Regeln der Kunst um Kopf und Kragen, der Staatsanwalt schreibt schon fleißig mit für eine Anklage wegen Falschaussage – bis der Rechtsbeistand des Zeugen um eine Unterbrechung bittet. Nach der Pause erklärt der Anwalt: Sein Mandant werde „ab jetzt keine Angaben mehr machen“. – Die Entlastungszeugen in Justiz-Thrillern sind überzeugender.