Die Innenstadt zum Erlebnis machen

Fünf Jahre war Simon Köder für das Stadtmarketing und die Großveranstaltungen in Backnang verantwortlich. Zum Abschied stellt er der Stadt ein gutes Zeugnis aus. Durch die knappen Ressourcen fühlte er sich allerdings immer wieder ausgebremst.

Als Verantwortlicher für das Stadtmarketing hat sich Simon Köder fünf Jahre lang für die Interessen der Einzelhändler in der Backnanger Innenstadt eingesetzt. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Als Verantwortlicher für das Stadtmarketing hat sich Simon Köder fünf Jahre lang für die Interessen der Einzelhändler in der Backnanger Innenstadt eingesetzt. Foto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Noch bevor Simon Köder im November 2016 seine neue Stelle antrat, machte er einen Sonntagsausflug nach Backnang, um sich den Gänsemarkt anzuschauen. Und was er sah, beeindruckte ihn: „Ich war überrascht, wie viele Leute da unterwegs waren. Das war für mich ein Aha-Erlebnis, dass hier wirklich was geht.“ Als Verantwortlicher für das Stadtmarketing hatte Simon Köder in den vergangenen fünf Jahren die Aufgabe, die Backnanger Innenstadt und ihre Händler in ein positives Licht zu rücken. Großveranstaltungen wie Tulpenfrühling, Gänsemarkt, Weihnachtsmarkt oder das Kinderfest im Sommer spielten dabei eine zentrale Rolle.

Wenn er Backnang nun nach fünf Jahren wieder verlässt, stellt der 31-Jährige der Stadt ein gutes Zeugnis aus: „Backnang hat ein starkes und schönes Zentrum und noch immer ein sehr differenziertes Angebot.“ Allerdings weiß er auch, dass die Zeiten für die Händler schwerer werden: Der Online-Handel boomt und Corona hat diesen Trend noch beschleunigt. In Zukunft, prophezeit Köder, werden die Menschen weniger in die Innenstädte gehen, um dort Dinge zu kaufen, die sie unbedingt brauchen. Stattdessen müsse sich die Stadt als lebenswerter Treffpunkt etablieren. „Wir werden Händler verlieren, aber auch neue Formate hinzugewinnen“, prophezeit der studierte Eventmanager. Der Besuch in der Innenstadt müsse zum Erlebnis werden, gekauft werde dann ganz automatisch.

In der Coronazeit auch Seelsorger

Als Simon Köder 2016 nach Backnang kam, kannte er die Stadt kaum. Aufgewachsen in Obersulm – der schwäbischen Toskana, wie er sagt –, hatte er lange Zeit in Heilbronn gearbeitet, fünf Jahre davon bei der dortigen Stadtinitiative. Dort bestand alleine das Eventteam aus vier Mitarbeitern, in Backnang war Simon Köder anfangs ganz auf sich allein gestellt, seit 2017 wird er von Nadine Thoman unterstützt.

Die überschaubaren Kapazitäten setzten seinen Ideen von Anfang an Grenzen, andererseits hatte der junge Marketingfachmann auch viel Gestaltungsspielraum. Sein Chef, der damalige Wirtschaftsförderer Ralf Binder, ließ ihm alle Freiheiten. „Mir war es wichtig, dass jede Veranstaltung einen eigenen Charakter hat“, erklärt Köder. So ergänzte er den Tulpenfrühling um weitere grüne Angebote wie den Blumenschmuckwettbewerb oder Kooperationen mit örtlichen Gärtnereien. Beim Gänsemarkt betonte er den herbstlichen Charakter stärker, etwa durch einen Kunsthandwerkermarkt oder eine Kooperation mit dem Schwäbischen Mostviertel. Außerdem versuchte Köder, das Programm, das sich bis dahin auf den Marktplatz konzentriert hatte, über die gesamte Innenstadt zu verteilen. Schließlich hat ein verkaufsoffener Sonntag ja das Ziel, die Menschen zum Bummeln durch die Straßen zu animieren.

Veränderungen gab es auch beim Weihnachtsmarkt: Hier kam der Stiftshof als neuer Veranstaltungsort hinzu, was anfangs umstritten war: „Die Aussteller wollten dort nicht hin, weil sie dachten, da kommt niemand vorbei.“ Inzwischen sei es gelungen, den Platz vor dem Amtsgericht als festen Bestandteil des Backnanger Weihnachtsmarktes zu etablieren, freut sich Köder.

Weitere Pläne und Ideen hatte der Eventmanager bereits im Kopf – dann kam Corona und plötzlich war alles anders. Der fertig organisierte Gänsemarkt musste ausfallen, ebenso alle anderen Großveranstaltungen im Jahr 2020. Dafür waren plötzlich völlig andere Dienstleistungen gefragt. Die Händler hatten unzählige Fragen zu den sich ständig ändernden Coronaregeln. „Ich war noch nie so viel am Telefon wie in dieser Zeit“, erinnert sich Köder, „zum Teil waren wir auch als Seelsorger gefragt.“ Als die Läden wieder öffnen durften, half das Stadtmarketing bei der Umsetzung der Hygienekonzepte, besorgte Plakate und Bodenaufkleber. Zuletzt bestimmte die von der Stadt ausgerufene „Offensive Innenstadt“ und die Einführung eines digitalen Gutscheinsystems Köders Arbeitsalltag.

Keine Zeit für aktives Citymanagement

Dass er Backnang nun nach fünf Jahren wieder verlässt, habe persönliche Gründe, sagt Simon Köder. Der 31-Jährige hat sich selbstständig gemacht. Zusammen mit einem befreundeten Schreiner will er künftig Massivholzmöbel bauen und verkaufen.

Aber gibt es vielleicht noch andere Gründe für den Abschied? Man merkt Simon Köder an, dass er nicht nachkarten möchte, doch zwischen den Zeilen kann man heraushören, was schon Ralf Binder bei seinem Abschied vor zwei Jahren kritisiert hatte. Dass sich Stadtmarketing in Backnang fast nur auf die Organisation von Veranstaltungen beschränkt und für die Entwicklung neuer Strategien, für ein aktives Leerstandsmanagement und auch für die regelmäßige Kontaktpflege zu den Händlern die Kapazitäten fehlen. Und warum das Stadtmarketing, das einst als Stabstelle direkt beim Oberbürgermeister angesiedelt war, Anfang des Jahres zu einer Abteilung des Kulturamts degradiert wurde, kann sich Köder auch nicht erklären.

„Ich denke, für die Zukunft wäre es wichtig, dass das Stadtmarketing mit genug Personal und Bedeutung ausgestattet ist“, erklärt Simon Köder. Ihn selbst betrifft das nicht mehr. Beim nächsten Gänsemarkt kann er wieder als normaler Besucher ganz entspannt durch die Gassen bummeln.

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Erstellt:
28. September 2021, 06:00 Uhr

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