Die Schreiblust liegt in seinen Genen

Heiner Kirschmer hat das Büchlein „Backnang. Mein Stadtführer“ herausgegeben. Geschichtsinteressierte erfahren darin zahlreiche, gut recherchierte Hintergründe der Stadtgeschichte.

Heiner Kirschmer erzählt in seinem neuesten Werk kurzweilig über Backnangs Historie. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Heiner Kirschmer erzählt in seinem neuesten Werk kurzweilig über Backnangs Historie. Foto: A. Becher

Von Ingrid Knack

Backnang. Heiner Kirschmer setzt sich schon seit vielen Jahren mit der Geschichte seiner Heimatstadt auseinander. Über zwei Jahrzehnte lang leitete er die Heimatabteilung im Heimat- und Kunstverein, 1992 gründete er den Archäologischen Arbeitskreis, er schrieb einen Radwanderführer Backnanger Bucht, Beiträge für das Backnanger Jahrbuch etwa über die Vor- und Frühgeschichte und die Römerzeit und rief die Reihe „Backnanger Gschichdla“ ins Leben–vier Ausgaben gibt es davon mittlerweile. Nun hat er das Büchlein „Backnang. Mein Stadtführer“ herausgebracht, in das sein umfassendes Wissen auf dem Gebiet der Heimatforschung, über Land und Leute einfloss. Themenschwerpunkte sind „Die Murr-Metropole“, „Backnanger Bucht – Landschaft und Geologie“, „Stadtrundgang – Sehenswürdigkeiten“, „Backnanger Persönlichkeiten“, „Kunst und Kultur“, „Sport, Freizeit und Veranstaltungen“, „Wirtschaft und Industrie“ sowie „Stadtchronik“. Grundlage zahlreicher Beiträge in diesem Stadtführer ist das Backnang-Lexikon, bei dem Kirschmer Mitautor ist.

Den Beichtstuhl kannte er noch nicht

Hat er bei so viel Forschungsarbeit in über 30 Jahren jetzt bei der Recherche für den Stadtführer noch etwas Neues entdeckt? Auf diese Frage kommt eine schnelle Antwort: „Den evangelischen Beichtstuhl um 1679 in der Stiftskirche, den hatte ich seither nicht gekannt“, sagt Kirschmer. „Sonst bin ich in der Geschichte drin.“ Und die hat Heiner Kirschmer sogar mitgestaltet. Zum Beispiel als zweiter Vorsitzender im Förderverein „Gotischer Chor“ der ehemaligen Michaelskirche. Im Verein sei er die treibende Kraft gewesen, sagt er über sich selbst. Damals ging es darum, wie der Umbau der Galerie der Stadt Backnang mit gotischem Chor realisiert werden sollte. In diesem Zusammenhang kommt Kirschmer auf die Liebfrauenkirche in Trier und die Elisabethkirche in Marburg zu sprechen, die immer genannt werden, wenn es um die ältesten gotischen Kirchen in Deutschland geht. Sie seien aber später fertig geworden als die Michaelskirche in Backnang. Zur Michaelskirche ist in dem Stadtführer zu lesen: „Als um 1116 in der Backnanger Pfarrkirche ein Augustiner-Chorherrenstift eingerichtet wurde, ließen die Markgrafen von Baden für die Backnanger Bevölkerung eine neue Kirche errichten, die 1122 dem heiligen Michael geweiht wurde.“ Und: „Ein derart reichhaltiges bauplastisches Programm, das im Chor vorhanden ist, ist eine Seltenheit der Kunst des 13. Jahrhunderts und gilt als Rarität. Weder in der nordfranzösischen Kathedralplastik, die in dieser Zeit richtungsgebend war, noch in der deutschen Kunst finden sich Vergleiche, die als Vorbilder gelten könnten.“

Über eine weitere persönliche Verbindung zur Backnanger Historie schreibt Kirschmer im Kapitel „Historisches Rathaus“: „Auf der Stirnseite des Fachwerks des Rathauses sind auf einem Balken die Initialen von fünf Personen in Gold eingraviert, die beim Wiederaufbau des Rathauses 1716/17 mitgewirkt haben, zwei Bürgermeister und drei Zimmerleute. Eine Initiale lautet: GDKZ – Georg David Keck Zimmermann. Keck war Obermeister der Zimmerleute. Die Zimmerleute waren die Architekten und Bauausführenden des markanten Fachwerkgebäudes. Zimmermann Keck war ein Vorfahre des Herausgebers dieses Stadtführers.“ Und zwar, wie Kirschmer auf Nachfrage präzisiert: „Neun Generationen vor mir.“ Und er erzählt überdies mit Blick auf die Freude am Schreiben von seinem Urgroßvater Heinrich Gottlob Kirschmer, einst Herausgeber der Schwäbischen Albzeitung in Laichingen, der selbst Artikel verfasst habe. Die Schreiblust habe er also in den Genen, ergänzt er augenzwinkernd.

Im Kapitel über das historische Rathaus erfährt man auch, wie das Gebäude früher genutzt wurde: „Ursprünglich muss man sich das Erdgeschoss als offene Halle vorstellen, worauf noch die großen Bogenfenster hinweisen. Das Erdgeschoss wurde ursprünglich als Markthalle genutzt. Im ersten Stock fanden Tuchmärkte und Tanzveranstaltungen statt. Nur das zweite Geschoss war unterteilt und wies die beiden Ratsstuben auf.“

Kirschmer ist stolz auf seine Heimatstadt, die die größte Stadt an der Murr ist. Das ist an vielen Stellen des Büchleins herauszulesen. Und selbst diejenigen, denen die Backnanger Geschichte nicht fremd ist, werden beim Lesen sicher viel Neues erfahren oder zumindest an interessante geschichtliche Details erinnert. Wussten Sie beispielsweise, dass der Name Bandhaus daher rührt, „dass der Keller des Gebäudes schon vom Augustiner-Chorherrenstift als Weinlager genutzt wurde und um die Weinfässer ,Bänder‘ gebunden waren“? Oder warum Anfang des 17. Jahrhunderts der württembergische Landesbaumeister Heinrich Schickhardt beauftragt wurde, in Backnang ein Schloss zu bauen? „Dadurch sollte für eine angemessene Unterkunft gesorgt werden, wenn die württembergischen Herzöge zur Jagd in die Backnanger Gegend kamen. 1606 wurde der Grundstein für das geplante zweiflügelige Gebäude gelegt, von dem nur ein Flügel verwirklicht wurde, der 1617 im Rohbau fertig war. Allerdings wurde danach das Bauprojekt aus Geldmangel eingestellt und der Bau als Fruchtkasten genutzt.“ Heute ist dort das Amtsgericht zu finden.

Interessant ist auch die Geschichte des Schillerplatzes: „Im 19. Jahrhundert lag der dreieckige Platz noch außerhalb der geschlossenen Bebauung der Stadt und diente als Viehmarkt. Zeitweilig nutzten ihn auch die Turner als Übungsplatz.“

In seinem Vorwort schreibt Oberbürgermeister Maximilian Friedrich: „Mit seinem persönlichen Stadtführer liefert er eine kompakte Zusammenstellung der Sehenswürdigkeiten Backnangs mit den jeweiligen historischen Hintergründen. (...) Wer also Backnang auf eigene Faust erkunden will, hat mit dem Stadtführer von Heiner Kirschmer eine ausgezeichnete Grundlage, um den Besuch in unserer schönen Stadt unvergesslich zu machen.“

Vertrieb Der Stadtführer von Heiner Kirschmer mit aktuellen und historischen Fotos und Repros von Gemälden ist in der Geschäftsstelle der Backnanger Kreiszeitung in der Postgasse 7 (Montag bis Freitag von 8 bis 16.30 Uhr sowie Samstag von 8 bis 12 Uhr) und bei der Buchhandlung Kreutzmann Am Schillerplatz 5 erhältlich. Er umfasst über 70 Seiten und kostet 8 Euro.

Zum Artikel

Erstellt:
19. März 2022, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!
Das denken die Bürger über Backnang
Top

Stadt & Kreis

Das denken die Bürger über Backnang

Kommunalwahl 2024 Zum zweiten Mal hat unsere Zeitung eine repräsentative Umfrage durchführen lassen. Fast 1100 Menschen haben mitgemacht. Die Ergebnisse zeigen: Die Verkehrssituation und die Entwicklung der Innenstadt machen den Befragten die größten Sorgen.

Stadt & Kreis

Gewalttäter muss für unbestimmte Zeit in Psychiatrie

Das Landgericht Stuttgart verurteilt einen 47-Jährigen wegen schwerer Körperverletzung in Backnang und Schorndorf. Das Gericht sieht in dem Mann eine Gefahr für die Allgemeinheit.