„Durchgangsstation“ soll bestehen bleiben

Der Aspacher Gemeinderat fordert zur Verlängerung des Pachtvertrags für die Flüchtlingsunterkunft den Dialog mit den Bürgern.

Archivfoto: E. Layher

© Edgar Layher

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Von Renate Schweizer

ASPACH. Es war absehbar eine Mammutsitzung, das letzte Treffen des Gemeinderats vor der Sommerferien. Schon aus Gründen der Sitzungsökonomie wäre die Versuchung groß gewesen, den ersten Punkt der Tagesordnung, die Verlängerung des Pachtvertrags für die Asylbewerbersammelunterkunft, kurzweg abzuhandeln. Der Landkreis, zuständig für die Verteilung und Unterbringung von geflüchteten Menschen, hatte die vertraglich zugesicherte Option, „am Pachtzeitende (...) den Vertrag zu verlängern. Diese Verlängerungsoption muss schriftlich spätestens 6 Monate vor Ablauf der Pachtzeit gegenüber dem Vermieter erklärt werden.“ Ein Briefchen des Landratsamts an den Vermieter, die Gemeinde Aspach, hätte also rein theoretisch genügt, um die Pacht und Baugenehmigung für die Containeranlage in der Marbacher Straße, die dort seit 2015 steht, noch einmal für zwei Jahre zu verlängern.

So einfach wollten sich die Beteiligten die Sache aber nicht machen, und so war der Erste Landesbeamte Peter Zaar eigens gekommen, um bei Bürgerinnen und Bürgern, dem Gemeinderat und der Verwaltung der Gemeinde für diese Verlängerung zu werben. Gemeinderat und Verwaltung wussten das zu schätzen, denn Zaar ist in seinem Amt nicht nur für Ordnung, Ausländer, ÖPNV und Kommunales zuständig, sondern auch für die Gesundheitsämter im Kreis – man kann sich denken, dass der Mann ziemlich aufregende Monate hinter sich hat, seit er 2019 diesen Posten übernommen hat.

Trotzdem: Jetzt war er da, und das war auch gut so. Hans-Jörg Weinbrenner, der damalige Bürgermeister der Gemeinde, hatte nämlich den Anwohnern und Nachbarn der Marbacher Straße bei der Aufstellung der Containeranlage fest zugesagt, es handle sich um eine Maßnahme für die nächsten fünf Jahre, danach werde die Anlage zurückgebaut, sprich: abgerissen. Nun also Planänderung – das muss man den Betroffenen erklären, zumal ja überall im Kreis die Flüchtlingsunterkünfte aufgegeben werden: Von 74 Unterkünften in der Hochphase der Flüchtlingswelle im Land sind grade noch 14 in Betrieb, und davon soll eine also in Aspach stehen (bleiben).

In der Aspacher Containeranlage läuft es besser als andernorts.

Warum gerade hier, wollten die Räte wissen, in einer als Provisorium angelegten Containeranlage, wenn anderswo qualitativ bessere Unterkünfte in richtigen Häusern aufgegeben werden? Im Wesentlichen lieferte der Erste Landesbeamte dafür zwei Begründungen:

Erstens, der Standort wird beibehalten, weil es in Aspach so gut läuft: Weniger Polizeieinsätze als im Durchschnitt, engagierte Ehrenamtliche, soziale Arbeit durch die Caritas – „und der Kollege ist schon lange da und macht einen super Job“. Zweitens, der Standort wird beibehalten, gerade weil eine Containeranlage nicht so komfortabel ist wie ein festes Gebäude.

Dieser Grund leuchtete den versammelten Gemeinderäten nicht auf Anhieb ein, es handele sich schließlich um Menschen, so kam es von allen Seiten. Man wolle den Bewohnern der Gemeinschaftsunterkünfte (GU) bewusst keine potenzielle Heimat bieten, „wie eine Karotte, die man ihnen erst hinhält und dann wieder wegzieht“. Der Aufenthalt in der GU werde auch immer kürzer, weil die Antragsbearbeitung immer schneller gehe.

Es sei „eine Durchgangsstation mit Abwarten“ ergänzte Gemeinderätin Hannah Nothstein (CDU), die die Anlage und ihre Bewohner ganz offensichtlich aus ehrenamtlichem Engagement bestens kennt, und sie persönlich erinnere sich auch an mindestens sieben Sozialarbeiter, die die geflüchteten Menschen im Verlauf der letzten fünf Jahre dort nacheinander betreut hätten. Da wusste sie natürlich mehr, als der Erste Landesbeamte wissen konnte. „Am Anfang hat es viel Wechsel gegeben“, räumt Meli Göksu ein. Er ist Zaars Mitarbeiter für die Detailarbeit vor Ort, aber inzwischen sei man sehr zufrieden, sagte er, und die Arbeit der Caritas laufe bestens.

Gemeinderat Wolfgang Schopf (SPD) vermutete, die GU Aspach werde vielleicht einfach deshalb in Betrieb gehalten, weil sie billig sei. Das sei nicht der Fall, versicherte Zaar, finanzielle Erwägungen spielten dabei keine Rolle. Allerdings hat man beim Bau der Containeranlage versäumt, WLAN für die Bewohner einzurichten, und kann es eben doch aus Kostengründen nicht mehr nachholen. Damit sind die Bewohner der Anlage, meistens allein reisende Männer, praktisch gezwungen, sich tagsüber im Freien, hauptsächlich in der Nähe des Supermarkts, bei dem es freien WLAN-Zugang gibt, aufzuhalten, wenn sie Kontakt zu ihren Familien halten wollen. Und das wiederum ist ein Ärgernis für die Anwohner. Überhaupt „ist es schwierig, jetzt abzustimmen“ bekundete Nothstein, solange die Anwohner nicht informiert und gehört worden seien. „Schade, dass das noch nicht passiert ist.“

Dafür erntete sie viel Zustimmung von den Ratskollegen aller Fraktionen und auch der Bürgermeisterin, Sabine Welte-Hauff. So wurde in den Beschluss über die Pachtverlängerung mit aufgenommen, dass der Dialog mit den Anwohnern schleunigst gesucht werden müsse, und zwar von Landratsamt und Gemeinde, und alle interessierten Containernachbarn in die Gemeindehalle zur Aussprache eingeladen werden sollen. Trotz dieses Vorbehalts wollten zwei Räte (Johannes Schaaf/CDU, Udo Wruck/SPD) der Vertragsverlängerung nicht zustimmen.

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Erstellt:
1. August 2020, 11:00 Uhr

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